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E-Book, Deutsch, 448 Seiten

Schöllgen Herrenknecht

Biographie eines Pioniers

E-Book, Deutsch, 448 Seiten

ISBN: 978-3-641-31210-7
Verlag: DVA
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Biographie eines Pioniers
Wer bohrt, kommt weiter. So lautet sein Motto. Und Martin Herrenknecht ist sehr weit gekommen. 1975 mit der Eröffnung eines Ingenieurbüros beginnend, hat der Tunnelbauer einen Konzern aufgebaut, der mit etwa 5000 Mitarbeitern an weltweit rund 70 Standorten bis zu 1,14 Milliarden Euro umsetzt. Heute ist die Herrenknecht AG im badischen Schwanau-Allmannsweier nicht nur die weltweit führende Anbieterin für Vortriebstechnik. Sie ist auch das einzige Unternehmen dieser Branche, das sich noch vollständig in Familienbesitz befindet.
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Jeden Tag was Neues
Auf der Suche nach dem Traumberuf 1942–1975 Allmannsweier ist nicht gerade der Nabel der Welt. 2022 zählt die im badischen Ortenaukreis gelegene Gemeinde 1650 Einwohner. Viel mehr gäbe es kaum zu berichten, wäre hier nicht ein weltweit tätiger Konzern ansässig. Übersehen kann man den Betrieb nicht, wenn man sich Allmannsweier nähert. Das ist nicht selbstverständlich. Denn die Herrenknecht AG ist im Untergrund tätig. Allerdings werden die Maschinen, die sie unten einsetzt, oben gebaut. Und weil viele dieser Maschinen riesige Dimensionen haben und die Gegend ziemlich flach ist, sieht man die bis zu 20 Meter hohen und bis zu 200 Meter langen Kraftpakete, schon lange bevor man den Ort erreicht. Es muss gute Gründe gegeben haben, warum Martin Herrenknecht sein Unternehmen für »die Entwicklung und den Vertrieb und den Service von Tunnelvortriebsmaschinen, Tunnelausrüstungen, ölhydraulischen Anlagen und maschinentechnischen Anlagen«, damals noch als GmbH, am 5. Dezember 1977 ausgerechnet hier ins Leben gerufen hat. Verstehen kann man das nur, wenn man die Historie von Allmannsweier kennt. Denn die Geschichten der Familie Herrenknecht und des Fleckens Allmannsweier sind zwei Seiten einer Medaille. Urkundlich wird Allmannsweier erstmals 1016 erwähnt, damals noch unter dem Namen »Almensweier«. Wie vielerorts im süddeutschen Raum wechselt und zersplittert auch hier die Herrschaft über den Ort während der folgenden Jahrhunderte. Manche Herrschaften verschwinden spurlos, andere, wie die der Freien Reichsstadt Straßburg, haben weitreichende Folgen, denn mit ihr hält auch der Protestantismus Einzug. Von den Verwerfungen, die weite Teile des Elsass, Schwabens und Frankens infolge des Bauernkriegs erfassen, ist Allmannsweier 1525 nur am Rande betroffen, wenn auch einzelne Bewohner an Aufständen im Umland beteiligt gewesen sein sollen. 1 Schlimm trifft es die Ortschaft hingegen während des sogenannten langen 17. Jahrhunderts. Die Jahrzehnte zwischen 1618 und 1714, also vom Beginn des Dreißigjährigen Krieges bis zum Ende des Spanischen Erbfolgekrieges, sind eine Art permanenter Kriegszustand. Das Dorf liegt mitten in der neuen weltpolitischen Konfliktzone, die am Oberrhein zwischen der französischen und der habsburgischen Großmacht verläuft. Erste kriegerische Scharmützel in Allmannsweier sind für 1622 und 1623 aktenkundig, 1624, 1627 und 1628 beziehen Armeen wechselnder Kriegsparteien Quartier. Von 1632 an kommt es zur Plünderung durch schwedische Truppen, anschließend zur Besetzung durch das kaiserliche Heer. Mit dem Eingreifen Frankreichs spitzt sich die Lage im Bezirk Ortenau dramatisch zu. 1636 und in den folgenden Jahren verlassen praktisch alle dort Ansässigen ihre Heimat und suchen Schutz in der Reichsstadt Straßburg. 1649, ein Jahr nach Ende des Dreißigjährigen Krieges, sind in Allmannsweier gerade noch 28 Bürger verzeichnet. Es kommt noch schlimmer. Während der neuerlichen französische Expansion werden die Gegend und der Ort seit 1675 in Wellen von Kriegszügen und Plünderungen überzogen, die erst enden, als Frankreich 1714 mit dem Frieden von Rastatt aus dem Krieg genommen wird. Man mag es kaum glauben, aber offenbar sieht es andernorts noch trostloser aus als in Allmannsweier und Umgebung. Der Ackerbau des Alpenraums gibt einfach nicht genug her, um die rasch wachsende Bevölkerung ernähren zu können. Und so ziehen – in der Mitte des 17. Jahrhunderts beginnend und bis in die Dreißigerjahre des 18. Jahrhunderts anhaltend – Schweizer Familien an den Oberrhein. Einige der Neuankömmlinge stranden in Allmannsweier und sind hier als Handwerker tätig. Auch wenn es keinen unmittelbaren, zumindest keinen greifbaren Zusammenhang zwischen den Ereignissen dieser Zeit und denen des 20. Jahrhunderts gibt, fällt die Verbundenheit zwischen der Schweiz und Allmannsweier auf. Noch die Herrenknechts der jüngeren Generationen fühlen sich offensichtlich von der Alpenrepublik angezogen. Auf das kriegerische 17. Jahrhundert folgen auch für Allmannsweier ruhigere Jahrzehnte, den Eintritt in das sich formierende Großherzogtum Baden, der 1806 vollzogen wird, eingeschlossen. Erst mit der Revolution des Jahres 1848, so sie denn überhaupt eine gewesen ist, hält auch das Weltgeschehen wieder Einzug. Offenbar findet der begabte badische Agitator Friedrich Hecker in Allmannsweier derart viele Anhänger, dass der Bürgermeister, obgleich treu zum Großherzog stehend, abgesetzt wird. Die Allmannsweierer überleben auch diesen Akt und die neuerliche Einquartierung, eine Folge der Niederschlagung der Revolution durch preußische Truppen. Bald stehen die Bewohner so gut da, dass sie sich Anfang der Sechzigerjahre des 19. Jahrhunderts ein neues Rathaus, ein zweites Schulhaus und auch noch die Renovierung ihres Kirchturms leisten können. Die Gründung des zweiten deutschen Kaiserreichs, von der noch zu berichten ist, trägt das Ihre dazu bei, dass der innere und äußere Frieden Einzug in Allmannsweier hält und sich der neue Wohlstand stabilisiert. Diese Entwicklung kommt gerade zur rechten Zeit, denn die Bevölkerung wächst stetig. Damit wird eine auffallende Trendwende eingeleitet. Seit dem frühen 18. Jahrhundert hatten viele Bewohner der dörflichen Enge, den wirtschaftlich schwierigen Verhältnissen und immer wieder auch den Begleiterscheinungen und Folgen des Kriegs durch Auswanderung zu entkommen versucht. Anfänglich zog es sie vor allem nach Siebenbürgen. Unter den Aussiedlern waren 1770 und 1771 auch mehrere Männer mit Namen »Herrenknecht«, die Allmannsweier mit ihren Familien und dem Versprechen auf Landzuweisung und Verdienst in Richtung Transsilvanien verließen. Später wurden dann die USA zum bevorzugten Ziel der Auswanderer. Allein zwischen 1840 und 1850 zog es insgesamt 146 Allmannsweierer nach Nordamerika. Mit der wirtschaftlichen Prosperität versiegt dieser Strom. Neue Einnahmequellen wie der Tabakanbau tun ein Übriges. Der Tabakanbau ist nicht nur für die Landbevölkerung, sondern auch für Handwerker wie den Polsterer Emil Herrenknecht attraktiv, der sich mit dem Nähen von Tabakgurten eine zusätzliche Einkommensquelle erschließt. Auch der technische Fortschritt nimmt Fahrt auf. Zwar wird Allmannsweier erst 1911 an das Stromnetz angeschlossen, doch schon seit 1894 verbindet eine dampfgetriebene Schmalspurbahn die Ortschaft mit Lahr, der nächstgelegenen größeren Stadt. Mit der Bahn werden Emil Herrenknechts Söhne Dieter und Martin zur Schule fahren. Seit wann die Herrenknechts in Allmannsweier ansässig sind, lässt sich nicht mehr genau feststellen. Sicher ist, dass sie zu den alteingesessenen Familien dieser Ortschaft zählen und dass sie – wie die meisten anderen auch – evangelischer Konfession sind. Daher spiegelt sich ihre Geschichte nicht zuletzt in den Kirchenbüchern insbesondere der evangelischen Gemeinde Allmannsweier wider. Darin wurden von den Ortspfarrern Ereignisse festgehalten, die mit christlichen Amtshandlungen in Verbindung stehen, soweit sie in der Gemeinde vollzogen wurden: Taufe, Konfirmation, Eheschließung, Beerdigung. 2 Johann Georg Herrenknecht, Martin Herrenknechts Urgroßvater, der am 14. Februar 1829 in Allmannsweier geboren wird, ist wie die meisten Angehörigen der Familie Landwirt. Und er ist offenbar in Allmannsweier eine bekannte Persönlichkeit, versieht unter anderem das Amt des Straßenwarts. Johann Georg Herrenknecht ist zweimal verheiratet. Am 14. Oktober 1856 ehelicht er Magdalena Hundertpfund, die am 15. Mai 1830 das Licht der Welt erblickt hat. Aus der Ehe sind zwei Söhne, der am 15. November 1856 geborene Johann Georg (»Georg«) sowie der am 2. März 1858 geborene Johannes, hervorgegangen. Ein drittes Kind, die am 2. August 1863 geborene Tochter Maria Salome, verstirbt nach acht Monaten, ein Jahr vor ihrer Mutter. Nach dem Tod seiner Frau 1865 heiratete Johann Georg Herrenknecht am 30. Oktober 1866 erneut. Mit Anna Maria Schillinger, die am 27. Februar 1834 im Nachbarort Wittenweier zur Welt gekommen ist, hat Johann Georg Herrenknecht vier weitere Kinder. Der älteste Sohn Wilhelm, Martin Herrenknechts Großvater, wird am 2. September 1867 geboren, die Töchter Anna Maria und Christina am 12. Dezember 1869 beziehungsweise am 14. Oktober 1874, Sohn Karl schließlich am 15. Dezember 1877. Wie ihre ältere Halbschwester Maria Salome verstirbt auch Christina Herrenknecht bereits im Kleinkindalter. 3 Die Jahre, in denen Johann Georg Herrenknecht seine zweite Familie gründet, fallen in eine für Deutschland und damit zwangsläufig auch für Europa außerordentlich bewegte Zeit. Nur wenige Jahre hat es gedauert, bis der preußische Ministerpräsident und erste Reichskanzler Otto von Bismarck mit dem Deutschen Reich einen Nationalstaat auf deutschem Boden und mit diesem ein neues Kraftzentrum in der Mitte Europas etabliert hatte. Der Weg dorthin führte über Kriege gegen Dänemark, Österreich und zuletzt Frankreich. Der Abschluss des Ganzen, die Proklamation des Deutschen Reichs im Schloss Versailles am 18. Januar 1871, war eine Machtdemonstration und eine Demütigung des französischen Nachbarn, zumal der auch noch Elsass und Lothringen an das Kaiserreich abzutreten hatte. Fortan und bis zum Untergang des Deutschen Reichs im Frühjahr 1945 bildet der Gegensatz zwischen Deutschland und Frankreich eine Konstante europäischer Politik. Andere Faktoren und Entwicklungen kommen erschwerend hinzu und lassen schon bald erkennen, dass der neue Nationalstaat wegen seines wirtschaftlichen, politischen und militärischen Gewichts, aber auch wegen seiner exponierten geostrategischen Lage und seiner hohen...


Schöllgen, Gregor
Gregor Schöllgen, Jahrgang 1952, war von 1985 bis 2017 Professor für Neuere Geschichte an der Universität Erlangen und in dieser Zeit auch für die historische Ausbildung der Attachés im Auswärtigen Amt verantwortlich. Er lehrte in New York, Oxford und London und war unter anderem Mitherausgeber der Akten des Auswärtigen Amtes sowie des Nachlasses von Willy Brandt. Gregor Schöllgen konzipiert historische Ausstellungen und Dokumentationen, schreibt für Presse, Hörfunk und Fernsehen und ist Autor zahlreicher populärer Sachbücher und Biographien.


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