Stamm | Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 287 Seiten, Gewicht: 441 g

Stamm Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung


1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-8463-3412-6
Verlag: UTB
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 287 Seiten, Gewicht: 441 g

ISBN: 978-3-8463-3412-6
Verlag: UTB
Format: EPUB
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Wie früh sollen Kinder heute «gebildet» werden? Das vorliegende Überblickswerk liefert zu dieser aktuellen und emotional diskutierten Frage sachliche und umfassende Informationen. Im Mittelpunkt stehen Themen wie die kognitive, emotionale und soziale Entwicklung des jungen Kindes, die Bedeutung und Qualität familienergänzender Betreuung, was frühkindliche Bildung im späteren Leben des Kindes bewirkt und ob deshalb eine frühere Einschulung als bisher üblich angezeigt ist.

Prof. Dr. Margrit Stamm ist eine schweizerische Erziehungswissenschaftlerin und emeritierte Professorin für Erziehungswissenschaften an der Université de Fribourg.
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Einleitung 11
Schwerpunkt I
Grundlagen 17
1 FBBE: Was sie meint und was sie leisten soll 19
1.1 Was ist FBBE? 19
1.2 Was soll FBBE leisten? 21
2 Internationale Entwicklung 25
2.1 FBBE-Systeme 25
2.2 FBBE-Forschung 32
3 Kognitive, soziale und emotionale Entwicklung 37
3.1 Kognitive Entwicklung 37
3.2 Soziale und emotionale Entwicklung 52
3.3 Entwicklungs- und Sozialisationsrisiken 63
3.4 Zusammenfassende Bilanz 65
4 Individuelle und kulturelle Unterschiede 67
4.1 Unterschiede in den kognitiven Fähigkeiten und im Wissen 67
4.2 Unterschiede in der körperlichen und motorischen Entwicklung 75
4.3 Sozioökonomische und kulturelle Unterschiede 77
4.4 Interkulturelle Bildung und Erziehung 82
4.5 Zusammenfassende Bilanz 84
5 Familie und familienergänzende Betreuung 87
5.1 Die Familie als System .87
5.2 Eltern, ihre Bedeutung und ihre Erziehungsstile .89
5.3 Familienergänzende Betreuung und Bildung 92
5.4 Eltern- und Familienbildung 95
5.5 Zusammenfassende Bilanz 97
Schwerpunkt II
Angebote, Qualität und Professionalität 99
6 FBBE: Das Was und das Wie . 101
6.1 Konzepte frühkindlicher Bildungsarbeit 102
6.2 Bildungspläne 112
6.3 Die Messung von Kompetenzen auf der Basis von Bildungsplänen 119
6.4 Strategien frühpädagogischer Bildungsförderung 136
6.5 Zusammenfassende Bilanz 145
7 Qualität (in) der FBBE 149
7.1 Konzepte von Qualität in vorschulischen Angeboten 150
7.2 Qualität messen und beurteilen 152
7.3 Lernen anregen, herausfordern, vermitteln: Erfolgreiche Pädagogische Strategien 161
7.5 Best Practice: Das High/Scope Perry Preschool Project 171
7.6 Zusammenfassende Bilanz 175
8 Pädagogische Professionalität 179
8.1 Professionalität 179
8.2 Denken und Überzeugungen des Vorschulpersonals 183
8.3 Zur Ausbildung des Personals 185
8.4 Zusammenfassende Bilanz 189
Schwerpunkt III
FBBE und ihre Wirksamkeit 191
9 Auswirkungen familienergänzender Frühförderung 193
9.1 Wie viel Mutter braucht das Kind? . 193
9.2 Auswirkungen frühkindlicher Förderprogramme auf den Schulerfolg 205
9.3 Zusammenfassende Bilanz 213
10 Zum volkswirtschaftlichen Nutzen von FBBE 215
10.1 Die Gesamtproblematik 215
10.2 Zur Rolle des Staates 217
10.3 Zum volkswirtschaftlichen Nutzen frühkindlicher Bildung 218
10.4 Zusammenfassende Bilanz 224
Schwerpunkt IV
FBBE und ihre Diskurse 225
11 Bildung und/oder Betreuung? 227
11.1 FBBE im historischen Kontext . 228
11.2 Die Dichotomie «Bildung versus Betreuung» . 229
11.3 Bildung und Betreuung in der Praxis 230
11.4 Zusammenfassende Bilanz 232
12 Je früher und intensiver, desto besser? . 235
12.1 Problematik 237
12.2 Historische Konzepte 238
12.3 Konzeptionen des Kleinkindes im Blickwinkel der Akzeleration . 242
12.4 Aktuelle Forschungserkenntnisse 243
12.5 Risiken einer Frühförderung 245
12.6 Zusammenfassende Bilanz 249
13 Frühere Einschulung 253
13.1 Grundlagen der Problematik 254
13.2 Von der Schulreife zur Schulfähigkeit 255
13.3 Einschulungsalter international . .. 256
13.4 Empirie 258
13.5 Bedingungen für eine erfolgreiche Früheinschulung 262
13.6 Zusammenfassende Bilanz 266
Anhang 269
Literaturverzeichnis 271


Einleitung
Im 20. Jahrhundert wurde die Kindheit als eigenständige Lebensphase mit speziellen Entwicklungsbedingungen und Ansprüchen entdeckt. Erstmals wurden Rechte der Kinder formuliert, in der UN-Kinderrechtskonvention fixiert und ihre weltweite Durchsetzung angestrebt. Eines dieser Rechte ist das Recht des Kindes auf Bildung. Im Zuge der globalisierten Wirtschaft und ihren neuen Herausforderungen ist Bildung zur zentralen Ressource geworden, die ihr Potenzial im internationalen Wettbewerb unter Beweis stellen soll. Im Zusammenhang mit länderübergreifenden Schulleistungsstudien wie TIMMS und PISA haben deshalb viele Länder ihre Bildungssysteme überprüft und neu reguliert. In diesem Kontext und als Konsequenz von neuen Forschungserkenntnissen aus den Neurowissenschaften sowie der Entwicklungs- und Familienpsychologie wird die frühe Kindheit zunehmend als bedeutsame Phase in der individuellen Bildungsbiografie eines Menschen erkannt und als erster Schritt im Prozess des lebenslangen Lernens begriffen. Das internationale Interesse manifestiert sich denn auch in einem starken Anstieg der Bildungs-, Integrations-, Betreuungs- und Erziehungsarbeit in diesem Sektor (vgl. dazu auch die beiden Starting-Strong-Berichte der OECD von 2001 und 2006).
Diese Entwicklung trifft die Pädagogik relativ unvorbereitet, hat sie doch bislang die frühe Kindheit vernachlässigt. Wohl gibt es eine ausgedehnte Kindheitsforschung, doch hat das Thema Kindheit vor dem Schuleintritt noch wenig Tradition. Deshalb stehen noch wenig Antworten auf Fragen zur Verfügung, die Auskunft darüber geben, was frühkindliche Bildung ist, wie sie mit Betreuung und Erziehung verknüpft ist, wozu sie dient und mit welchen Inhalten sie versehen werden soll. Sie ist noch weitgehend eine Black Box. Angesichts der im gesamten deutschen Sprachraum entwickelten oder in Entwicklung begriffenen Bachelor- und Masterstudienprogramme im Bereich der frühen Kindheit sowie der verstärkten Etablierung von privat und staatlich verantworteten Betreuungs- und Bildungsangeboten wiegt dieser Mangel doppelt. Dazu kommt die große Meinungsvielfalt von Bildungs- und Sozialpolitikern. In den aktuellen medialen Diskursen äußert sie sich in unterschiedlichen, häufig ideologisch gefärbten Facetten, welche eine Unterscheidung von wissenschaftlich geprüften Erkenntnissen erschweren. Was uns somit mangelt, ist eine wissenschaftsbasierte, ideologiefreie Auseinandersetzung mit der Thematik.
Warum jedoch hat die frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE) eine so große Bedeutung erlangt? Zum einen aufgrund der Wissensexplosion in der Entwicklungspsychologie, den Neurowissenschaften und der Lehr-/Lernforschung, welche den ungeheuren Enthusiasmus und die Lernkompetenz junger Kinder ins gesellschaftliche Bewusstsein gerückt hat. Zum anderen sind es aktuelle bildungs- und gesellschaftspolitische Herausforderungen, welche die Brisanz der Thematik unterstreichen und sie nicht lediglich als Modeerscheinung deklassieren. Die Bedeutung von FBBE lässt sich vierfach legitimieren:
• Die ersten Lebensjahre sind die kritischste Phase für die Entwicklung eines Kindes. Dies gilt in sozialer, emotionaler und intellektueller Hinsicht. In der frühen Kindheit wird ein wichtiger Grundstein für den späteren Bildungs- und Lebenserfolg gelegt. Was hier unterlassen wird, kann später nur mit großem Aufwand aufgeholt werden. Die ersten fünf Lebensjahre sind eine Zeit enormen Anwachsens linguistischer, sozialer, emotionaler und motorischer Kompetenzen. Schon ab Geburt lässt sich dieser Kompetenzerwerb bei einem gesunden Kind beobachten, wenn es die Umgebung auszukundschaften beginnt, zu kommunizieren lernt und Ideen darüber konstruiert, wie die Dinge in seiner Umgebung ablaufen.
• Die Lerngeschwindigkeit eines jungen Kindes ist jedoch davon abhängig, inwiefern seine Neugier auf ein engagiertes, sensibles und förderliches Umfeld trifft. Der Aufwachskontext beeinflusst seine Entwicklung, seine Lern- und Bildungsprozesse in einem großen Ausmaß. Sollen junge Kinder somit Bildungsangebote annehmen können, müssen sie in gut entwickelte Beziehungsstrukturen eingebettet sein. Für den Aufbau einer allgemeinen Bildungsbereitschaft ist es deshalb besonders wichtig, dass ein Kind soziale Beziehungen sowohl in seiner Herkunftsfamilie als auch in seinem weiteren Umfeld pflegt und sich in diesem Beziehungsraum geborgen und emotional sicher fühlen kann. Deshalb kommt in den ersten Lebensjahren nicht nur Betreuungs-, sondern auch Bildungsprozessen eine grundlegende Bedeutung zu. Dies gilt sowohl für Kinder mit förderlichem als auch mit ungünstigem familiärem Hintergrund. Für diese Kinder gilt es jedoch ganz besonders.
• Insbesondere in Deutschland und der Schweiz sind Bildungschancen stark durch die soziale Herkunft bestimmt. Kinder aus unterprivilegierten, bildungsfernen Familien haben bereits beim Eintritt in den Kindergarten nicht die gleichen Chancen wie privilegiert und bildungsnah auf wachsende Kinder. Die Förderung muss deshalb bereits in den ersten Lebensjahren einsetzen. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil viele Längsschnittstudien aufzeigen, dass sich Leistungspositionierungen von Kindern über die Schuljahre hinweg nicht wesentlich verändern: Wer beim Schuleintritt vorne liegt, wird diese Position wahrscheinlich auch am Ende der Schulzeit innehaben, wer sie mit Defiziten beginnt, wird in den nachfolgenden Schuljahren mit Auf holen beschäftigt sein. Deshalb gilt: Je besser die frühen Jahre für FBBE genutzt werden, desto chancengerechter können Potenziale entdeckt, Defizite erkannt und allen Kindern gerechtere Startchancen für ihre nicht voraussehbare Zukunft gegeben werden.
• Das heute veränderte Rollenverständnis zwischen den Geschlechtern erhöht die Nachfrage nach außerfamiliären Betreuungsangeboten. In allen deutschsprachigen Ländern bestehen jedoch nach wie vor große und ungelöste Herausforderungen, Familie und Beruf ökonomisch und qualitativ verträglich zu vereinbaren. Dazu kommt, dass hochwertige Ausbildungen von jungen Frauen und Männern zu individuellen und volkswirtschaftlichen Verlusten führen, wenn ein Elternteil aus dem Berufsleben ausscheidet.
Was versteht man nun unter frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung? Diese Frage als Erstes zu beantworten ist zentral für die Lektüre dieser Publikation und das in ihr entfaltete Verständnis. Denn aktuell gibt es in allen deutschsprachigen Ländern, insbesondere in der Schweiz, einen relativ vehementen Widerstand gegenüber dem Ansinnen, die «Bildung» in der frühen Kindheit zu verankern. Nicht selten wird sie sogar als einer glücklichen Kindheit abträglich erachtet. Der Grund für diese Ablehnung liegt hauptsächlich darin, dass unter frühkindlicher Bildung die Vorverlegung schulischer Inhalte in den bis anhin bildungsfreien Vorschulraum verstanden wird. Frühkindliche Bildung ist jedoch etwas anderes. Sie meint die Anregung aller Kräfte eines Menschen, damit sie sich entfalten können, eine tätige Aneignung der Welt erlauben und zu einer selbst bestimmenden Individualität führen (vgl. dazu auch von Hentig, 1996). Diese kindliche Aneignungstätigkeit entspricht dem angeborenen Drang des Kleinkindes, selbsttätig zu sein, zu erkunden, zu beobachten, zu fragen und zu kommunizieren, sich Wissen anzueignen und sich ein Bild von der Welt zu machen. Solche Aneignungstätigkeiten sind jedoch auf die Unterstützung einer anregungsreichen, liebevollen und beschützenden Umwelt angewiesen. Dies ist die Aufgabe der frühkindlichen Betreuung. Sie umfasst die Einbindung in eine Gemeinschaft und die altersangemessene Pflege und Versorgung des Kindes, um seine elementaren physischen und psychischen Bedürfnisse zu stillen. Erziehung schließlich, die auf Bildung zielt und sich auf Betreuung abstützt, meint die bewusste Gestaltung der Umwelt des Kindes und die Interaktion mit ihm, um erwünschte Verhaltensweisen zu fördern und unerwünschte zu vermeiden oder zu korrigieren.
Frühkindliche Bildung und Betreuung gehören damit immer zusammen und bilden mit der Erziehung zusammen das Kürzel «FBBE». Dass für die vorliegende Publikation dieser Begriff gewählt worden ist, hat seinen Grund in der internationalen Gepflogenheit, von «Early Education» zu sprechen. In der internationalen Perspektive umfasst «Education» traditionellerweise sowohl Bildung als auch Betreuung und Erziehung. In der Vergangenheit ist zwar verschiedentlich versucht worden, andere Begriffe zu finden. So verweist Hayes (2007) auf die Wortschöpfung «educare», mit der versucht wurde, eine Balance zwischen den beiden Begriffen herzustellen und einen Zugang zu Bildung zu beschreiben, der eine entwicklungsangemessene Mischung von Betreuung («care») und Bildung («education»), von Stimulation und Pflege, offeriert. Obwohl sich der Begriff bis heute nicht durchgesetzt hat, zeigt er zumindest, wie «care», also Betreuung, rekonzeptualisierbar wird, sodass sie gleichwohl mit Bildung in die frühkindlichen Prozesspraktiken eingeordnet werden kann.
Die Elemente von FBBE zusammenzudenken, ist jedoch nur die eine herausfordernde Seite der Medaille. Die andere Seite liegt darin, sie auch strukturell-organisatorisch zusammenzubringen. Diese Forderung formuliert die OECD in ihrem Bericht Starting Strong II von 2006, der von einem einheitlichen Vorschulraum ausgeht, in dem Betreuungs- und Bildungsfunktion miteinander verzahnt sind. Trotz solcher Forderungen ist der Gedanke einer «Bildung von Anfang an» in allen deutschsprachigen Ländern noch nicht selbstverständlich. Spezifisch für die Schweiz liegt die große Herausforderung darin, dass die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK)...


Stamm, Margrit
Prof. Dr. Margrit Stamm ist eine schweizerische Erziehungswissenschaftlerin und emeritierte Professorin für Erziehungswissenschaften an der Université de Fribourg.



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