E-Book, Deutsch, 480 Seiten
Reihe: Justizthriller
Singer Die Präsidentin
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7751-7498-5
Verlag: Hänssler
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 480 Seiten
Reihe: Justizthriller
ISBN: 978-3-7751-7498-5
Verlag: Hänssler
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Randy Singer wird von der Fachpresse hoch gelobt. Seine Justiz-Thriller sind 'mindestens genauso unterhaltsam wie John Grisham' (Publishers Weekly). Für 'Die Witwe' erhielt er sogar den begehrten Christy Award. Dabei kommt Singer aus der Praxis: Im wirklichen Leben arbeitete er als Anwalt. Und die Botschaft von Gottes Liebe 'verteidigt' er sonntags auf der Kanzel der 'Trinity Church' in Virgina Beach (USA).
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____________ Kapitel 11
Die nächsten zehn Tage tauschten Paige und Patrick SMS und E-Mails aus. Skypen ging leider nicht; laut Patrick war dergleichen an dem Stützpunkt, an dem er stationiert war, nicht erlaubt.
All dies war neu für Paige und definitiv nicht dasselbe, wie Patrick persönlich gegenüberzusitzen. Seine Nachrichten kamen schubweise und zu den verrücktesten Zeiten, da er sich in verschiedenen Zeitzonen aufhielt. Es war nichts Ungewöhnliches, dass ein ganzer Tag verging, bevor er die nächste E-Mail oder SMS von ihr beantworten konnte.
Allzu viele Sorgen um seine Sicherheit machte Paige sich nicht, was zum Großteil an Kristen Anderson lag. Sie und Paige trafen sich zweimal auf einen Kaffee und es war deutlich, dass Kristen nicht glaubte, dass die Männer in Gefahr waren. Paige liebte ihre gelassene Art und auch, wie sie über Patrick redete.
»Ich kenne Q schon lange, Paige. Er hat noch nie jemand zu uns mitgebracht. Wenn einer aus seinem Team eine Frau mitbringt, die er als seine Freundin vorstellt, dann bedeutet das was.« Kristen nahm den nächsten Schluck Kaffee. »Diese Männer leben auf der Überholspur, auch die guten wie Patrick. Wenn die eine Beziehung anfangen, fackeln die nicht lange. Ich hab doch gesehen, wie er dich angeschaut hat.«
Paige hörte zu. Dass Patrick ihr so gut wie einen Heiratsantrag gemacht hatte, behielt sie für sich. Sie fragte sich manchmal, ob er im Auto einen Verlobungsring dabeigehabt hatte. Egal, sie hatte beschlossen, es zu wagen. Einen Mann wie Patrick Quillen würde sie vielleicht kein zweites Mal kennenlernen. Seine bloße Nähe tat ihr gut und sie konnte schon gar nicht mehr zählen, wie oft am Tag sie auf ihrem Computer sein Bild öffnete und an die Stunden dachte, die sie mit ihm verbracht hatte.
Hin und wieder telefonierten sie, aber die Gespräche waren etwas abgehackt aufgrund der langen Entfernung, die zu einer gewissen Zeitverzögerung bei den Antworten führte. Auch schien Patrick manchmal nicht ganz bei der Sache zu sein; manchmal brach er das Gespräch ab und versprach Paige, dass das nächste länger würde. Das verunsicherte Paige, aber auch hier konnte Kristen sie beruhigen: Troy war ganz genauso. »Wenn die Jungs im Einsatz sind, drehen sich ihre Gedanken nur um ihren Auftrag. Das gehört dazu.«
Paige war von Natur aus eher zurückhaltend, vor allem wenn es darum ging, einem anderen Menschen ihre tiefsten Gefühlen anzuvertrauen. Aber wenn sie sich zu etwas entschlossen hatte, konnte nichts sie bremsen. Nach zehn Tagen schickte sie Patrick Care-Pakete und zählte die Tage bis zu seiner Rückkehr, so wie die übrigen Ehefrauen und Freundinnen der SEALs auch. Die nächsten drei Monate würden langsamer dahinkriechen als eine Schnecke, aber wenn Patrick im Sommer wieder da war, würden sie die verlorene Zeit aufholen. Sie würde ihn am Flughafen erwarten, wenn er zurückkam, und sie würden dort weitermachen, wo sie aufgehört hatten. Sie würde ihm von der SMS erzählen, die sie am Vorabend seines Einsatzes getippt hatte, und diesmal gäbe es kein Zögern mehr.
Washington, D. C.
Philip Kilpatrick, der Stabschef des Weißen Hauses, war 54 Jahre alt und hatte vierzehn politische Kampagnen mitgemacht. Er hatte schon vieles gesehen, ja, das meiste davon hatte er sogar selbst inszeniert. Seine schwarz umrandete Brille saß auf einer kurzen, gedrungenen Boxernase. Zum Beginn der achten Kampagne war seine Glatze komplett gewesen, was seine Ohren, die wahrscheinlich zu einem größeren Schädel gehörten, noch mehr hervortreten ließ. Seinen grauen Bart hielt er so kurz, dass es immer aussah, als ob er noch ganz frisch war. Er hatte sich daran gewöhnt, der cleverste Mann im Zimmer zu sein, selbst bei einem Raum wie dem holzgetäfelten Situation Room im Weißen Haus, der eine solch legendäre Geschichte hatte, und auch wenn dort die Top-Berater des US-Präsidenten versammelt waren. Kilpatrick wusste, wie viele Stimmen zu wenig die Präsidentin im zweiten Stimmbezirk von Warren County in Iowa bekommen hatte und mit wie vielen Stimmen sie ganz unerwartet in Beaver County in Pennsylvania gewonnen hatte. Mit der Folge, dass der Gouverneur von Pennsylvania inzwischen der US-Innenminister war, während der Gouverneur von Iowa immer noch auf dem Jahrmarkt von Dubuque ein paar Hände schütteln durfte.
Es war 7 Uhr abends am Palmsonntag und Kilpatrick schaute aufmerksam zu, wie Präsidentin Amanda Hamilton mit ihrer üblichen Effizienz und Bestimmtheit eine Sitzung des Sicherheitsrates leitete. Hamilton war eine jung aussehende 46-Jährige, eine Art weibliche Version von J.?F. Kennedy minus dessen Affären – ein Image, das Kilpatrick mit großer Sorgfalt aufgebaut hatte. Sie war fast 1,78 Meter groß und muskulös. Als ehemaliges Mitglied im Frauen-Sportteam der Universität Harvard war sie wild entschlossen, ihre Gesundheit nicht vom härtesten Job der Welt ruinieren zu lassen. Doch ihre ersten fünfzehn Monate im Oval Office hatten sie bereits vier Jahre älter gemacht, mit Krähenfüßen in den Winkeln ihrer durchdringenden dunklen Augen und zwei kleinen Vertiefungen an ihrer Stirn, die größer wurden, wenn sie diese runzelte.
Auf ihrem Weg zum Präsidentensessel hatte Amanda das Büro der Staatsanwaltschaft von Manhattan passiert, wo sie Wall-Street-Manager strafrechtlich verfolgte, und danach das des Generalstaatsanwalts von New York und später das des Justizministers der USA. Sie war eine geborene Strafverfolgerin, aber das Land hatte sie nicht geholt, um Menschen vor Gericht zu bringen, sondern um es zu regieren.
Und was das Regieren anging, war der Spruch der Jury noch offen. Unter ihrer Verwaltung hatte sie zu schnell zu viele Baustellen an der Heimatfront begonnen, einschließlich einer Reform bezüglich der Gefängnisstrafen für nicht gewalttätige Straftäter. Die Republikaner, die die Mehrheit im Repräsentantenhaus hatten, hatten daraufhin verbissen Widerstand geleistet. Auf der internationalen Bühne drehte der Iran den USA munter eine Nase nach der anderen und nutzte die Schwächen des nuklearen Deals aus, den Amandas Gegner im Wahlkampf das schlimmste Abkommen in der Geschichte des Planeten genannt hatten. Einmal hatte sie Kilpatrick gesagt, dass sie anfing, zu glauben, dass ihre Gegner recht hatten.
Die meisten Mitglieder ihres Beraterstabs einschließlich Kilpatrick waren mindestens zehn Jahre älter als sie und noch dabei, sich daran zu gewöhnen, Anweisungen von einer Frau entgegenzunehmen. Der 65-jährige Roman Simpson, Hamiltons Verteidigungsminister, war ein aus den Schrecken der Kriege herausgemeißelter Granitblock von einem Mann und er bemühte sich kaum, seine Verachtung für die mangelhafte außenpolitische Erfahrung der Präsidentin zu verbergen. Kilpatrick hatte ihr davon abgeraten, Simpson in ihr Kabinett aufzunehmen, doch der Mann genoss den Respekt der hohen Tiere im Pentagon und Präsidentin Hamilton hatte eine Schwäche für die Methode von Abraham Lincoln, die Schlüsselpositionen im Kabinett unter einem »Team der Rivalen« aufzuteilen. Simpson hatte buschige schwarze Augenbrauen, Hängebacken, die den Kampf gegen die Schwerkraft schon lange verloren hatten, und eine humorlose Art. Die Präsidentin und Kilpatrick hatten bereits beschlossen, dass es keine zweite Amtsperiode für ihn geben würde.
Simpson gegenüber saß sein Hauptwidersacher im Sicherheitsrat, CIA-Direktor John Marcano. Marcano hatte sein ganzes Berufsleben in der CIA verbracht. Er war ein Analyst, der kein einziges Mal sein Leben riskiert hatte. Er war emotionslos und unerschütterlich. Sein Haar war grau und dünn, seine Haut rötlich und fleckig. Seine hohe Stirn thronte über dünnen Augenbrauen und einer langen Hakennase. Simpson nannte ihn »den Chefbuchhalter« und fand es grausam, dass dieser Bleistiftzähler so viele militärische Mittel zur Verfügung hatte, darunter eine Armee von Drohnen in Ländern wie dem Jemen, in denen die USA offiziell gar keinen Krieg führten.
Direktor Marcano berichtete der Runde gerade über seine neuesten Informationen aus dem Jemen. Er sprach mit einer Selbstsicherheit, wie sie nur jemand hat, der sämtliche Berichte seiner Agenten und seiner Analysten persönlich gelesen hat. Er bestätigte Gerüchte, nach denen die Huthis vorhätten, sowohl Cameron Holloman als auch Abdullah Fahd bin Abdulaziz in einer Woche hinzurichten – und zwar am Ostersonntag als symbolische politische und religiöse Botschaft an den Rest der Welt. Der Mann, der die Informationen über das Gefängnis lieferte – sein Spitzname lautete Pinocchio –, hatte noch nie falsch gelegen. Drohnen- und Satellitenaufnahmen zeigten eine Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen im Zentralgefängnis von Sana'a im Laufe der vergangenen Woche. Mehrere abgefangene Internet- und Telefonkommunikationen hatten die Angaben von Pinocchio bestätigt.
»Für wie verlässlich halten Sie diese Informationen?«, fragte die Präsidentin.
»95 Prozent.«
»Und wie ist es mit den Verhandlungen?«
»Laufen nicht gut«, erwiderte Marcano. »Die Huthis sind überzeugt, dass Holloman ein Spion ist. Ursprünglich glaubten sie, dass er einen Artikel schreiben wollte, der sich kritisch über unseren Drohneneinsatz im Jemen äußerte. Viele zivile Opfer und so weiter. Sie arrangierten sogar ein Treffen mit mehreren Huthi-Führern, darunter einem, der angeblich bei einem Drohnenangriff seine Familie verloren hatte. Acht Tage später zerstörte eine unserer Drohnen den Komplex, in dem das Treffen stattfand, und tötete die besagten Huthis...




