E-Book, Deutsch, 250 Seiten, Format (B × H): 204 mm x 125 mm
Reihe: Edition Blau
Supino Spurlos in Neapel
1. Auflage 20221
ISBN: 978-3-85869-968-8
Verlag: Rotpunktverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Roman
E-Book, Deutsch, 250 Seiten, Format (B × H): 204 mm x 125 mm
Reihe: Edition Blau
ISBN: 978-3-85869-968-8
Verlag: Rotpunktverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Was wäre in Neapel aus ihm geworden, in der Stadt seiner Eltern? Als Kind plagte ihn die Angst, die Schweiz und alle seine Freunde verlassen zu müssen. Darum war es für ihn wie eine Befreiung, als 1980 in Süditalien die Erde bebte und innerhalb von neunzig Sekunden die Rückkehrpläne der Eltern in Schutt und Asche lagen.
Nach dem Tod des Vaters, viele Jahre später, begibt sich der Erzähler auf Spurensuche nach Neapel, eine Stadt, deren Sprache er spricht, deren Gesetze ihm aber fremd sind. Auf einer Restaurantterrasse mit Blick auf den Golf von Neapel hört er zum ersten Mal den Namen Antonio Esposito. Ein Allerweltsname, aber dieser Antonio Esposito ist anders, ist ein gestohlenes Migrantenkind aus Westafrika, das in einen Camorra-Clan aufgenommen wurde, eine kriminelle Karriere machte und dann spurlos verschwand.
Das mögliche Schicksal des schwarzen Camorrista lässt den Erzähler nicht mehr los. Immer wieder kehrt er nach Neapel zurück, sieht sein verpasstes Leben mehr und mehr in dem von Antonio verwirklicht. Aber was ist aus Antonio geworden? Ist er tot? Hat er eine neue Identität angenommen? Oder lebt er im hoffnungslos überfüllten Castel Volturno als Namenloser unter Tausenden von afrikanischen Migranten?
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Mein Trumpf war, sagte ich mir, wenn ich Neapolitaner im Alter meines Vaters ansprach, dass ich ?die Sprache reden konnte, die ich zu Hause gelernt hatte – ein Neapolitanisch der Nachkriegszeit, das, außer den Alten, keiner mehr benutzt.
Die Männer schauten mich in die Sonne blinzelnd an.
»Esposito?«, sagte endlich einer. »Wir sind alle Espositos. Im ganzen Rione gibt es nur Espositos!«
Sie lachten.
Drei Alte saßen auf einer Parkbank, der vierte stand in Hörweite, auf einen Stock gestützt.
Der Alte links auf der Bank hielt ein Museumsstück von Transistorradio auf seinem Schoß. Er hatte die Antenne ausgezogen und drehte am Empfänger. Aus den Lautsprechern knisterte und quietschte es unangenehm. »Gibt es denn heute keine Spiele?«, fragte er unzufrieden.
»Antonio Esposito, genannt o’Nirone«, insistierte ich, zu den beiden anderen gewandt. »Er ist doch hier aufgewachsen?«
»O’Nirone!«
»O’Nirone.«
»O’Nirone?«
»O’Nirone …«
Der Reihe nach wiederholten alle vier den Namen mit ihren unterschiedlich tiefen Stimmen, als ließe er sich dadurch vergegenwärtigen. Erst tags darauf bei Antonella verstand ich wirklich, was man hier mit diesem Namen verbindet. So etwas Ähnliches wie ganz Neapel mit dem Namen Maradona. Einer, der kommt und ein Wunder schafft.
»Eccome ce lo ricordiamo. Und wie wir uns an ihn erinnern.«
»Era la speranza! Er war die große Hoffnung!«
»Und was ist aus Antonio geworden?«, fragte ich.
Schweigen.
»Wenn wir das wüssten!«