E-Book, Deutsch, 505 Seiten
Santos In Demut, Deine Beatrice
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-95824-820-5
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ein SM-Roman
E-Book, Deutsch, 505 Seiten
ISBN: 978-3-95824-820-5
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Valentina Santos lebt im Weinviertel, einer lieblich-verträumten Gegend im Nordosten Österreichs. Am Schreibtisch ihres Landhauses setzt sie ihre Ideen in aufregende Geschichten um und lässt ihre Leser in ein mitreißendes Kopfkino eintauchen: Liebe, Hass, geheime sexuelle Gelüste und die Zügellosigkeit erotischer Leidenschaft sind ihr Markenzeichen. Bei dotbooks erscheint von Valentina Santos »In Demut, Deine Beatrice« und »Dark Games - Bedingungslose Hingabe«
Autoren/Hrsg.
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Eins
Es gab Tage, an denen einfach nichts funktionieren wollte. Nicht nur, dass Trixi von einem nervigen Kunden an den Rand des Wahnsinns getrieben wurde – ein Stromausfall hatte dafür gesorgt, dass ihre halbfertigen Inventurlisten auf einmal futsch waren und sich fast acht Stunden Arbeit in den weiten Welten des Cyberspace in nichts auflösten. Selbst Ella, dem Computerjunkie der Firma, war es nicht mehr gelungen, die gelöschten Dateien zu retten. Frustriert über ihre eigene Dummheit, die Daten nicht zwischengespeichert zu haben, brach Trixi viel zu spät auf und hastete mit wehendem Mantel zur U-Bahn am Stephansplatz.
Normalerweise dauerte es von der Buchhandlung bis in die Kinderklinik kaum länger als eine halbe Stunde. Doch der öffentliche Stromausfall hatte auch in der U-Bahn ein ziemliches Chaos ausgelöst. Und das auch noch zur Rushhour. Zusammengedrängt wie Sardinen in der Blechdose warteten die Menschen auf den Bahnsteigen, bis der Fahrbetrieb endlich wieder losging. Erst nach zwei Intervallen ergatterte sie neben einem ziemlich übelriechenden Penner einen Stehplatz in der U-Bahn-Linie, die sie in den 9. Bezirk von Wien brachte.
Die Isolierstation der Kinderklinik lag in der obersten Etage. Heute hatte Trixi keine Zeit, um auf den Aufzug zu warten, der wie üblich nie da war, wenn man ihn wirklich dringend brauchte. Gleich zwei Stufen auf einmal nehmend, hastete Trixi in das vierte Stockwerk. Keuchend wie die alte Dampflokomotive der Semmeringer Hochalpenbahn und so erhitzt, als ob sie höchstpersönlich die Kohlen in den Dampfkessel der eisernen Lady geschippt hätte, kam sie völlig erledigt in der Station des Krankenhauses an, wo jene Kinder der Stadt behandelt wurden, die man leider nicht mit fiebersenkenden Zäpfchen, Hustensaft oder Vitaminpillen nach ein oder zwei Tagen wieder nach Hause schicken konnte.
Wie jeden Tag wartete Paulina auch heute an der Stationstür auf ihre Mutter und presste ihr schmales Gesichtchen an das kalte Glas. Innerhalb der vergangenen zwei Jahre war Paulina nun schon das fünfte Mal in der Isolierstation der Kinderklinik. Die Krankenhausaufenthalte hatte die Kleine einer ganz normalen Schutzimpfung zu verdanken, die bei ihr eine allergische Reaktion ausgelöst hatte. Seither war das Immunsystem von Trixis Tochter schwer beeinträchtigt. Die künstlich hervorgerufene Autoimmunerkrankung hatte es anfänglich auf Paulinas Mundschleimhäute abgesehen, die extrem schnell austrockneten. Mit dieser Trockenheit ging ein heftiges Brennen in ihrer Mundhöhle und in ihrem Rachen einher, die das Sprechen schwierig machte. Vor allem das Schlucken von fester Nahrung verursachte ihr so entsetzliche Qualen, dass Paulina in Extremsituationen nur flüssige Nahrung zu sich nehmen konnte.
Die Schübe kamen so unvermittelt wie die Gewitter im April. Die leichteren Anfälle hatte Trixi mit einem speziellen Medikamentencocktail ziemlich gut im Griff gehabt. Doch die letzten beiden Ausbrüche waren so heftig gewesen, dass Paulina innerhalb eines halben Jahres gleich zweimal stationär behandelt werden musste.
Nicht nur dieser Umstand beunruhigte Trixi, sondern auch, dass sich die Probleme nun stärker auf Paulinas Augen verlagerten. Am Anfang war es nur ein unangenehmes Brennen wie bei einer Bindehautentzündung gewesen. Doch bald hatte Paulina das Gefühl gehabt, als ob rauhe Sandkörner hinter ihren Augenlidern steckten. Außerdem ermüdeten ihre Augen rasch und wurden immer lichtempfindlicher. Die erste Untersuchung hatte eine leichte Schädigung der Hornhaut und der Bindehaut ergeben, die Trixi schon ziemlich beunruhigt hatte. Doch seit man sie nach der letzten Kontrolle darüber informiert hatte, dass sich durch die trockenen Schleimhäute Hornhautgeschwüre auf Paulinas Netzhaut bildeten, war Trixi außer sich vor Sorge. Sie hatte die behandelnden Ärzte so lange gelöchert, bis sie ihr endlich die Wahrheit gesagt hatten. Durch die sich verdichtenden Hornhautgeschwüre würde sich immer mehr die Netzhaut ablösen, was schlussendlich zur Erblindung ihres Kindes führen würde. An einigen Stellen des Auges löste sich die Netzhaut bereits, so dass Paulinas Sehkraft schon etwas beeinträchtigt war.
Die Ärzte waren ratlos und experimentierten ohne nennenswerte Fortschritte an Paulina herum. Nach der letzten Behandlung hatte die Kleine wie bei einer Chemotherapie ihr Haar verloren.
Trixi war in den letzten Monaten aber nicht untätig gewesen und wollte ihr Kind nicht diesen Stümpern überlassen, die in Paulina nichts anderes als ein Versuchskaninchen sahen. Bei ihren Recherchen war Trixi auf einen Artikel in einer ärztlichen Fachzeitschrift aufmerksam geworden, in dem über eine Stammzellentherapie mit sehr guten Ergebnissen im Kampf gegen Autoimmunerkrankungen berichtet wurde. Trixi hatte im Internet nach mehr Informationen gesucht und war auch bald fündig geworden. Mit etwas Glück konnten einige der Patienten durch diese besondere Therapie sogar vollständig geheilt werden. Mit diesen Erkenntnissen und voller Hoffnung war Trixi zu Paulinas behandelnden Ärzten gegangen. Doch diese bremsten ihren Höhenflug gleich wieder, als sie erfuhr, dass die Krankenkasse die hohen Therapiekosten nicht bezahlen würde. Außerdem gab es nur einen einzigen Spezialisten, der diese Form der Stammzellentherapie ausübte – und der praktizierte in Innsbruck. Eher würde sie eine Audienz beim Papst erhalten als einen Untersuchungstermin bei dem Onkologen, der über Jahre hinaus ausgebucht war und nur Privatpatienten annahm. Bis diese Behandlung als Standardtherapie anerkannt und von den Krankenkassen übernommen werden würde, dauerte es bestimmt noch eine halbe Ewigkeit. Bis dahin wäre Paulina längst blind.
Ohne ihre schwarze Lockenpracht sah Paulina noch verletzlicher aus als sonst und erinnerte mehr denn je an einen unglücklichen E. T., der nach Hause wollte. Jedes Mal, wenn Trixi den traurigen Ausdruck im Gesicht ihrer knapp sechsjährigen Tochter sah, schnürte sich ihr Herz zusammen. Doch Paulinas Wehmut war wie weggewischt und pure Freude strahlte aus ihren entzündeten Äuglein, als Trixi zur Tür hereinstürmte.
Schnell desinfizierte Trixi ihre Hände, bevor sie den Riegel der versperrten Tür zur Seite schob und den stark abgemagerten Körper ihrer Tochter voller Liebe an sich drückte. Das war für Trixi der glücklichste Moment des Tages. Mehr als sonst war sie dann von der stillen Hoffnung beseelt, dass es ihr gelingen würde, Paulinas Augenlicht zu retten. Irgendwie musste sie es einfach schaffen, die Kohle für diese verdammte Therapie aufzutreiben und diesen Innsbrucker Halbgott in Weiß zu bezirzen, trotz der langen Warteliste ihre Tochter zu behandeln.
Zusammen gingen sie zurück ins Krankenzimmer, wo die Kleine ihrer Mutter mit krächzender Stimme erzählte, was sie tagsüber erlebt hatte. Viel war es ja nicht, worüber sie berichten konnte. Durch die ständigen Behandlungen war Paulina ohnehin so geschwächt, dass sie vieles auch nur am Rande wahrnahm.
Die Geschichte, die Trixi jeden Abend ihrer Tochter erzählte, war das große Highlight des Tages, und Paulina freute sich wie eine Schneekönigin darauf. Fast täglich durchstöberte Trixi in der Buchhandlung die neuesten Kinderbücher nach lustigen Geschichten, die ihrer Tochter gefallen könnten. Während des Erzählens malte Trixi diese mit ihrer eigenen Fantasie so bunt und aufregend wie möglich aus, um ihrem kleinen Augenstern wenigstens ein paar Momente des Glücks und Vergessens zu bescheren.
Doch heute war es leider nur eine sehr kurze Geschichte, denn Trixi musste spätestens um 19 Uhr in Hietzing sein. Seit Trixi von dieser neuartigen Behandlungsmöglichkeit wusste, jobbte sie nebenbei bei Empfängen und Partys als Kellnerin. Mittlerweile hatte sie schon ein hübsches Sümmchen gespart, was aber letztendlich nicht mehr war als ein Tropfen auf einem heißen Stein. Bis Trixi das Geld hatte, um Paulina behandeln lassen zu können – vorausgesetzt, dass sie einen Termin bei diesem Arzt bekäme – würde noch verdammt viel Wasser die Donau hinunterfließen. Tief in ihrem Innersten wusste Trixi, dass es für ihre Tochter zu spät sein würde, wenn nicht in absehbarer Zeit ein Wunder geschähe. Doch nur herumzusitzen und auf diesen glücklichen Zufall zu warten, war einfach zu wenig. Trixi fühlte sich besser, wenn sie wusste, dass sie für ihr Kind alles in ihrer Macht Stehende tat.
Es war zwar strengstens verboten, doch Trixi hatte keine andere Wahl. Schnell verschwand sie in der Dusche des Krankenzimmers. Durch das Laufen von der U-Bahn in die Klinik und hoch in den vierten Stock hatte sie stark geschwitzt, dass sie nun bestimmt schon so heftig stank wie der Penner in der U-Bahn. Mit dieser scharfen Duftnote konnte sie unmöglich im Haus der Mühlhofers Cocktails und Champagner servieren. Die Zeit reichte heute aber einfach nicht mehr aus, um sich zu Hause frisch zu machen.
Nachdem sie geduscht hatte, bürstete Trixi ihr schwarzes Haar so lange, bis es glänzte. Dann steckte sie es zu einem schlichten Knoten im Nacken fest. Die weiße Bluse, die sie heute Morgen noch schnell gebügelt hatte, fischte sie nun ziemlich zerknittert aus ihrer Tasche. Doch ihre Körperwärme würde die Falten bald wieder glätten; das hoffte Trixi jedenfalls. Der schwarze Rock, der ihr vor Weihnachten noch ziemlich locker auf den Hüften gesessen hatte, war durch die vielen Plätzchen eindeutig zu eng geworden. Die weichen Speckröllchen drängten so heftig über den engen Bund des Rockes, dass sich Trixi wie ein Michelin-Männchen fühlte. Für diesen Abend musste er aber reichen. Das weiße Spitzenschürzchen mit der riesigen, weißen Schleife über ihrem ausladenden Hintern würde dafür sorgen, dass der prall sitzende Rock nicht allzu sehr auffiel.
Sie trug noch etwas Make-up und Lippenstift auf und zog...




