E-Book, Deutsch, Band 1, 608 Seiten
Reihe: Beneath Cursed Stars
Ryan Beneath Cursed Stars 1: Beneath Cursed Stars
24001. Auflage 2024
ISBN: 978-3-646-93953-8
Verlag: Carlsen Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Romantasy Spin-Off zur Court-of-Sun-Dilogie über zwei starke Protagonistinnen
E-Book, Deutsch, Band 1, 608 Seiten
Reihe: Beneath Cursed Stars
ISBN: 978-3-646-93953-8
Verlag: Carlsen Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Lexi Ryan ist eine New-York-Times Bestseller-Autorin, die schon mehr als 25 Titel im Selfpublishing veröffentlicht hat. Ihre Bücher haben sich bereits über 725.000 Mal verkauft. Sie lebt in Indiana, zusammen mit ihrem Ehemann, zwei Kindern und einem verwöhnten Hund.
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KAPITEL
1
JASALYN
Als ich den Fae finde, den ich heute Nacht töten werde, ist er betrunken. Er hat sich im hinteren Bereich einer überfüllten Untergrund-Schenke auf ein altmodisches Sofa gefläzt, seine spitzen Ohren schauen aus einem wirren Schopf aschblonder Locken hervor.
Ich schlängele mich durch die Menge und setze mich auf seinen Schoß, als wären wir alte Freunde.
»Hallo, meine Schöne«, nuschelt er, den Kopf zur Seite geneigt. Sein Lächeln ist so träge wie seine Aussprache.
Unerwartet durchfährt ein Stich der Enttäuschung mein ansonsten so taubes Herz. Wie schade – dass er betrunken ist. Ihn in diesem benebelten Zustand zu töten wird mir nicht das ersehnte Triumphgefühl verschaffen. Fast bin ich versucht, meine Rache zu verschieben, aber ich will nicht riskieren, meine Chance zu verpassen.
Ich ziehe seinen Kopf zu mir hinunter und denke an all die Beleidigungen, die er mir einst aus seinem viel zu hübschen Fae-Mund entgegengeschleudert hat. »Ich habe nach dir gesucht, Vahmer.«
»Seid Ihr ein Traum, oder gibt es Euch wirklich?«, fragt er. Sein Blick hängt wie gebannt an meinen Lippen.
Ich schenke ihm mein bösartigstes Lächeln. »Was glaubst du?«
»Ich glaube, wenn das ein Traum ist, will ich nicht aufwachen.«
Ich lege eine Hand an seinen Kiefer und streiche ihm mit dem Daumen über die Wange. »Keine Sorge«, hauche ich. »Das wirst du auch nicht.«
Vor gerade einmal drei Jahren genossen die Fae in dieser Schenke – die grausamsten, gierigsten Bürger des Unseelie-Reichs – noch ihren unter Mordeus’ Herrschaft unredlich erworbenen Wohlstand. Als meine Schwester nach seinem Tod den Thron bestieg, flüchteten sie wie Ratten von einem sinkenden Schiff und verkrochen sich in ihren Löchern, wo sie ihren Reichtum horteten und Pläne schmiedeten, die rechtmäßige Königin zu stürzen.
Hier, in den tiefsten Höhlen der dunkelsten Berge, leben sie jetzt selbst wie Könige. Und schmeißen Partys, bei denen jedwede Grausamkeit nur ihrem eigenen Vergnügen dient.
»Sagt mir, was Ihr wollt«, fleht er, den Blick immer noch auf meine Lippen gerichtet. »Alles, was ich besitze, gehört Euch. Und was ich nicht habe, beschaffe ich Euch.«
So süße Worte aus dem Mund, mit dem er in mein Trinkwasser gespuckt hat, nur um mich zum Weinen zu bringen. So ein hungriger Blick aus Augen, die amüsiert gefunkelt haben, als meine Zellengenossin mit einem Messer blutige Bilder in mein Fleisch ritzte.
Ohne den Mondsteinring an meinem Finger könnte ich seine Nähe keine Sekunde lang ertragen, aber dieser Ring verzaubert mich mindestens genauso sehr wie diejenigen in meiner Nähe.
Ich erhebe mich von seinem Schoß und weiche zurück. »Ich will nur eins von dir, und zwar, dass du mit mir kommst.«
Er folgt mir, und die anderen Gäste beobachten uns verzückt – sie würden um ihr Leben gern den Platz mit ihm tauschen.
Wie jedes Mal, wenn ich meine Feinde aufsuche, sind meine Lippen blutrot. Ich habe sie geschminkt, bevor ich meine Gemächer verließ – um mich daran zu erinnern, welch tödliche Macht in ihnen steckt. Aber weder mein Umhang noch mein Make-up verbergen, wer ich bin. Das ist auch nicht nötig. Der magische Ring an meinem Finger verzaubert alle um mich herum. Sie werden mich nicht erkennen. Sie sind viel zu benebelt, um sich zu fragen, warum mein Gesicht ihnen bekannt vorkommt.
»Nehmt lieber mich mit«, blafft ein muskulöser Zwerg. »Was er Euch geben kann, ist wertlos.«
Eine schöne weißhaarige Fae streckt ihre zarte, blasse Hand nach mir aus. »Nein, nehmt mich.«
Die Menge schiebt sich auf uns zu.
Sie werden mich nicht berühren. Sie sehnen sich danach, aber ohne einen Befehl von mir werden sie es niemals wagen.
»Ihr bleibt alle hier«, sage ich zuckersüß. »Ich komme später wieder.« Es wäre so leicht, ihren Wein zu vergiften und ihnen zu befehlen, zu trinken. Kurz gerate ich in Versuchung, aber ich habe diese Fae noch nie zuvor gesehen. Ich weiß nicht, welche Gräueltaten sie begangen haben. Alle hier Anwesenden haben sich zweifelsohne zahlloser Verbrechen schuldig gemacht, aber selbst mit diesem kalten Herzen werde ich sie nicht grundlos hinrichten. Denn ich bin anders als sie.
Ich führe meinen Gefangenen die Treppe hinauf, bis wir draußen auf der regennassen Straße stehen. Die Luft ist kühl heute Nacht und kündigt vom nahenden Wintereinbruch. Ich sehne mich nach dem Winter. Sehne mich nach der bitteren Kälte. Dem Eis. Der Taubheit, die in meine Finger und Zehen kriecht.
In diesem Winter werde ich dank des Rings an meinem Finger ein Herz haben, das zu dieser Kälte passt.
»Ich bin sehr stark«, säuselt mein neuestes Opfer mir zu. »Stark und wichtig. Ich könnte mich gut um Euch kümmern.«
Ich wirbele zu ihm herum. »Um Crissa hast du dich nicht gekümmert, als sie in Mordeus’ Kerker gefangen war.« Ich starre ihn kalt an und verziehe verächtlich den Mund. »Du hast ihr wehgetan.«
»Wer ist Crissa?«
Natürlich erinnert er sich nicht an sie. Menschen sind den Fae vollkommen gleichgültig. »Sie war das Mädchen, mit dem ich mir die Zelle geteilt habe.«
»Warum liegt Euch so viel an einem Menschenmädchen?« Er fragt das in einem Tonfall, als versuche er zu verstehen, warum mir etwas an einem Stück Abfall liegt.
Wir alle waren nur billiges Spielzeug für ihn, und Crissa mit seiner Magie dazu zu bringen, mir gegen ihren Willen ins Fleisch zu schneiden, nur ein Spielchen. »Sie war meine Freundin.«
Er schüttelt den Kopf. »In dem Kerker gab es so viele Gefangene. Wenn ich gewusst hätte, dass sie Eure Freundin ist, hätte ich ihr niemals etwas angetan.«
»Du hast ihr aber etwas angetan. Du hast sie zum Weinen gebracht und dann hast du sie mitgenommen.«
Er runzelt die Stirn und seine Unterlippe beginnt zu zittern. »Ich habe nur meine Arbeit gemacht. Wenn ich gewusst hätte, dass Euch etwas an ihrer Sicherheit liegt, hätte ich sie niemals dem König übergeben. Er hätte mich dafür zwar bestraft, aber für Euch würde ich jede Strafe auf mich nehmen.«
»Wohin hat Mordeus sie gebracht? Hat er sie getötet?« Sie hatte mir versichert, dass er das nicht tun würde. Mir gesagt, sie sei lebendig wertvoller für ihn als tot. Sie war sich so sicher, dass jemand sie retten würde. »Ich muss herausfinden, ob sie noch am Leben ist und wo ich sie finden kann.« Der grünäugige Fae vor mir ist nicht der erste Kerkerwächter, den ich aufgespürt habe, seit ich diesen Ring besitze, und er wird weder der Erste noch der Letzte sein, an dem ich Rache nehme. Aber er ist derjenige, der meine Freundin fortgebracht hat. Er ist der Einzige, der mir sagen kann, wo sie ist.
»Ich habe sie zum König gebracht. Vielleicht kann er Euch ja sagen, wo sie ist.«
»Der König ist tot«, sage ich mit gerunzelter Stirn. Meine Schwester hat ihn mit eigenen Händen getötet, nachdem sie mich aus seinem Kerker befreit hatte.
Seine Augen leuchten auf. »Ihr wisst es nicht! Unser König lebt! Die Götter haben unser Flehen erhört und ihn uns zurückgegeben!«
»Unmöglich!« Meine Stimme zerschneidet die stille Nacht.
»Es ist möglich. Mordeus war weise und auf alle Eventualitäten vorbereitet. Wir hätten niemals an ihm zweifeln dürfen.«
Die Angst bohrt sich wie ein Meißel in mein gefrorenes Herz.
Ich ringe meine Gefühle nieder und schließe sie wieder dort ein, wo sie hingehören.
Der Fae will nach mir greifen, hält aber inne. Seine Hand schwebt über meiner Schulter. »Seid Ihr wütend auf mich?«
»Das bin ich. Du bist der Grund, dass meine Freundin im Dunkeln geweint und gezittert hat. Und du bist der Grund, dass ich sie verloren habe.«
Sein Gesicht verzerrt sich. »Es tut mir leid. Es tut mir so leid. Das wusste ich nicht«, schluchzt er, und Tränen rinnen ihm aus den Augenwinkeln.
Ich wünschte, ich hätte ihn damals im Kerker so sehen können – winselnd und bettelnd. Meine Verachtung verletzt ihn. Solange ich diesen Ring trage, würde er alles tun, um meine Gunst nicht zu verlieren.
»Sagt mir, was Ihr von mir wollt«, fleht er. »Ich tue alles.«
Es wird allmählich spät. Viel zu bald wird die Sonne aufgehen, und meine Schwester wird nach mir suchen – nach dem schwachen, verängstigten kleinen Mädchen, das ihrer Ansicht nach in dieser Haut steckt. Also mache ich die Sache kürzer, als mir eigentlich lieb ist. Ich klimpere mit den Wimpern und vergrabe die Hand im Stoff seiner Tunika.
Dann verziehe ich den Mund zu einem Lächeln und sehe seinen Kummer dahinschmelzen. Mein Lächeln macht ihn glücklich. Es lässt ihn glauben, dass er irgendetwas richtig gemacht hat.
»Ich will nur eins von dir«, sage ich und lehne mich zu ihm vor.
»Es ist Euer«, haucht er. Atemlos wartet er auf meine Befehle. »Was immer es auch ist.«
»Einen Kuss.«
»Danke.« Er atmet auf – erleichtert, glückselig. Ich habe ihm die Erlaubnis erteilt, sich das zu nehmen, was er sich seit dem Augenblick wünscht, in dem er mich zum ersten Mal gesehen hat.
Jetzt ist die Zeit für die wahre Magie des Rings gekommen. Der Moment, in dem diese roten Lippen seine berühren.
Sein Atem stockt. Er reißt entsetzt den Mund auf, und das Leben schwindet aus seinen Augen. Er sackt an mir zusammen – der Tod, der sich schwer an mich lehnt. Jetzt ist mein Lächeln aufrichtig. Er kann...




