Buch, Deutsch, 480 Seiten, Format (B × H): 125 mm x 194 mm, Gewicht: 580 g
Buch, Deutsch, 480 Seiten, Format (B × H): 125 mm x 194 mm, Gewicht: 580 g
ISBN: 978-3-945370-50-6
Verlag: Guggolz Verlag
Michail Prischwin (1873–1954) versuchte in seinen Tagebu¨chern zu verstehen, was um ihn herum passierte, und die Zeichen seiner Zeit zu entschlu¨sseln, in Alltagsbeobachtungen ebenso wie auf innersowjetischen Reisen, in Lektu¨remitschriften wie in Beschreibungen der Natur und steter Selbstbeobachtung. Im Zentrum des Jahres 1936 steht die Erkundung der Kaukasusregion Kabardino-Balkarien: Dort regiert der charismatische Fu¨hrer Betal Kalmykow, der Prischwin umgarnt und ihn fasziniert, ihm aber auch bedrohlich erscheint. Vor Ort gewinnt Prischwin intime Einblicke, zeichnet sie akribisch auf – und nimmt Annehmlichkeiten, wie etwa ein Auto, gerne in Anspruch. Parallel dazu denkt er u¨ber das bru¨chige Gleichgewicht von Macht, Fortschritt und Gewalt nach.
Neben der Reise an die sowjetische Peripherie ist Prischwin 1936 auch in Moskauer literaturinterne Machtkämpfe verstrickt, auf Schriftstellertagungen, in Briefwechseln und öffentlichen Auseinandersetzungen. Er kämpft um literarische Anerkennung und dadurch verbundenen Schutz, um ausbleibende Ehrungen und politischen Einfluss. Hell leuchten in Eveline Passets fast seismographischer Übersetzung die Momente, in denen Prischwin sich der Ambivalenzen seiner Existenz bewusst ist: »Ich will nicht geku¨sst werden, und zugleich ist es kränkend, unbeachtet zu bleiben.« Das Tagebuch, in gefährlichen Zeiten einziger Raum fu¨r freies Denken, gewinnt fu¨r ihn zunehmend an Bedeutung. Sein Wert fu¨r uns Nachgeborene, su¨chtig danach, Erkenntnisse und Parallelen zu unserer Zeit zu finden, scheint heute unschätzbar.