E-Book, Deutsch, 288 Seiten
Spranger / Franßen Tiefenscharf
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-945133-60-6
Verlag: Polar Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
E-Book, Deutsch, 288 Seiten
ISBN: 978-3-945133-60-6
Verlag: Polar Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Das Leben ist nicht immer fair zu einem. Vor allem, wenn die falschen Entscheidungen getroffen werden. Drogendealer Max mit Nazihintergrund wirft vor einer Polizeikontrolle die Lieferung aus dem Fenster und irrt danach auf der Suche nach dem Crystal Meth durch den Schnee. Als er einem Flaschensammler begegnet, glaubt er, dass der das Päckchen an sich genommen hat, lässt seine Wut an ihm aus und wird zum Mörder, um einen Zeugen zu beseitigen. Das Leben des Videojournalisten Sascha verläuft in ruhigeren Bahnen. Für ihn stellt sich eher die Frage, was der Journalismus im Zeitalter Sozialer Medien noch wert ist, wenn ein Attentat mit einer Wasserpistole voller Urin die Schlagzeilen beherrscht. Als er einem Drogendeal auf die Spur kommt, glaubt er an seine große Chance. Im neuen Kriminalroman des Glauser-Preisträgers Roland Spranger tauchen wir tief in unsere Realität ein, die geprägt von stiller, offener Gewalt und Wut ist.
Roland Spranger, Jahrgang 1963, arbeitet neben seiner Autorentätigkeit als Betreuer in Wohnprojekten fu?r geistig Behinderte. Außerdem betäigt er sich in verschiedenen LiveLiteraturProjekten, als Moderator einer Talkshow ohne Kameras (Gwaaf zur Nacht) und als Theaterautor. Seine Stücke wurden auf zahlreichen Bühnen in Deutschland aufgeführt. Für seinen Thriller 'Kriegsgebiete' erhielt der Autor den Friedrich GlauserPreis 2013 in der Sparte 'Bester Kriminalroman'. Danach er schienen sein Roman 'Elementarschaden' und eine Reihe von Short Stories in Krimi Anthologien. Fu?r seine Kurzgeschichte 'C' wurde der Autor in der Kategorie 'Bester Kurzkrimi' im Jahr 2016 erneut fu?r den Friedrich-Glauser-Preis nominiert. Roland Spranger lebt und arbeitet in Hof.
Autoren/Hrsg.
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Kira mag es nicht, wenn der Eindruck entsteht, dass sie dämlich ist oder irgendwie hörig oder auf andere Art ferngesteuert. Trotzdem sitzt sie neben Max im Auto und hat ihm das restliche Geld gegeben, das sie von ihrem Vater geklaut und für Neuseeland eingeplant hatte. Geld, wegen dem ein Hund sterben musste. In Filmen kann sie Frauen nicht leiden, die so drauf sind. Die ihre Selbstachtung verlieren, weil sie einen Idioten zu sehr lieben. Kira hasst die Fahrten ins tschechische Hinterland. Auch wenn vieles dafür spricht. Billig Zigaretten einkaufen. Billig Schnitzel essen. Billig die Nägel machen lassen. In Cheb gibt es eine Straße mit drei Nagelstudios direkt nebeneinander, aber Kira kann Fahrten mit geklauten Nummernschildern nicht leiden. Und die immer schmaler werdenden Straßen zum Übergabeort machen sie extrem unruhig. Die letzten Meter zu Ludviks Haus geht die Landstraße in einen Schotterweg über. Kleine Steine klacken gegen das Bodenblech. Die Fichten am Straßenrand schauen im Scheinwerferlicht aus wie Skelette. Als Max in die Einfahrt einbiegt, flammen die von Bewegungsmeldern gesteuerten Halogenleuchten auf. Kira kneift die Augenlider zusammen. Die Augen müssen sich an das grelle Licht gewöhnen. Max parkt das Auto im Lichtkegel und steigt aus. Ludvik kommt aus dem Haus und schaut sich um. Die rechte Hand hat er unnatürlich hinter seinem Rücken versteckt. Kira fährt das Beifahrerfenster nach unten, damit Ludvik sie auch sehen kann. Er holt die rechte Hand hinter seinem Rücken hervor, streift das Jackett kurz zurecht und winkt. Dann verschwindet er wieder im Haus. Kira zündet sich eine Zigarette an. Warten ist auch nicht ihre Stärke. »Alles gut, Baby«, sagt Max. Ludvik bleibt in der Haustür stehen und peilt noch einmal kurz die Lage. Erst dann tritt er ins Freie. In der einen Hand eine Plastiktüte, in der anderen einen Karton. Max öffnet den Kofferraum. Ludvik übergibt Max den Karton und stopft den Plastikbeutel zum Ersatzreifen. »Ist es diesmal blau?«, fragt Kira. »Sehr witzig«, antwortet Ludvik, ohne eine Miene zu verziehen. In echt ist Crystal nicht blau. Das gibt’s nur im Fernsehen. Kira weiß das. Oder sie hat noch nie wirklich gutes Zeug zu Gesicht gekriegt. Max holt aus dem Karton eine Pistole und betrachtet sie von allen Seiten. »Was ist das?«, fragt Kira mit einem schrillen Unterton in der Stimme. »Eine Ceská«, sagt Ludvik. »Sehr gute Qualität. Die Chinesen bauen sie nach. Sogar die Amerikaner.« Kira schaut Max streng an. So wie es Frauen in Dokusoaps machen. Max beachtet sie nicht. Er lächelt die Waffe in seiner Hand an. »Wofür brauchst du die?« »Für die Zombie-Apokalypse.« Max wirft Ludvik den leeren Karton in die Hände und steckt sich die Waffe in den Hosenbund. So, dass sie von seiner Jacke verdeckt wird. Er zupft ein paarmal am Saum und betrachtet zufrieden das Ergebnis. Dann zieht er die Waffe schnell heraus. Steckt sie wieder hinein. Zieht wieder. So lange, bis sich die Geschwindigkeit professionell anfühlt. Ludvik übergibt Max die Plastiktüte, beide geben sich kurz die Hand und versuchen es mit einem Lächeln. Wie immer ist Kira genervt, wenn Max erst mal das Handy per Bluetooth mit dem Player verbinden muss, bevor er endlich losfährt. Wenn im Kofferraum eine Plastiktüte mit Cyrstal liegt, ist sie noch ein wenig mehr genervt. Auf dem Smartphone sucht Max nach einer Datei. Das Display färbt dabei sein Gesicht ein und lässt ihn wie einen Geist aussehen. »Muss das jetzt sein?«, fragt Kira. »Das beruhigt dich, Kleine.« Der Soundtrack von Conan, der Barbar erklingt. »Dadurch wird die Landschaft größer«, sagte Max. Kira ist der Meinung, dass die Landschaft schon groß genug ist. Vor allem jetzt in der Nacht, wenn es sich die Dunkelheit auf der Landschaft bequem gemacht hat. Auf dem Rückweg fahren sie am Lidl in Asch vorbei. Der Parkplatz ist hell erleuchtet, obwohl kein einziges Auto darauf steht. An der Grenze wird man seit Jahren nicht mehr kontrolliert. Die Schranken sind weg. Die Wachhäuschen stehen noch, aber die Jalousien sind heruntergezogen. Max macht die Musik lauter, als er an der verlassenen Grenzstation vorbeifährt. Dann die Landstraße lang Richtung Autobahn. Kira schaut auf die Fahrbahnmarkierungen. Auch so ein Versuch, das Leben zu ordnen, denkt sie. Hinter ihnen leuchtet ein Blaulicht auf. Max schaut in den Rückspiegel und liest den Schriftzug: »STOPP! POLIZEI.« Kira dreht sich um. Sie sieht den Schriftzug spiegelverkehrt, aber egal, wie rum man liest: Es ist scheiße. »Und jetzt?«, fragt Kira. »Bleib cool.« »Ich bin cool. Und sonst?« »Frag dich: Was hätten Bonnie und Clyde gemacht?« »Bonnie und Clyde sind tot.« Max fährt in eine Parkbucht. Das Polizeiauto bleibt hinter ihnen stehen. Beide Türen öffnen sich. Zwei Polizisten mit Taschenlampen gehen auf Max’ Auto zu. Die freie Hand haben sie an ihrer Pistole. Zuerst sind die Polizisten in den Außenspiegeln klein zu sehen, dann werden sie größer, und schließlich leuchten sie von links und rechts in das Auto. Max lässt die Fahrer- und die Beifahrerscheibe nach unten. »Guten Abend. Fahrzeugkontrolle. Führerschein und Fahrzeugpapiere.« Max klappt den Sonnenschutz nach unten, holt die Dokumente heraus und übergibt sie. Der Polizist an der Fahrertür geht mit den Papieren weg und verschwindet damit im Wagen. »Ich muss mal für kleine Mädchen«, sagt Kira durch das Beifahrerfenster. »Bitte bleiben Sie im Fahrzeug.« »Ich muss wirklich ganz dringend.« Kira reißt die Tür auf. Dabei trifft sie den Polizisten am Bein. Sie stürzt an ihm vorbei. Einen kleinen Abhang nach unten. Der Polizist leuchtet ihr mit der Taschenlampe hinterher. Max springt aus dem Auto, zieht die Ceská aus dem Hosenbund. Der Kopf auf der anderen Seite des Autodachs dreht sich zu ihm. Max schießt mitten in ihn hinein. Der Polizist klappt einfach weg. Trotzdem Blutspritzer auf dem Autodach. Dann dreht sich Max zum Polizeiauto und schießt mehrmals dorthin, wo der andere Beamte sitzen muss. Sehen kann er ihn nicht. Die Frontscheibe splittert. Blut sprüht ans Glas. Treffer. Kira stolpert über ein Feld. »Bleib stehen, blöde Kuh!«, ruft ihr Max hinterher. Kira bleibt stehen. Stocksteif in der Landschaft. Sie spürt, dass die Dunkelheit sie zerquetschen möchte. Das Atmen macht ihr Mühe. Als würde die Lunge langsam zukleben, weil sich etwas Fettes, Ekliges hineinpresst. Sie dreht sich nicht um. Sie dreht sich auf keinen Fall um. Max rennt zum Polizeiauto. Er rechnet damit, dass er noch einmal ballern muss. Wahrscheinlich ist es schwieriger, einem jammernden Schwerverletzten ins Gesicht zu schießen als einem Typen, der sich noch aktiv wehrt. Zum Glück ist der Bulle fertig. Die Schusswunden schauen nicht so spektakulär aus wie in einem Quentin-Tarentino-Film. Der Kopf ist noch dran. Trotzdem ekelhaft die Sauerei. Das Blut. Das Gewebe. Ein armseliges Polizistenleben im ganzen Fahrzeuginneren verteilt. Max fischt den Führerschein und die Fahrzeugpapiere aus der Blutlache zwischen den Beinen des toten Polizisten. Er ist froh, dass er wegen der Kälte Handschuhe trägt. Er steckt die blutverschmierten Dokumente in die Jackentasche. Hinterher muss ich alles vernichten, denkt Max. Die Jacke. Die Handschuhe. Die Papiere. Ich werde behaupten, sie wurden mir mit meinem Geldbeutel gestohlen. Max schaut auf das Armaturenbrett unter der zerborstenen Windschutzscheibe und atmet durch. Keine Kamera. Sehr gut. Sie sind noch nicht so weit, Robocop überall in die Provinz zu schicken. Keiner, der schon jetzt Bilder in der Einsatzzentrale auswertet. Und keiner, der einen Drohnenangriff befiehlt. »Komm endlich her, Kira!«, brüllt Max. Kira rührt sich nicht. Sie steht mit dem Rücken zu Max wie eingefroren auf dem schneebedeckten Feld und starrt in die Dunkelheit. Max rennt zu ihr und rüttelt sie. Selbst durch den Anorak kann er spüren, wie verspannt sie ist. Sie dreht sich zu ihm und sofort explodieren Tränen aus ihr. Mit den Fäusten trommelt sie auf seine Brust. Max packt ihre Handgelenke und zerrt sie daran zurück zum Auto. »Nicht drauftreten«, sagt Max. Kira muss einen Schritt über den am Boden liegenden Polizisten machen, als sie wieder einsteigt. Max startet das Auto. Niemand verfolgt sie. Durchatmen. »Bonnie und Clyde«, sagt Max, während sich der Conan-Soundtrack auftürmt. Nachdem Max auf der...