Schwob | Last Exit - Goetheturm | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 184 Seiten

Schwob Last Exit - Goetheturm

Rhein-Main-Krimi
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-95542-164-9
Verlag: Societäts-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

Rhein-Main-Krimi

E-Book, Deutsch, 184 Seiten

ISBN: 978-3-95542-164-9
Verlag: Societäts-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Showdown in Sachsenhausen! Ein missglückter Banküberfall in Mannheim. Ein gelinkter Kleinkrimineller mit Spielschulden. Und vier Jungs, die auf einem Rastplatz an der A67 einen Toten und eine Tasche voller Geld finden ... 1982, am Tag, als Helmut Kohl Bundeskanzler wird, finden Gummi, Andy, Bernd und Meier auf einem Parkplatz an der Autobahn einen toten Bankräuber samt Beute. Die Jungs geraten in Panik und fliehen. Als die Polizei später am Fundort eintrifft, sind Geld und Pistole längst verschwunden. Hat sich einer von ihnen in der Nacht die Beute geholt? Gleichzeitig muss Komplize Jimmy seine Spielschulden in Frankfurt begleichen. Zu allem bereit, sucht er in der südhessischen Provinz nach seinem Anteil, bevor es auf dem Sachsenhäuser Goetheturm zu einem unerwarteten Finale kommt ...

Ralf Schwob wurde 1966 in Groß-Gerau geboren, arbeitete lange als Krankenpfleger und studierte später Germanistik in Mainz. Nach seinem Abschluss war er als Redakteur und Werbetexter tätig. Heute arbeitet er als freier Autor und Buchhändler und lebt mit Familie in seiner Heimatstadt Groß-Gerau. Für seine literarischen Arbeiten wurde er mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Literaturförderpreis der Stadt Mainz. 2011 erschien sein Ried-Roman 'Büchners letzter Sommer'. 2013 erschien im Societäts-Verlag 'Problem Child'.
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Freitag, 1. Oktober 1982


Das Letzte, was Jimmy hörte, war ein Knall. Dann hörte er nichts mehr, außer einem quälend hohen Pfeifton. Jimmy riss die Augen auf und sah den stummen Schrei aus dem Mund der blonden Bankangestellten, die sich die Hände auf die Ohren presste. Er sah die geräuschlose Explosion des Bonbon-Glases, das auf den Boden fiel, als er die Tasche mit dem Geld über den Tresen zog. Er sah das Brüllen des Filialleiters, der sich vor ihnen aufgebaut hatte. Der Filialleiter trug einen dunklen Anzug und eine bunte Krawatte mit Micky-Mäusen. Er war bestimmt Familienvater, Hobbykünstler, ADAC-Mitglied. Vielleicht war er auch Fremdgeher und betrog seine Frau jeden Freitagnachmittag im Hinterzimmer mit der hübschen Blondine, die immer noch schrie, ohne dass Jimmy es hören konnte. Aber wer hätte gedacht, dass der Filialleiter auch Dirty Harry war? Dass er zumindest glaubte, er könnte es sein? Dass er eine Pistole auf Jimmy und Udo richten würde, als sie es fast schon geschafft hatten, eine lächerliche kleine Weiberpistole, die der Mann auf einmal von Gott weiß woher hervorgezaubert hatte? Der Filialleiter riss die Arme hoch, brüllte und schoss, das konnte Jimmy noch hören, und auch das Dröhnen, das danach in der Luft lag, und die Schreie und das Fluchen hörte er, denn der Schuss war verdammt laut, lauter als der Filialleiter gedacht hatte, das konnte Jimmy an seinem überraschten Gesicht ablesen. Aber der Schuss, der Jimmy taub machte, kam gar nicht aus der Waffe des Filialleiters, sondern wurde keinen halben Meter entfernt direkt neben seinem Ohr abgefeuert. Udo verfehlte den Filialleiter, aber der ging trotzdem zu Boden und sank zwischen die beiden bäuchlings auf dem schmutzig grauen Teppich liegenden Kunden, einem älteren Herrn im Sportsakko und einem langhaarigen Jeansträger, die sich vorhin ohne zu zögern auf den Boden geworfen hatten, als Jimmy sie dazu aufgefordert hatte. Der Filialleiter verabschiedete sich nach seiner Heldentat in eine erlösende Ohnmacht, und Jimmy drehte sich mit einem Pfeifkonzert im Kopf zu seinem Kumpel um. Udo stand leicht schwankend neben ihm, sein rechter Arm mit der Waffe hing nun schlaff am Körper herunter, die Finger umkrallten die Pistole, die linke Hand hatte er mit gespreizten Fingern auf den Bauch gepresst. Seine Augen, die Jimmy durch die Sichtschlitze der schwarzen Ski-Maske sehen konnte, drückten Erstaunen aus, aber keinen Schmerz. Er sah den schmalen Mund seines Komplizen, der jetzt immer wieder ein Wort formte, das Jimmy nicht hören, aber ihm schließlich nach dem zweiten oder dritten Mal von den Lippen ablesen konnte: R-A-U-S.
Draußen vor der Bank zerrte ein kleiner struppiger Hund an seiner Leine und kläffte sie zähnefletschend an, ansonsten war niemand zu sehen. Sie hatten die Filiale gezielt ausgesucht, weil sie abseits lag und freitags nach dem früheren Büroschluss kaum noch jemand in dieser Gegend unterwegs war. Dass ausgerechnet heute noch kurz vor Feierabend zwei Kunden die Filiale aufsuchten, war Pech. Auch mit der Angestellten hatten sie nicht gerechnet. Und mit der Pistole des Filialleiters schon mal gar nicht. Jimmy schwitzte, er hatte das Gefühl, unter der muffigen Ski-Maske keine Luft mehr zu bekommen. Am liebsten hätte er sie sich sofort vom Kopf gerissen, um wieder freier atmen zu können, um den kühlen Herbstwind, der hier draußen wehte, im Gesicht zu spüren. Er versuchte schneller zu laufen, aber das Pfeifen in seinen Ohren verlangsamte seine Schritte. Er hätte nie gedacht, dass der Verlust des Gehörs sich derart hemmend auf die Beweglichkeit des ganzen Körpers auswirken könnte. Udo lief stark vornübergebeugt, aber mit großen Schritten vor ihm her. Seine Haltung erinnerte Jimmy an einen Orang-Utan, der etwas erbeutet hatte und es nun schnell in Sicherheit bringen wollte. Sein Komplize erreichte als Erster die Ecke und verschwand aus Jimmys Blickfeld. Für wenige Sekunden tauchte ein überscharfes Bild vor seinem inneren Auge auf, das ihm zeigte, was sie gleich in der engen Gasse erwarten würde: zwei schräg zueinander geparkte Streifenwagen und drei, vier Polizisten mit Maschinengewehren, die über die Kühlerhauben der Fahrzeuge hinweg auf sie anlegten, dahinter ein dicker Bulle in Zivil mit einem Megafon in der einen und einem knatternden Sprechfunkgerät in der anderen Hand: Wir haben sie, wir haben sie, wir haben ...
Jimmy bog um die Ecke und sog scharf die Luft ein, aber dort stand nur der schwarze BMW, den sie selbst vor einer gefühlten Ewigkeit dort abgestellt hatten. Udo öffnete die Fahrertür, stieg aber nicht ein, sondern blieb stehen und stützte sich mit beiden Armen aufs Autodach, als Jimmy zu ihm aufschloss.
„Lass mich fahren, du bist verletzt!“ Es war ein komisches Gefühl, mit dem Pfeifen in den tauben Ohren zu sprechen. Seine eigenen Worte hörten sich für ihn an, als spräche er unter Wasser.
Udo hatte ihn aber offenbar gut verstanden. Er nickte und deutete auf die blaue Sporttasche mit dem Geld. Jimmy ging um den Wagen herum und warf die Tasche auf den Beifahrersitz, dann sagte er: „Jetzt leg dich endlich hinten rein, ich fahre.“
Jimmy wurde ungeduldig, weil sein Kumpel immer noch keine Anstalten machte, in den Wagen zu steigen. Er stand einfach nur da und sah ihn über das Autodach hinweg an. Und dann richtete er seine Pistole auf Jimmy.
***
„Fahr mal rechts ran!“, brüllte Bernd vom Rücksitz, aber Meier hörte nichts. AC/DC hämmerten gerade „Highway to hell“ durch die Boxen in der Hutablage und Meiers Welt war ein einziger verzerrter Gitarrenriff, auf dem er mit seinem Opel Kadett im Affenzahn über die Autobahn heizte als wär’s ein Ferrari.
„Rechts ran!“ Jetzt brüllte auch noch Andy vom Beifahrersitz, packte ihn an der Schulter und schaltete sogar die Innenraumbeleuchtung ein, der Depp, der blöde, das kann der doch jetzt nicht bringen, dachte Meier und seine Augen wanderten in den Rückspiegel: hinter ihm machte Bernd mal wieder sein besorgtes Arztsohngesicht, und Gummi hielt sich eine Hand auf den Bauch und die andere vor den Mund.
Meier schüttelte unwillig den Kopf und wandte sich wieder der Straße zu. Irgendwas war jetzt anders: das Licht war wieder aus, die Musik aber auch. Die Tachonadel zitterte kurz unter der 80 km/h-Marke, ein Lkw setzte hinter ihm zum Überholen an und zog kurz darauf links mit langgezogenem Signalhorn an ihnen vorbei. Meier hätte schwören können, mit mindestens 120 Sachen unterwegs zu sein ...
Andy beugte sich zu ihm rüber, zeigte bedeutungsschwanger nach hinten auf den Rücksitz und sagte: „Jetzt halt schon an, der kotzt dir sonst noch ins Auto ...“
Der Lkw scherte wieder ein und Meier bemerkte, dass die Musik gar nicht ausgeschaltet, sondern die Lautstärke lediglich so weit heruntergedreht war, dass Gummis unterdrücktes Würgen jetzt mühelos AC/DC übertönte. „Also gut“, sagte er, „am Parkplatz in Büttelborn fahr ich raus.“
Jeden Freitagabend holte Meier seine drei Freunde mit dem Kadett ab. Er war fast vier Jahre älter als die anderen und der Einzige, der bereits Führerschein und Auto besaß. Während Gummi, Andreas und Bernd noch zur Schule gingen, stand er schon voll im Berufsleben, wie er selbst gern betonte, und zwar als Produktionshelfer bei Wick in Früh-, Spät- und Nachtschicht.
Heute Abend waren sie in Darmstadt in der „Krone“ gewesen, und Gummi, der sich normalerweise den ganzen Abend an einer Flasche Bier festhielt, hatte gegen halb elf, als die Band eine Pause machte, bereits die fünfte Flasche geleert. Sie saßen im dämmrig beleuchteten Konzertsaal im ersten Stock an einem der langen Biertische, und Gummis Blick war immer glasiger geworden. Als Meier ihn einmal aus Versehen leicht anstieß, wäre er fast von der Bank gefallen. Nach der Pause legte die Band, ein Metal Trio aus Aschaffenburg, wieder los und Gummi versuchte es mit Headbangen, wäre aber beinahe der Länge nach vor der Bühne hingeknallt. Das war der Moment, in dem Bernd entschied, dass es wohl besser sei, Gummi nach Hause zu bringen. Andreas hatte nur mit den Schultern gezuckt, die Band brachte es irgendwie eh nicht richtig, aber Meier war trotzdem sauer wegen der fünf Mark Eintritt, die sie in den Sand gesetzt hatten.
Die Scheinwerfer des Kadetts fingen das blauweiße Parkplatzschild am Rand der Autobahn ein. Meier nahm den Fuß vom Gas und lenkte den Wagen auf die Zufahrt. Er fuhr so dicht es ging an den Grünstreifen heran und bremste abrupt ab. Andy riss sofort die Beifahrertür auf, sprang heraus und klappte die Rückenlehne seines Sitzes nach vorne, damit Gummi auch aussteigen konnte, aber der verfing sich mit dem Fußgelenk im Sicherheitsgurt und musste von Andreas erst noch befreit werden, bevor er schließlich mit großen Schritten auf den Grünstreifen zutorkelte, wo er bereits nach ein paar Metern von der Dunkelheit jenseits des Parkplatzes verschluckt wurde.
Meier beugte sich über die nach vorn geklappte Rückenlehne des Beifahrersitzes und sah durch die offene Tür nach draußen, wo Andreas und Bernd, der ebenfalls ausgestiegen war, neben dem Kadett standen und neugierig in die Richtung starrten, in der Gummi verschwunden war.
„Siehst du ihn noch?“
„Nee, du?“
Bernd schüttelte den Kopf. Beide drehten sich um und sahen Meier erwartungsvoll an, als könne der nachts besser sehen, dann hörten sie, wie Gummi sich irgendwo in der Dunkelheit übergab.
Meier verdrehte die Augen, ließ sich zurück in den Fahrersitz fallen und atmete tief durch. Er stellte den Motor ab und die Scheinwerfer auf Standlicht.
Der Parkplatz lag im gelblichen Licht der Lampen, die am Rand der Parkzone aufgestellt waren. Hinter den wenig...


Ralf Schwob wurde 1966 in Groß-Gerau geboren, arbeitete lange als Krankenpfleger und studierte später Germanistik in Mainz. Nach seinem Abschluss war er als Redakteur und Werbetexter tätig. Heute arbeitet er als freier Autor und Buchhändler und lebt mit Familie in seiner Heimatstadt Groß-Gerau. Für seine literarischen Arbeiten wurde er mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Literaturförderpreis der Stadt Mainz. 2011 erschien sein Ried-Roman „Büchners letzter Sommer“. 2013 erschien im Societäts-Verlag „Problem Child“.



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