Schumann | Selbstbestimmung älterer Menschen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 71 Seiten

Schumann Selbstbestimmung älterer Menschen

Lehrbuch zur praktischen Umsetzung des umfassenden Pflegebedürftigkeitsbegriffs, Band 2

E-Book, Deutsch, 71 Seiten

ISBN: 978-3-17-036350-2
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Die Selbstbestimmung pflegebedürftiger Menschen ist in der Gesetzgebung zur Pflegeversicherung verankert. Sie ist die Voraussetzung und Folge von Selbständigkeit. Gerade aber die institutionellen Rahmenbedingungen in Pflegeeinrichtungen verhindern oft die Verwirklichung von Selbstbestimmung im Alltag von pflegebedürftigen älteren Menschen. Leser des Bandes erfahren, wie sie Selbstbestimmung in der Altenhilfe umsetzen und diese als Qualitätsmerkmal für eine hochwertige Versorgung älterer Menschen implementieren können.
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1          Darstellung einer methodischen Vorgehensweise: den Einzelfall verstehen
      Den Einzelfall verstehen Den Einzelfall verstehen: es stellt sich zu Beginn die Frage, was im Zusammenhang mit Selbstbestimmung des älteren Menschen als »Einzel« und was als »Fall« bezeichnet werden kann? »Einzel« kann für ein singuläres Ereignis, eine individuelle Situation, einen persönlichen Wunsch, ein persönliches Ziel, eine persönliche Entscheidung, für eine am einzelnen älteren Menschen ausgerichtete professionelle Aufgabe, Anforderung und deren erzieltes Ergebnis stehen. Grundlage ist die Einschätzung der persönlichen Entscheidungskompetenz, um die persönliche Selbstbestimmung zu leben. Als »Fall« kann etwas bezeichnet werden, womit eine Person rechnen muss, z. B. eine bestimmte Entscheidung treffen zu müssen oder das Auftreten oder Vorhandensein einer Erkrankung oder Einschränkung in Alltagskompetenzen, die der professionellen Unterstützung bedarf. Person-orientierter Ansatz Das »Verstehen« des Einzelfalls als person-orientierter Ansatz bezieht sich auf die Wahrnehmung und die Deutung von verbal kommunizierten Worten, als beobachtete Handlungen oder Situationen als Ausdruck nonverbaler Kommunikation. Dazu zählt, etwas sowohl kognitiv als auch intuitiv zu erfassen oder zu durchdringen, etwas deutlich wahrnehmen zu können, eine gute, vom gegenseitigen Verständnis getragene Beziehung zu haben oder etwas gut und sicher zu können. Den »Einzelfall verstehen« zeichnet sich deshalb durch seine facettenreiche Bedeutung aus, die sich mithilfe verschiedener Methoden erschließen lässt ( Abb. 1). Kennenlernen und Wahrnehmen einer Person Der erste Schritt ist das Kennenlernen und das Wahrnehmen einer Person oder einer Situation durch die Kommunikation miteinander. Sie kann verbal, nonverbal oder eine Mischung aus beidem sein. Im Laufe der Kommunikation sollen die persönlichen Wünsche und auch die Ziele des älteren Menschen deutlich werden. In der Regel wird er sehr ausführlich das aktuelle Problem bei der Alltagsgestaltung schildern und das bietet die Möglichkeit die persönliche Situation, aber auch den eigenen Leidensdruck zu schildern. Aus diesen Schilderungen lassen sich entscheidungsrelevante Sachverhalte ableiten. Erarbeitung von persönlichen Entscheidungsmöglichkeiten Die Pflegende nimmt diese Schilderungen auf und deutet sie aus der Perspektive des älteren Menschen und aus ihrer pflegefachlichen Perspektive und bietet die gemeinsame Erarbeitung von persönlichen Entscheidungsmöglichkeiten an, um die Basis für die größtmögliche selbstbestimmte Entscheidung zu schaffen. Abb. 1: Chronologie und inhaltliche Bedeutung des Verstehens des Einzelfalls Gemeinsame Entscheidungsfindung zur Lösung des identifizierten Problems Der zweite Schritt ist die gemeinsame Suche nach einer Entscheidung für die Lösung des identifizieren Problems. Die gemeinsam erarbeitete und ausgehandelte Entscheidung und deren Umsetzung begründet eine Beziehung oder ein Arbeitsbündnis zwischen dem älteren Menschen und den Pflegenden auf Zeit, das im weiteren Verlauf die Stärkung der individuellen Selbstbestimmung zum Ziel hat. Eine gemeinsame Entscheidung kann auch zum Ziel haben, eine vorhandene Förderung und Entwicklung der älteren Menschen voranzutreiben. Damit rücken auftretende Probleme zugunsten der Förderung von Ressourcen und den darauf aufbauenden Kompetenzen in den Hintergrund. Kontinuierlicher Verstehensprozess Die beiden ersten Schritte sind begleitet von einem kontinuierlichen Verstehensprozess, der nie abgeschlossen sein wird, denn jede neue Information, Situation, jedes neue Ziel kann den Entscheidungsprozess verändern und seine Evaluation nach sich ziehen. Konsequenterweise ändern sich dann auch die angebotenen pflegerischen Interventionen, die eng mit den Entscheidungen verknüpft sind. Deutung der Kommunikation und der Handlungen Aushandlungsprozess Der Verstehensprozess ist sehr vielschichtig und kann als drei sich beeinflussende Aspekte gesehen werden: in der Kommunikation findet die Deutung von Worten und Handlungen beider Gesprächspartner statt. Jeder der Beteiligten hat allerdings seine eigene Sicht auf die Situation oder auf die Person ihm gegenüber. Um diese unterschiedlichen Perspektiven abzugleichen und sich über das richtige Verständnis zu vergewissern, ist die Deutung der Kommunikation und der Handlungen wesentlich. Damit wird es möglich, die individuelle Wahrnehmung des älteren Menschen und die professionelle Perspektive der Pflegenden in Übereinstimmung zu bringen oder Diskrepanzen zu benennen. Hier setzt dann der oben benannte Aushandlungsprozess an. Professionelle Begleitung der Entscheidungsfindung Der Verstehensprozess ist auch der Beginn einer Beziehungsgestaltung zwischen den Beteiligten. Das Besondere an dieser Beziehung ist die notwendig gewordene professionelle Begleitung bei der Entscheidungsfindung. Die Kombination aus einer Beziehung zwischen den Beteiligten für eine bestimmte Zeit als Begleitung zur persönlichen Stärkung und die gemeinsame Zielerreichung im Sinne eines Arbeitsbündnisses ist von einer hohen Intensität geprägt. Pflegefachliche und methodische Kompetenz Verstehen bedeutet aber auch, Fachkompetenz zu besitzen, um alle pflegefachlichen Anforderungen professionell erfüllen zu können, also sein »Handwerk« zu verstehen. Dazu gehört die pflegefachliche und methodische Kompetenz, um auf eine Vielzahl fachlicher Vorgehensweisen zurückgreifen zu können. Für die Förderung der Selbstbestimmung der älteren Menschen bedeutet dies auch, Entscheidungsoptionen gedanklich vorweg zu nehmen, um bei verschiedenen Entscheidungsmöglichkeiten die jeweils angemessenste und persönlich angepasste Entscheidungsoption zu identifizieren. Aktiv gelebte Selbstbestimmung Einen Einzelfall zu verstehen und zu deuten, um im weiteren Verlauf des Arbeitsbündnisses zu gemeinsamen Entscheidungen zu kommen, bedarf der Stärkung der Entscheidungsfähigkeit und Schaffung von Entscheidungsmöglichkeiten für die älteren Menschen. Diese beiden Voraussetzungen bilden die Grundlage für eine aktiv gelebte Selbstbestimmung. Im Rahmen von gesundheitlichen und funktionellen Einschränkungen, die oft mit Risiken oder Komplikationen einhergehen können, führt das Verständnis des Einzelfalls nicht selten in ein Spannungsfeld. Das Abwägen zwischen einem offensichtlichen Nutzen, aber auch einem möglichen zukünftigen Schaden, führt in eine ethische Konfliktsituation. Um diese Situation aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und um zu einer ausgewogenen gemeinsamen Entscheidung zu kommen, bietet sich eine ethische Fallbesprechung an. Sie kann als eine Sonderform der Fallbesprechung einberufen werden, hermeneutische oder problemorientierte Fallbesprechungen können durch ethisch orientierte Aspekte ergänzt werden. 1.1       Das ethische Verstehen des Einzelfalls
Verstehens- und Erkenntnisinteresse Der verstehende Zugang zur aktuellen Situation des älteren Menschen als Einzelfall, kann unterschiedlich gestaltet werden. Zum einen ist die Möglichkeit gegeben, sich auf einzelne Aspekte zu konzentrieren oder zum anderen den Einzelfall so umfänglich wie möglich zu erfassen. Die Wahl der Verstehensmethode hängt vom Verstehens- und Erkenntnisinteresse hinsichtlich der Lebenssituation der älteren Person ab. Sie hängt auch von den kommunikativen Kompetenzen der älteren Menschen ab. Ist der ältere Mensch in der Lage, seine Situation mithilfe seiner Selbstbestimmungskompetenz präzise zu schildern, ist das Verstehen seiner Äußerungen angebracht. Ist der ältere Mensch nicht in der Lage zu kommunizieren, treten an die Stelle seiner Äußerungen die Schilderung der Beobachtungen und Wahrnehmungen der Pflegenden oder der Angehörigen, die es stellvertretend für den älteren Menschen zu verstehen gilt. Verstehensprozess als Erkundungsprozess Dieser Verstehensprozess gleicht einem Erkundungsprozess, dessen offenes und umfassendes Verstehen des einzelnen Falles die Informationsgrundlage einer selbstbestimmten Entscheidung bildet und die Nachvollziehbarkeit ermöglicht. Sie ist nötig, um gemeinsam mit den älteren Menschen für sie tragfähige Entscheidungen zu treffen und so ihre Selbstbestimmtheit leben zu lassen. Die Darlegung professionell vorbereiteter Entscheidungsmöglichkeiten in einer für sie verständlichen Alltagssprache können es den älteren Menschen erleichtern, persönliche Angelegenheiten zu den Themen...


Susette Schumann, Gesundheits- und Krankenpflegerin, Master of Business Administration Gesundheitsmanagement, tätig in der Fort- und Weiterbildung beim Evangelischen Diakonieverein Berlin-Zehlendorf, stellv. Vorstand der Deutschen Fachgesellschaft Aktivierend-therapeutische Pflege e. V.


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