Richter | Blag im Pott | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 144 Seiten

Richter Blag im Pott

...früher war alles besser?
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7693-5995-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

...früher war alles besser?

E-Book, Deutsch, 144 Seiten

ISBN: 978-3-7693-5995-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



"Früher war alles besser!" Diesen Satz liest oder hört man als Angehöriger der Nachkriegsgenerationen nahezu täglich. War das wirklich so oder wird die Vergangenheit mit zunehmendem Lebensalter nostalgisch verklärt? In diesem kleinen Buch soll anhand der subjektiven Erlebnisse, Beobachtungen und Erfahrungen eines Ruhrgebietskindes der 1950-er und 1960-er Jahre in einer kleinen Zeitreise dieser Frage nachgegangen wer-den. Wie war es früher "hier im Pott" und wie ist es heute? Weil jeder Mensch unterschiedliche Erfahrungen in seinem Leben gemacht hat, sind die Leserinnen und Leser des Buches eingeladen, die Frage aus auch ihrer individuellen Sicht für sich selbst zu beantworten.

Helmut Richter (*1955) absolvierte mit 15 Jahren nach seinem Realschulabschluss eine Ausbildung zum Maschinenschlosser. Anschließend besuchte er ein Sterkrader Gymnasium, legte sein Abitur ab und studierte Gitarre am Robert-Schumann-Institut in Düsseldorf sowie Maschinenbau, Erziehungswissenschaften und Physik an der Universität Duisburg. 1982 Prüfung zum Musikerzieher, 1983 erstes Staatsexamen in Maschinenbau und Physik. Später zusätzliche Studien in Psychologie und Neurobiologie. Promotion zum Dr. phil. (Berufspädagogik). Zahlreiche CD- und Rundfunkaufnahmen, Buchveröffentlichungen und Ver-öffentlichungen eigener Kompositionen. Bundesgeschäftsführer der European Guitar Teachers Association. Bis zur Pensionierung 2021 Schulleiter eines Berufskollegs in Duisburg-Rheinhausen.

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Weitere Infos & Material


Der Start ins Umfeld 1955. Der 2. Weltkrieg war 10 Jahre vorbei und die 1949 gegründete Bundesrepublik Deutschland feierte ihr sechsjähriges Bestehen. Die gröbsten Aufräumarbeiten nach den Verwüstungen des Krieges waren erledigt und allmählich begann die deutsche Wirtschaft zu florieren. Das Land stand an der Schwelle des Wirtschaftswunders, das die kommenden Jahre prägen sollte. Konrad Adenauer, der damalige Bundeskanzler, hatte nach zähen Verhandlungen mit der sowjetischen Regierung die Freilassung der letzten Kriegsgefangenen erreicht; im selben Jahr wurde auch die Bundeswehr als Nachfolgerin der Wehrmacht eingeführt. Der Gewinn der Fußballweltmeisterschaft im Jahr 1954 war der erste wirkliche Höhepunkt im Nachkriegsdeutschland. Deutschland begann, wieder „wer“ zu sein. Geboren wurde ich als Kind von Eltern evangelischen Glaubens im – natürlich – evangelischen Krankenhaus in Oberhausen-Sterkrade. Es wäre undenkbar gewesen, außer in einem absoluten Notfall, als „Evangele“ in ein katholisches Krankenhaus zu gehen – umgekehrt natürlich genauso: Ein „Kathole“ in einem evangelischen Krankenhaus war ebenso unmöglich. Im evangelischen Krankenhaus führten die Diakonissen ein strenges Regiment. Sie waren an ihren schwarzen Kitteln und den weißen Hauben gut zu erkennen. Natürlich kann ich mich nicht an „Nissen“ erinnern, denn das Erinnerungsvermögen eines Menschen beginnt erst etwa mit dem dritten Lebensjahr; die Zeit davor liegt für den Einzelnen im Dunkeln, obwohl – wie man heute weiß – genau in diesem Zeitraum einige wichtige Weichen für die persönliche Entwicklung gestellt werden. Wenn Menschen meinen, dass sie sich an Erlebnisse in noch jüngeren Jahren erinnern können, dann liegt es daran, dass sie ihnen von den Eltern oder Geschwistern nachher erzählt worden sind, es sind also sozusagen Erlebnisse aus zweiter Hand. Zurück zu den Diakonissen: Ich hatte aber in etwas höherem Alter das zweifelhafte Vergnügen, einige der gestrengen Damen im Krankenhaus kennenzulernen. Dazu später mehr. Aber meine Geburt haben sie offensichtlich ganz gut hinbekommen. Die ersten zehn Monate meines Lebens verbrachte ich mit meinen Eltern und meinem acht Jahre älteren Bruder in einer Zwei-Zimmer-Dachwohnung in der „Schwarzen Heide“, einem Teil vom Biefang, der wiederum ein Stadtteil von Sterkrade ist; und Sterkrade ist seit 1929 Teil der Großstadt Oberhausen. (So wirklich haben viele Sterkrader die Eingemeindung nach Oberhausen bis heute nicht verdaut, aber das ist ein anderes Thema). Mein Vater arbeitete damals als kaufmännischer Angestellter bei der Gutehoffnungshütte (GHH), die ihren Stammsitz in Oberhausen hatte. Er war einer von den über 9.000 Mitarbeitern, die dort beim größten Anbieter von Arbeitsplätzen in der Stadt ihr Geld verdienten. Die Arbeitswoche hatte damals 48 Stunden, d. h. es wurde auch samstags gearbeitet. Der Urlaubsanspruch lag im Jahr 1950 noch bei zehn Tagen, also zwei Wochen im Jahr. Meine Mutter war geborene Berlinerin, die nach der Hochzeit mit meinem Vater nach Oberhausen „in die Provinz“ gezogen war. Als sie meinen Vater heiratete, dachte sie im fernen Berlin, dass die Bewohner des Rheinlandes täglich fröhlich trinkend und singend auf den Weinbergen sitzen würden. Man kann sich unschwer die Enttäuschung vorstellen, als sie die Oberhausener Realität erlebte. Sie hatte vor der Eheschließung als technische Zeichnerin bei Siemens in Berlin gearbeitet, musste aber – so war es damals üblich – mit der Verheiratung ihre berufliche Tätigkeit aufgeben. „Die Frau gehört in den Haushalt“, so war die allgemeine Einstellung bei den Männern, die damals noch alles zu bestimmen hatten. Im Volksmund hieß das „KKK“, also Küche, Kinder, Kirche – so wurde die soziale Rolle von Frauen damals schlagkräftig beschrieben und als gehorsame Ehefrau hatte man sich darin zu fügen. Noch vor meinem ersten Geburtstag bezogen meine Eltern eine Neubauwohnung am Stemmersberg in Sterkrade. Der Stemmersberg ist nichts anderes als eine leichte Welle in der Sterkrader Ebene, vielleicht 10 bis 15 Meter höher als das umgebende Flachland. Der benachbarte Tackenberg ist etwas höher, aber nicht viel. Benannt ist der Stemmersberg nach der Bauernschaft Stemmer, die dort seit langer Zeit existierte. Die Gutehoffnungshütte hatte dort um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert herum Häuser für die Arbeiterschaft errichtet: die Siedlung Stemmersberg, die heute (in restaurierter Form) unter Denkmalschutz steht. Die Stemmerstraße war (und ist) ziemlich genau 250 m lang, wesentlich kürzer als ein Kreuzfahrschiff der heutigen Zeit. Am unteren Ende zweigt sie von der Teutoburger Straße ab, die als Hauptverkehrsader zur Nachbarstadt Bottrop hinführt, am oberen Ende kreuzt sie die Westerwaldstraße, die ihrerseits gleich zwei Landmarkfunktionen erfüllt: Einerseits bildet sie die Grenze zwischen Sterkrade und Osterfeld, andererseits auch die Grenze zwischen den ehemaligen Bezirken Rheinland auf der Sterkrader- und Westfalen auf der Osterfelder Seite. Die Bebauung der Stemmerstraße besteht hauptsächlich aus zwei- bis dreigeschossigen Mehrfamilienhäusern, die größtenteils im Rahmen des Wiederaufbaus entstanden. Trotz der relativen Kürze bot die Stemmerstraße ein reichhaltiges Angebot an Geschäften: Zwei Lebensmittelgeschäfte („Kaufhaus Schmitz“ und „Keuschen“, wo man am Monatsende bei Geldknappheit „anschreiben“ lassen konnte), zwei Kneipen mit Kegelbahn und „Tanzangeboten“ an Wochenenden, eine Bäckerei, eine Metzgerei, und „umme Ecke“ einen Friseur und ein Tapetengeschäft, einen „Milchbauern“ und zwei „Buden“ (also Trinkhallen, wie sie typisch sind für das Ruhrgebiet). Die Innenstadt Sterkrade (heute nennt sich das „City“) mit dem damaligen Verwaltungsgebäude der GHH und dem Tor 1 hin zu den Werkshallen liegen in etwa anderthalb Kilometer Entfernung; somit konnte mein Vater seinen Arbeitsplatz bequem zu Fuß erreichen. Sparsam, wie mein Vater nun einmal war (und das ist noch sehr, sehr höflich formuliert) hatte er in dem Sechsfamilienhaus, in dem er eine neue Bleibe für die Familie gefunden hatte, eine Wohnung in der ersten Etage ausgewählt. Warum? Er hatte es mir einmal stolz erklärt: Bedingt durch die im Winter beheizte Wohnung im Erdgeschoss bekam unsere Wohnung keine Kälte von unten und im Sommer wurde die größte Hitze durch die Wohnung im Obergeschoss abgehalten. Zudem war das Haus einseitig an ein anderes, größeres Haus angebaut, sodass auch von dieser Seite keine winterliche Kälte zu erwarten war und auf der anderen Seite lag der Hausflur, der ebenso als Kältepuffer diente. Durch diese „Sandwich-Lage“ der Wohnung wurden Heizkosten gespart! Die Wohnung selbst hatte eine Größe von 64 Quadratmeter: Links des schmalen Flures der Wohnung lag die fast quadratische Küche mit ca. 10 m2und einem Kaltwasseranschluss, daneben das kleine Bad mit 6 m2, geradeaus das Elternschlafzimmer (16 m2), zur Straßenseite hin (im Wohnungsflur auf der rechten Seite) das Wohnzimmer mit 20 m2sowie das Kinderzimmer mit ungefähr 12 m2. Hinzu kamen eine kleine Abstellkammer sowie ein kleiner Keller („Kohlenkeller“). Angeboten wurden solche Wohnungen als „3,5-Raum, KDB“. Das Kinderzimmer teilte ich mir mit meinem Bruder, auch dazu später mehr. Der Boden der gesamten Wohnung war mit den damals modernen Linoleumfliesen (dunkelbraun) belegt, die Fenster waren aus Holz mit eingekittetem Einscheibenglas; in Küche, Schlaf- und Kinderzimmer mit „Oberlicht“, also einem zu Lüftungszwecken herausklappbaren Fensterteil. Geheizt wurde im Winter mit einem Kohleofen im Wohnzimmer; ein zweiter Ofen stand in der Küche, dieser wurde jedoch nur bei großer winterlicher Kälte betrieben. Die Schlafräume blieben auch im strengsten Winter unbeheizt. In kalten Wintern bildeten sich an den Einscheiben-Fensterflächen Eisblumen: Die Feuchtigkeit der Raumluft schlug sich an den kalten Fensterscheiben nieder und gefror dort zu Eis. Das war zwar ein schöner Anblick, wirft aber ein Licht auf die Kälte, die im Kinderzimmer herrschte. Um aus dem Fenster schauen zu können, musste ich erst einmal die Eisschicht herunterkratzen. Ich kann mich auch gut an Winternächte erinnern, in denen ich so fror, dass ich wach wurde, weil meine Bettdecke auf den Boden gerutscht war. Im Gegenzug war es ein wunderbares, wohliges Gefühl, wenn ich mich im Halbschlaf wieder zudecken, wärmen und weiterschlummern konnte. An das morgendliche Aufstehen erinnere ich mich aus verständlichen Gründen sehr ungern, zumal das Badezimmer für die Morgentoilette ebenfalls ungeheizt und das Waschwasser eiskalt war. („Warm waschen“ über der Badewanne kam gar nicht infrage, denn der Begriff „Warmduscher“ war schon damals ein Schimpfwort für „Weicheier“, und dazu wollte man auf keinen Fall zählen. Außerdem war das Gas des Boilers teuer.) Im Bad war eine...



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