E-Book, Deutsch, 472 Seiten, gebunden, Format (B × H): 125 mm x 205 mm
Rehm Subliminal. Das Experiment
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-920793-49-8
Verlag: Ruhland
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Experiment
E-Book, Deutsch, 472 Seiten, gebunden, Format (B × H): 125 mm x 205 mm
ISBN: 978-3-920793-49-8
Verlag: Ruhland
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Nach seinem fulminanten Debüt-Roman legt Thorsten Oliver Rehm nun seinen zweiten Thriller vor, einen Wissenschafts-Thriller, der seine Leser nicht nur in die Welt der Medien, der Gehirnwissenschaften und des Geldes führt, sondern auch wieder in die Tiefe der Meere. Das Thema des packenden Romans könnte aktueller nicht sein, nehmen wir doch alle eine Zunahme von Gewalt wahr, die immer absurder und hemmungsloser erscheint. Was steckt dahinter? Der Leser wird nun mit hineingezogen in eine erbarmungslose Jagd nach Erkenntnissen, die die Menschen befreien, genauso aber in Fesseln legen könnten. Mit diesem Roman hat Thorsten Oliver Rehm nicht nur eingehalten, was man sich von seinem Folgeroman versprochen hat, er hat unsere Erwartungen bei Weitem übertroffen.
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Er goss sich eine Cola ein, riss sich eine Tüte Chips auf und wählte einen Film aus.
Seltsam, dachte er, eigentlich hasse ich doch Cola und Chips, oder nicht?
?
Sie sind doch ein Mann der Geheimnisse.
War das wirklich nur ein simpler Versprecher, oder wollte der Mann damit etwas andeuten? Geheimniskrämerei widerte Frank an! Ja, einst hatte er Geheimnisse vor sich hergeschoben, damals, als die dramatischen Ereignisse um Bornholm ihren Lauf nahmen. Ja, einst hatte er selbst ein Geheimnis gehegt. Und hatte es gerechtfertigt vor sich. Mittel zum Zweck war es damals. Um Schlimmeres zu verhindern, um das Richtige zu erreichen.
Aber wo hatte es damals hingeführt? In ein unbegreifliches Drama, viel größer als je hätte werden können, was Frank zu verhindern versucht hatte.
Seither wollte er nie wieder Geheimnisse haben. Die Wahrheit war das einzig richtige! Und er hatte das Gefühl, als wären die Forschungsarbeiten, an denen diese Sub-Search-Gruppe beteiligt war, alles andere als offenes Terrain.
Wer weiß schon, worum es dabei geht? Sollte es nur ums Geld gehen – dafür wurde das Meer inzwischen genug ausgebeutet, von den Riffen war der Raubbau durch den modernen Menschen schließlich bis zum Meeresgrund der Tiefsee vorgedrungen; nur um des Geldes wegen – da wäre er raus aus der Nummer, um Geld war es ihm noch nie gegangen, bei nichts, nicht einmal damals als Forscher, noch später als Inhaber einer Tauchbasis. Das Materielle war nie sein Antrieb gewesen. War es auch heutzutage nicht. War nur die Frage, um was es hier bei dieser Sache eigentlich ging. Ziemliche Geheimniskrämerei… Hm… Andererseits… Reizvoll wäre das schon – eine Beratertätigkeit.
Und er könne selbst viel tauchen, hieß es. Obendrauf würde sich ihm ein kleiner Traum erfüllen. In all den Jahren als Taucher, Forscher und Tauchlehrer mit seinen knapp zehntausend geloggten Tauchgängen war es ihm nie vergönnt gewesen, in einer Unterwasser-Station mitzuarbeiten. Einzig hatte er zwei stillgelegte Unterwasser-Habitate von außen gesehen, kürzlich erst, während eines Urlaubs. Verlassene, mystisch anmutende Gebilde, die sich präsentierten wie ein Ding aus einer anderen Zeit oder einer anderen Dimension und die inzwischen nur noch als Tauchtouristen-Attraktionen herhielten.
Inzwischen war es später Nachmittag, Frank war in seinen Gedanken versunken auf dem Weg zu seinem Auto, um kurz zum Hafen zu fahren. Wie fast jeden Tag wollte er nach der letzten Tauchausfahrt des Tages beide Boote checken und kurz nach dem Rechten sehen. Nötig war es eigentlich nicht, sondern mehr eine Gewohnheit, ja fast ein Ritual, den Tag damit – und mehr noch mit dem obligatorischen Kaffee im Pepe – abzuschließen.
Die Taucher-Runde im Pepe bestand immer aus denselben Bootseignern, allesamt Inhaber hiesiger Tauchbasen, die sich untereinander Neuigkeiten mitteilten, die fürs Tauchgeschäft von Belang waren. Vor allem aber dienten die Treffen dem Miteinander unter Konkurrenten, die sich gegenseitig dennoch nicht wie Konkurrenten behandelten, sondern sich vielmehr als Gleichgesinnte betrachteten und so einander auch begegneten. Menschen mit ähnlichen geschäftlichen Bedürfnissen, Freuden, Sorgen und Nöten. Meist kam er nach circa eineinhalb Stunden wieder vom Hafen zurück und erledigte dann noch im Büro den Papierkram, der über den Tag angefallen war.
Ohnehin hatte er in letzter Zeit das Gefühl, mehr und mehr zum Geschäftsmann zu mutieren, zum Tauchen kam er nur noch selten. Ein Jammer, das war doch der Grund, warum er vor Jahren seinem alten Leben den Rücken gekehrt hatte. In seiner Funktion als Unterwasserarchäologe war er auch viel getaucht, aber das war nicht vergleichbar gewesen. Vielmehr war das, was damals geschehen war, der Grund für den Schlussstrich… Aber das Kapitel war abgeschlossen, er hatte seinen Frieden gefunden.
Sein Neubeginn als Tauchlehrer war gewiss nicht nur der Leidenschaft zuzuschreiben, sondern auch eine Art Rebellion gegen sein früheres berufliches Wirkungsfeld gewesen. Er hatte einen Schlussstrich gezogen. Endgültig, so dachte er zumindest. Bis heute. Bis dieser Grothe aufgetaucht und ihm eine Tätigkeit angeboten hatte, bei der er nach langer Zeit wieder als Forscher, als Wissenschaftler und vor allem als Taucher gebraucht wurde, nicht nur als Papiertiger und Bürokrat, der er zunehmend geworden war und der sein innerstes Ich eigentlich nicht sein wollte.
Nicht, dass ihn der heutige Besuch dieses Mannes in einen unwiderstehlichen Sog gezogen hätte wie damals. Es war anders als der Lockruf vor fünf Jahren, dem des archäologischen Instituts, mit dem er fünfzehn Jahre zuvor gebrochen hatte, jenem Lockruf, der ihn nach langer Funkstille damals zurück in sein altes Leben geführt und der ihm letztlich ermöglicht hatte, alte Rechnungen zu begleichen und endlich Frieden zu finden. Jener Ruf aus der Vergangenheit war ein völlig anderer gewesen. Intensiver. Aufwühlender. Er hatte alte Wunden aufgerissen und das nicht verarbeitete Trauma ans Tageslicht befördert. Und hatte ihn in einen Strudel gezogen.
Nein, diese heutige Verlockung, nach langer Zeit ein kleines bisschen wieder Forscher zu sein, war damit nicht zu vergleichen. Und doch: als tauchender Berater tätig zu werden, kitzelte sein offensichtlich noch immer latent vorhandenes Forscher-Ich aus ihm heraus, und mit jeder Stunde, die seither verstrichen war, breitete es sich mehr und mehr in ihm aus, anders als damals, aber doch deutlich wahrnehmbar. Die Sache klang nach Abenteuer, nach der Jagd nach Erkenntnissen, nach Neuem. Und etwas in ihm lechzte nach Veränderung.
War es das, was man gemeinhin als Midlife-Crisis bezeichnete? Unwillkürlich musste er schmunzeln. Ganz so abwegig war es ja vielleicht nicht. Schlitterte er in letzter Zeit womöglich klammheimlich in eine Krise hinein, und dieser Mann hatte ihn nur zur rechten Zeit am rechten Ort mit der richtigen Lösung für seine Ruhelosigkeit abgeholt? Gerade zu einer Zeit, als er fast täglich hinterfragte, ob es wirklich die richtige Entscheidung war, erneut zu expandieren? Er war endgültig vom abenteuerlustigen Taucher zum Unternehmer avanciert! Ums Geld ging es nicht. Um was dann? Es hatte sich einfach so entwickelt, ein unaufhaltbarer Prozess, der dazu führte, dass er sich nun zunehmend gefangen fühlte. Zwar entlastete ihn sein Freund Ralf, der sich immer in Franks Sinne und nahezu eigenständig um den ersten Basis-Ableger auf Mallorca kümmerte.
Aber trotzdem: Franks Aufgaben waren immer umfangreicher geworden. Und jetzt sollte noch eine dritte Basis dazukommen?! Übernahm er sich da nicht? Wenigstens führte er die Allgäuer Tauchbasis nicht mehr, die in Deutschland bis vor einer Weile noch parallel zu der auf Mallorca bestanden hatte. Es hatte eine Weile gedauert, bis Frank die geschäftlichen Brücken nach Deutschland endgültig abgerissen hatte. Leicht war ihm das nicht gefallen, doch es war besser so. Lange Zeit war er zwischen beiden Ländern hin und her gependelt. Die dafür investierte Zeit und Energie hatte er nun gewonnen, dafür aber gleich das neue Projekt auf der Insel in Angriff genommen. So weit, so gut.
Was ihm aber in letzter Zeit am meisten zu schaffen machte, war der Umstand, dass er selbst nicht einen einzigen Kurs mehr gab. Er wollte Tauchlehrer sein, liebte die Begeisterung in den Augen seiner Schüler, den Glanz in ihren Augen nach ihrem ersten Tauchgang und den Glanz nach jedem weiteren und den Glanz aufgrund der Vorfreude auf den nächsten Dive. Er war nicht nur dabei – er war mittendrin gewesen.
Und jetzt? Nicht einmal mehr dabei war er! Er stand im Hintergrund, lenkte den Alltag seiner Mitarbeiter, die das Leben lebten, das er und Jennifer eigentlich hatten leben wollen. Oder sah er das Ganze zu negativ? War es nicht der normale Lauf der Dinge? Er war nicht mehr dreißig, sondern fünfundvierzig. Er und Jennifer hatten sich weiterentwickelt, das Unternehmen hatte sich weiterentwickelt. Unternehmen! Allein das Wort… Er war plötzlich mehr Geschäftsmann als Taucher. Zwar war er noch immer Taucher aus Leidenschaft, nur konnte er selbst dieser Leidenschaft kaum mehr frönen. Und zunehmend hatte er auch immer weniger Momente als Ehemann und Vater, denn auch diesen Rollen schien er immer weniger gerecht zu werden. Er war im sprichwörtlichen Hamsterrad gefangen, raste wie ein Wilder darin voran und kam trotzdem nicht von der Stelle – das wahre Leben zog mehr und mehr an ihm vorüber, so zumindest empfand er es, jeden Tag ein Stückchen mehr.
Und heute war unvermittelt dieser Anwerber in sein Leben getreten. Ein Wink? Woher? Gut oder schlecht? Er hatte keine Ahnung. Wobei Jennifer alles andere als begeistert gewesen war, als er vorhin ganz nebenbei erwähnt hatte, dass man ihm ein Angebot unterbreitet habe, und er sie gefragt hatte, was sie denn davon halte. Um was genau es denn gehe, hatte Jennifer gefragt. Das könne er ihr auch noch nicht sagen, wisse es selbst nicht genau, habe nur Andeutungen gehört, war seine Antwort gewesen. Es gehe jetzt erst mal darum, ob er grundsätzlich in der Art etwas tun wolle und solle. Als Forscher Geheimnissen auf den Grund gehen – ja! Wenn aber Menschen Geheimnisse hatten – nein! Und noch weniger mochte er es, wenn er aufgrund einer Verschwiegenheitserklärung vor anderen Geheimnisse haben sollte, ohne im Vorfeld aber zu wissen, ob es überhaupt redlich war, sein neues Wissen dann für sich zu behalten. Wer wusste schon, um was es bei dieser Forschung ging und ob es mit seinem Idealismus vereinbar war? Jennifer betrachtete die Sache mit Skepsis, und sie hatte recht....