E-Book, Deutsch, 175 Seiten
Spirlin Scott V.P.I.
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-947619-75-7
Verlag: Polarise
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mörderjagd im Cyberspace
E-Book, Deutsch, 175 Seiten
ISBN: 978-3-947619-75-7
Verlag: Polarise
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Als der Schriftsteller Frank Dekker nach einem One-Night-Stand in einem Hotel aufwacht, ahnt er zunächst nicht, dass sein Leben sich in Kürze radikal verändern wird. Die Realität holt ihn unerbittlich ein und macht ihn zum Hauptverdächtigen in einem Mordfall. Um nicht zum Spielball in einem Strudel aus Gewalt, Politik und Leidenschaft zu werden, muss er die Initiative ergreifen und selbst Ermittlungen beginnen.
Schon bald stellen sich Fragen, die weit über die ursprüngliche Aufgabe hinausgehen. Agieren verängstigte Bürger zunehmend aggressiver gegen Roboter und künstliche Intelligenzen? Schrecken sie auch vor Mord nicht zurück? Und was hat seine Assistenz-KI mit alldem zu tun? Ein ungewöhnliches Ermittlerduo nimmt die Herausforderung an.
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Kapitel 2
Dekker riss die Tür auf und war schon halb auf dem Korridor, als er das unverwechselbare Pling vernahm, das in allen Hotels der Welt die Ankunft einer Aufzugskabine ankündigte. Das konnte unmöglich schon der Rettungsdienst sein, seit dem Alarm waren nicht einmal zwei Minuten vergangen! Er wich hastig in das Zimmer zurück und lugte mit einem Auge um die Ecke, wo sich die Schiebetüren öffneten. Heraus rollte … ein Medbot! Natürlich! In Hotels dieser Preisklasse konnte man bei Notfällen mit einer Erstversorgung durch ein halbautonomes medizinisches System rechnen. Offenbar war der Roboter über die Haus-KI alarmiert worden, nachdem Felicias ComPad den Notruf abgesetzt und die Position gemeldet hatte. Dekker fluchte leise zwischen zusammengebissenen Zähnen. Über dem rot blinkenden Kreuz am Torso des Bots reflektierten die zwei Augen des Kamerasystems die Gangbeleuchtung. Mit dessen Hilfe navigierte der Bot nicht nur, er würde damit auch den gesamten Einsatz protokollieren. Dekker durfte auf dem Video unter keinen Umständen zu sehen sein! Zielstrebig surrte der Roboter in Dekkers Richtung und der machte, dass er schleunigst komplett ins Zimmer verschwand und die Tür hinter sich ins Schloss schnappen ließ. Was jetzt? Der Bot hatte mit Sicherheit einen elektronischen Generalschlüssel, er musste aus dem Zimmer verschwinden, und zwar pronto! Sein Blick irrte hektisch suchend im Zimmer umher und blieb an der verglasten Tür hängen, die an das breite Fenster fast nahtlos anschloss. Hatte das Zimmer einen Balkon? Als er mit seiner liebeshungrigen Begleitung am Abend ineinander verschlungen in den Raum gekommen war, hatte er aus naheliegenden Gründen nicht darauf geachtet. Schnell öffnete er die Tür und trat hinaus, zog hinter sich den blickdichten Teil des Vorhangs bis auf einen schmalen Streifen zu, um dem Geschehen im Zimmer zu folgen, ohne selbst gesehen zu werden. Die Balkontür ließ er nur angelehnt. Keine Sekunde zu früh! Dekker hörte die Zimmertür aufgehen, dann erklang die mechanische Stimme des Roboters: »Medizinische Notfalleinheit MedHelper C9730 am Einsatzort, Zimmer 846, Hotel Peyton. Leblose Person, weiblich, auf Liegefläche detektiert. Keine weiteren Personen anwesend. Beginne Untersuchung.« Dekker spähte vorsichtig durch den Spalt. Aus dem Torso des Bots wuchsen verschiedene tentakelartige Gliedmaßen, die begannen, Felicias Körper mit verschiedenen Sensoren abzutasten. Schon nach kurzer Zeit kommentierte die Maschine emotionslos: »Herz-Kreislauf-Stillstand bestätigt. Wiederbelebungsmaßnahmen initiiert.« Dekker konnte nicht genau sehen, was vor sich ging, und veränderte leicht seine Position. Mist! Er hatte gehofft, hinter dem Roboter vorbeischleichen zu können, solange dieser beschäftigt war, aber leider stand er so, dass seine Optik die Balkontür im Blick hatte. Der Bot hatte Felicias Körper auf den Rücken gedreht und drückte mit einem Manipulator rhythmisch ihren Brustkorb zur Herzmassage, während ein anderer ihren Kopf vorsichtig anhob, um eine Atemmaske auf ihrem Gesicht zu befestigen. In diesem Moment hielt der Roboter inne. Er drehte den Körper zur Seite und examinierte den Nackenbereich. In der nächsten Sekunde wurden seine Extremitäten eingezogen und der Bot rollte ein Stück vom Bett weg. »Unklare Sachlage, übertrage Steuerung an Operator!«, tönte es aus seinem Lautsprecher. Es knackste ein paar Mal, dann meldete sich eine gelangweilte, missgelaunte Männerstimme: »Steuerung übernommen. Falls sich Personen vor Ort befinden, bitte vom Roboter zurücktreten. Hallo, ist da jemand? … nein? Scheiß-Nachtdienst. Was haben wir denn da, was der Blechtrottel nicht allein auf die Reihe kriegt?« Die Maschine, jetzt unter menschlicher Kontrolle, beugte sich erneut über die Leiche. Kurze Pause, dann war ein anerkennender Pfiff zu hören. »He, Tom, schau dir das mal an, wir haben hier einen astreinen Code 110, oder?« »Echt jetzt, Mord? Lass sehen!«, war eine andere, nicht minder gelangweilte Stimme zu hören. Wieder Pause. »Hast recht, die Rettung kannste abbestellen. Die Tussi war sofort tot. Ruf die Bullen an, die müssten in ein paar Minuten da sein. Ist ja nicht weit.« Dekker brach der Angstschweiß aus. Wohin sollte er flüchten? Er sah sich hektisch um. Der Balkon erstreckte sich über die gesamte Zimmerbreite und war auf beiden Seiten durch eine Trennwand, die bis zur Decke reichte, vom jeweiligen Nachbarbalkon abgeteilt. Er huschte auf die linke Seite, beugte sich über die Brüstung und schaute in den Nachbarbalkon hinüber. Alles dunkel. Gut. Aber wie sollte er da rüberkommen? Sportlichkeit gehörte nicht zu Dekkers Stärken. Genauer gesagt hielt er es mit dem seligen Premierminister Churchill, dem ja angeblich jegliche körperliche Betätigung ein Gräuel gewesen war. Egal … ihm blieb keine Wahl. Mit Mühe schwang er ein Bein über das Balkongeländer. Zum Glück hatte die Trennwand gitterartige Verstrebungen, an denen Dekker sich jetzt mit einer Hand festhielt, während er mit der anderen versuchte, das Bein in den angrenzenden Balkon zu hieven. Seine Korpulenz war dabei nicht gerade hilfreich. Als er mit dem Rücken zur Straße halb im einen, halb in dem anderen Balkonabteil hing und sich verzweifelt am Gitter festkrallte, bewirkte sein Bauchumfang, dass sein Hinterteil weit über den Abgrund hinausragte. Noch dazu machte er den Fehler, über seine Schulter hinabzuschauen. Acht Stockwerke! Die wenigen Fahrzeuge, die unten durch die Nacht glitten, erinnerten an Spielzeuge. In ihm begann sich alles zu drehen. Dekker musste die Augen schließen. Weiter, Frank, und auf keinen Fall mehr hinuntersehen! Mit Schwung wuchtete er seinen massigen Körper auf die andere Seite. Geschafft! Das zu diesem Balkon gehörende Zimmer war dunkel. Vorsichtig schlich er zur Balkontür und drückte dagegen. Geschlossen, natürlich. So eine verdammte Scheiße! Vielleicht hatte er beim nächsten Balkon mehr Glück? Ihm graute zwar davor, noch einmal über die Brüstung zu steigen, aber zu seiner Überraschung hatte er jetzt den Dreh heraus und kam relativ glatt hinüber. Puh! Auch in diesem Raum brannte kein Licht. Als er sachte gegen die Tür drückte, gab sie nach und schwang nach innen auf. Gott sei Dank! Dekker trat einen Schritt in das Zimmer. Ein wuchtiger Schlag traf seinen Kopf. Der hätte ihm das Bewusstsein geraubt, wäre er besser platziert gewesen. Zum Glück glitt der schwere Gehstock seitlich ab und prallte mit einem dumpfen Laut auf seine Schulter. Dekker schrie schmerzerfüllt auf. Gleichzeitig ging ein schrilles Gezeter in einer fremden Sprache los und das Licht flammte auf. Vor ihm stand eine alte Dame im Nachthemd, deren Stock bereits wieder hocherhoben und im Begriff war, erneut auf ihn herabzusausen! Geistesgegenwärtig duckte sich Dekker und flüchtete erneut auf den Balkon. Leider gefolgt von der wehrhaften Lady mit erhobenem Stock. Verdammt, warum hatte er ausgerechnet auf eine Oma mit seniler Bettflucht treffen müssen? Derart in Bedrängnis schwang sich Dekker gleich wieder über die Brüstung zum nächsten Balkon. Zu seinem Pech war da keiner mehr. Dafür eine Feuerleiter, allerdings einen guten Meter entfernt! Dekker hing in der Luft, strampelte mit den Beinen und zog sich hoch, bis seine Füße außen am Balkon Halt fanden. Die Lady nutzte ihre Chance und drosch mit dem Stock auf eine seiner Hände. Dekker ließ mit einem Schmerzensschrei los und hielt sich nur mehr mit der anderen Hand fest. Mit Entsetzen sah er, wie die alte Dame ein weiteres Mal ausholte. Bevor jedoch der Stock auf die Stelle niedersauste, wo eben noch Dekkers Finger gewesen waren, war er verzweifelt seitlich weggesprungen und hatte die Hände nach der Feuerleiter ausgestreckt. Wie in Zeitlupe musste er mitansehen, wie die anvisierte Sprosse nur Zentimeter an seinen Fingern vorbeiglitt. Die nächste Stufe war seine letzte Chance, sonst war er aller Sorgen ledig, und zwar für immer! Im allerletzten Moment griff er zu. Mit einem hässlichen Geräusch knallte sein Körper gegen die Leiter, aber er hing! Dekker schickte ein Stoßgebet zu sämtlichen Göttern des Erdkreises. Von oberhalb hörte er die zeternde Stimme der Alten, die bald das ganze Hotel aufwecken würde. Dekker begann hastig den Abstieg. Als er sich auf Höhe des zweiten Stockes befand, hörte er das an- und abschwellende Geräusch einer Polizeisirene, das sich rasch näherte. Er erstarrte und versuchte, sowohl mit dem Mauerwerk als auch mit der Feuerleiter zu verschmelzen. Ein Schweber blieb vor dem Hoteleingang stehen und zwei uniformierte Beamte sprangen heraus und rannten ins Foyer. Dekker ließ die angehaltene Luft entweichen und kletterte weiter. Die Leiter endete mehr als zwei Meter über dem Boden, was ihn nicht mehr beeindruckte. Er ließ sich hinunterfallen und rollte elegant wie ein Kartoffelsack ab. Ächzend kam er auf die Beine und blickte sich rasch um. Dunkelheit lag auf der Straße und außer ihm war keine Menschenseele zu sehen. Nichts wie weg! Möglichst...