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E-Book, Deutsch, Band 6, 300 Seiten
Reihe: Frederike Suttner
Revers Alles hat ein Ende
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-95441-748-3
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eifelkrimi
E-Book, Deutsch, Band 6, 300 Seiten
Reihe: Frederike Suttner
ISBN: 978-3-95441-748-3
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Andrea Revers wurde 1961 in Brühl/Rheinland geboren. Sie ist Diplom-Psychologin, studierte Publizistik und Kommunikationswissenschaften und machte eine Ausbildung zur Journalistin und Marketing-Beraterin. Sie lebt in der Eifel und widmet sich nach langjähriger Tätigkeit als Management-Trainerin und Coach nun voll und ganz dem Schreiben. Sie verfasste Bücher, Fachartikel und zahlreiche Kurzkrimis. 2011 wurde sie für den »Deutschen Kurzkrimipreis« nominiert. Ihre Romanreihe um die Ex-Kommissarin Frederike Suttner hat der Palette der Eifelkrimi-Literatur eine neue Farbe hinzugefügt und umfasst nun bereits sechs Bände.
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KAPITEL 1
»Ich glaube, er hat eine andere.«
»Was?« Frederike fuhr auf. Sie hatte ein wenig in der Sonne gedöst und die Wärme auf ihrem Gesicht genossen. Gemeinsam mit ihrer Nichte Angela saß die pensionierte Kriminalkommissarin in ihrem Garten. Sie hatten einige Zeit damit verbracht, die Rosenbüsche auszuputzen, die gerade in voller Blüte standen, und gönnten sich nun eine kleine Auszeit mit einem kühlen Getränk. Angela saß ihr im Sessel gegenüber, die gebräunten Beine hochgezogen und die Augen geschlossen.
»Was hast du gesagt?«, wiederholte Frederike ihre Frage, obwohl sie sich eigentlich sicher war, den Text verstanden zu haben, und doch weigerte sich ihr Gehirn, die Information passieren zu lassen.
»Frank. Ich glaube, er hat eine andere.«
»Ach, Unsinn!« Wenn sich Frederike eines sicher war, dann, dass Frank Junge ihre Nichte von ganzem Herzen liebte. »Wie kommst du bloß darauf?«
Angela öffnete die Augen und fixierte Frederike. »Die letzte Zeit ist er ständig unterwegs und erzählt kaum noch etwas zu Hause. Wenn er da ist, sitzt er die meiste Zeit vor dem Fernseher. Doch ich habe den Eindruck, dass ihn das Programm überhaupt nicht interessiert. Er will sich bloß nicht mit mir unterhalten. Sag nicht, dass dir nicht auch aufgefallen ist, dass er irgendwie komisch ist.«
Frederike kniff die Augen zusammen. »Bist du sicher, dass er nicht einfach an einem Fall knabbert? Polizisten sind nicht unbedingt die besten Ehepartner, wenn das Böse droht.«
Angela hob die Schultern, streckte ein Bein aus und zupfte mit den Zehen ein paar Grashalme aus der Wiese.
»Wenn du den Rasen mähen willst, gibt es einfachere Wege«, beschied Frederike. »Der Rasenmäher steht im Schuppen.«
Doch Angela dachte gar nicht daran, den bequemen Sessel zu räumen, sondern starrte vor sich hin.
Frederike überlegte, ob ihre Nichte ihren Einwand überhaupt gehört hatte, und seufzte auf. »Also gut. Was ist los bei euch?«
Hannelore, Frederikes schwarzer Kater, kam herangeschlichen und strich um Angelas nackte Beine. Sie bückte sich, um ihn zu streicheln, und begann dabei zu erzählen.
»Heute Morgen ist er aus dem Haus, ohne zu frühstücken. Normalerweise bringt er mir morgens eine Tasse Kaffee ans Bett, wenn er vor mir rausmuss. Aber heute Morgen hat er nur vor sich hin geknurrt und ist los. Er wirkt so kalt und abwesend.« Sie zögerte. »Ach, ich weiß auch nicht. Er ist so anders.«
»Hat er denn einen Fall, an dem er gerade arbeitet?«
Angela hob den Blick und setzte sich wieder aufrecht hin. »Selbst das weiß ich nicht. Ich habe den Eindruck, wir hätten schon seit einer Woche kaum ein Wort gewechselt.«
»Hmm, das hört sich aber gar nicht nach Frank an.«
»Meinst du etwa, es liegt an mir?«, brauste Angela auf.
»Himmel, nein, so war das nicht gemeint«, bemühte sich Frederike, ihre Nichte zu beschwichtigen. »Ich wollte nur sagen, dass das nicht typisch für Frank ist. Aber trotzdem, sein Job bei der Mordkommission ist aufreibend, und vielleicht hat er etwas gesehen, was ihm nachgeht.«
Angela zuckte mit den Schultern. »Mag sein. Aber dafür hat man doch Partner, oder? Damit man sich alles erzählen kann.«
Frederike blickte sie an. »Erzählst du ihm alles, was du am Tag erlebst?« Sie hatte den Eindruck, dass Angela bei der Frage zusammenzuckte, sprach aber einfach weiter. »Ich habe früher so viel Furchtbares gesehen, dass man im Laufe der Zeit abstumpft. Aber selbst mir passiert es heute noch, dass mich die Dämonen der Erinnerung im Traum verfolgen. Und das ist nichts, worüber ich mit anderen sprechen möchte.«
Angela lächelte sie liebevoll an. »Du bist die furchtloseste Frau, die ich kenne. Ach was, der furchtloseste Mensch!«
Frederike erwiderte das Lächeln. »Danke für die Blumen, aber das stimmt sicher nicht. Ich zeige meine Gefühle nur nicht so deutlich.«
Angela seufzte. »Vielleicht hast du Frank damit angesteckt. Oder es ist eine Berufskrankheit. Wer weiß!«
Frederike nickte bestätigend. Anscheinend hatte sie Angelas Misstrauen ein wenig zerstreuen können. Sie stand auf und scheuchte damit Hannelore auf, der sich zu ihren Füßen niedergelassen hatte. »Los, es gibt noch viel zu tun. Willst du den Rasen mähen oder lieber die Buchsbäumchen in Form schneiden?«
Angela stöhnte auf. »Echt jetzt?«
»Jawohl. Du musst den Kuchen wieder abarbeiten. Kann das sein, dass du ein wenig zugelegt hast?«
Angela funkelte Frederike böse an, stand aber auf und dehnte ihre Finger. »Ich nehme die Buchsbäume.«
»Aber denk dran: kugelförmig.«
Gemeinsam machten sie sich an die Arbeit. Auch Hannelore trug seinen Teil dazu bei, indem er Fliegen fing.
Zwei Stunden später hatte Angela sich wieder auf den Weg gemacht. Frederike saß noch eine Weile in ihrem Garten, genoss den Ausblick und die frische Luft, während sie an einer Weste strickte. Stricken war ein neues altes Hobby von ihr. Vor rund fünfzig Jahren, als sie studierte, hatte sie an der Uni ständig gestrickt, doch dann die Stricknadeln aus der Hand gelegt und ewig nicht mehr an sie gedacht. Jetzt war die Zeit, wieder durchzustarten. In den letzten Wochen hatte sie sich dabei ertappt, permanent aufs Handy zu starren. Da war Stricken doch wesentlich produktiver.
Während die Stricknadeln klapperten, ließ sie ihre Gedanken schweifen. Auch wenn sie es Angela gegenüber nicht zugegeben hatte, machte sie sich doch Sorgen um das Pärchen. Die zwei passten so gut zusammen. Aber der Beruf des Polizisten war ebenso anstrengend wie der einer Pflegefachkraft. Es half, wenn man sich gegenseitig stützen konnte. Doch wenn beide im Job viel um die Ohren hatten, mit menschlichen Schicksalen konfrontiert waren, die an den Nerven zehrten, dann fehlte möglicherweise der notwendige Rückhalt im Privaten. Ob sie mal mit Frank reden sollte? Halt dich da raus, hörte sie ihre innere Stimme. Und was, wenn Angela mit ihrer ersten Vermutung doch recht hatte und es gar nicht der Job war? Frederike hatte beim letzten Fall auf dem Flussschiff tatsächlich den Eindruck gehabt, dass Frank nicht so ganz bei der Sache war. Ging das etwa schon länger?
Nun nagten auch an ihr leichte Zweifel. War er da nicht ziemlich zerstreut gewesen? So zerstreut, dass er vergessen hatte, einen Tatort zu sichern? Sie hatte darüber hinweggesehen, weil man dort Franks Onkel Willi schwer verletzt gefunden hatte und Frank mit ihm ins Krankenhaus gefahren war. Aber vielleicht steckte doch etwas ganz anderes dahinter.
Das Tempo der Stricknadeln hatte sich merklich beschleunigt, während sie sich den Kopf zerbrach, und sie merkte, dass ihr Muster ein wenig aus dem Tritt geraten war. Mist. Genervt machte sie sich daran, die letzte Reihe aufzuribbeln. Sie würde sich mit Frank beschäftigen. Aber nicht jetzt!
Am nächsten Morgen führte sie ihr Weg nach Hillesheim. Frederike hatte trotz der nächtlichen Sorgen wunderbar geschlafen. Dazu hatte sicherlich auch beigetragen, dass sie gestern Abend noch das Rückenteil ihrer Weste fertiggestellt hatte und nun ganz stolz auf ihre Produktivität war. Jetzt brauchte sie Nachschub. In dem kleinen Wolllädchen im Herzen von Hillesheim, bei Irene, war immer etwas los. Hier fand man sich ein, um Wolle zu kaufen, sich beraten zu lassen, Strick- und Nähtipps zu bekommen oder einfach nur zu plaudern. Frederike genoss die heimelige Atmosphäre unter Frauen. Strickende Männer hatte sie hier bisher nicht entdecken können, obwohl Irene immer wieder versicherte, dass diese hochwillkommen wären.
Während die von ihr gewählte Strangwolle mittels Haspel und Wollwickler zu einem Knäuel aufgewickelt wurde, nahm Frederike am Tisch Platz und lauschte den anwesenden Frauen. Anscheinend ging es um einen Todesfall in der Nachbarschaft. Frederike übernahm die Kurbel des Wicklers von Irene, als eine weitere Kundin den Laden betrat, und nutzte die Gelegenheit, ungeniert dem Gespräch zu lauschen.
»Stell dir vor, die muss da schon zwei Tage gelegen haben, und das bei dieser Hitze die letzten Tage. Es war alles voller Fliegen.«
Frederike zog eine Grimasse. Sie konnte sich den Tatort nur zu gut vorstellen und hatte gleich wieder den Geruch in der Nase.
»Ja, ist das nicht furchtbar, so allein zu sterben? Niemand, der hilft? Das wäre ja mein Albtraum, dass ich einen Monat tot im Bett liege, und keinen interessiert es.«
»Na ja, bei Rita ging es schneller. Ihre Tochter kommt immer am Wochenende … kam immer am Wochenende«, korrigierte sich die Blonde. »Die hat sie gefunden.«
»Entschuldigung, dass ich mich einmische.« Frederike konnte es nicht lassen. Neugier geht vor. »Ich habe ein wenig mitbekommen von Ihrem Gespräch. Wo war das denn?«
»In Niederehe. Meine Nachbarin Rita Baumeister hat man tot gefunden, den Kopf halb im Mittagessen. Ist das nicht furchtbar?«
Frederike nickte. »Ja, schrecklich. Weiß man schon, was passiert ist?«
Die Frau schüttelte den Kopf. »Nichts Genaues. Man vermutet wohl was mit dem Herzen. Aber sie war eigentlich zu jung für so was.«
»Sag das nicht. Einen Herzinfarkt kann man auch schon mit dreißig haben. Oder denk mal an diese jungen Fußballspieler, die da plötzlich auf dem Platz zusammenbrechen«, mischte sich die andere Frau ein, die an einer schwarzen Stola strickte.
Frederike deutete auf das Strickstück. »Trauerfall in der Familie?«
Die komplett Schwarzgekleidete grinste sie an. »Nein. Schwarz ist die...