Ury | Das graue Haus (Kinderklassiker) | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 236 Seiten

Ury Das graue Haus (Kinderklassiker)


1. Auflage 2016
ISBN: 978-80-268-6927-6
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 236 Seiten

ISBN: 978-80-268-6927-6
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dieses eBook: 'Das graue Haus (Kinderklassiker)' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Else Ury (1877-1943) war eine beliebte deutsche Schriftstellerin und Kinderbuchautorin. Urys Schaffen beschränkt sich auf Prosa: Kinder- und Jugendgeschichten und -romane. Die Abenteuer, die Else Ury ihre Helden in ihren Erzählungen erleben lässt, haben häufig eine für den Leser sehr erheiternde Seite. In dem noch vor dem Ersten Weltkrieg erschienenen Roman Das graue Haus besteht eine der entehrendsten Demütigungen, die eine der drei Heldinnen erleidet, darin, dass sie als Hausangestellte ihr Geld selbst verdienen muss. Aus dem Buch: 'Heute sind sie glückliche Frauen und zärtliche Mütter, die ihre Kinder mit all der Liebe umgeben, die sie selbst in ihren Mädchenjahren entbehren mußten. Das Leben hat uns auseinander geführt, die wir einst gar treulich zusammengehalten. Aber wenn ich auf meiner alljährlichen Bergfahrt in jene bierfröhliche Stadt Süddeutschlands einkehre, in welche ein freundliches Geschick die drei Schwestern verschlagen hat, dann gibt das ein Freuen und Fragen ohne Ende. Dann kommt Frau Marlene mit ihrer schlanken Dirn, die gerade so schüchtern und träumerisch aus den Blauguckerln schaut, wie es einst ihr Mütterlein getan. Dann reiten Frau Lottes Prachtbuben hü und hott auf meinem Knie, und Frau Hannis Nestküken hängt dem 'Tanteli' schmeichelnd am Halse...'

Ury Das graue Haus (Kinderklassiker) jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Klasse I B
Inhaltsverzeichnis Graue Tage folgten. Gleich am nächsten Morgen, als Frau Tann schon um sechs Uhr mit spitzem, knöchernem Finger gegen die Verbindungstür pochte, und »Aufstehen – 's ist höchste Zeit!« hineinrief, begann die Pein. Lotte hatte zwar ziemlich ausgeschlafen; aber da sie erst um acht in der Schule sein mußte, war es gegen ihre Grundsätze, auch nur eine Sekunde vor drei Viertel sieben aufzustehen. Marlene wiederum hatte jeden Morgen einen neuen Kampf mit sich selbst auszufechten, ehe sie sich entschließen konnte, das warme Bett zu verlassen. Hanni endlich lag in traumlos festem Kinderschlaf. »Soll ich die ganze Arbeit etwa allein machen?« Frau Tann, griesgrämig wie der schwarze Novembermorgen draußen, erschien in der Nachtjacke auf der Bildfläche, mit dünnem Haarzöpfchen und merkwürdig eingefallenem Munde. »Na, wird's bald? Was guckst du mich denn an wie die Katze den Kaiser?« fuhr sie Lotte an, die sie mit ungeheurer Verwunderung betrachtete. Wo hatte Frau Tann denn bloß ihre wunderschönen weißen Zähne? Ehe Lotte indessen hinter dieses Rätsel gekommen war, fühlte sie bereits das Deckbett aufgeschlagen, und ohne auf den empörten Widerspruch des Backfischchens zu achten, zog Frau Tann es vollends aus den Federn. Dann spielte sich das gleiche mit der noch viel entsetzteren Marlene ab, die nicht anders glaubte, als der Böse habe sie plötzlich beim Wickel. Klein Hanni aber wurde von Lotte inzwischen vor Frau Tanns kräftigem Griff gerettet. Laut gähnend ging man ans Ankleiden. »Marlene brüht den Kaffee, halbvoll den Topf – Lotte bürstet die Kleider und putzt die Stiefel – Hanni deckt den Kaffeetisch; beeilt euch!« rief Frau Tann aufs neue. »Rrrrrr – so 'ne Quälerei – rrrrrr – wir sind doch keine Dienstboten!« Lotte hätte sich vor Ärger beinahe beim Mundspülen verschluckt. Marlene war noch viel zu müde, um irgendwelche auflehnenden Empfindungen zu haben. Mit gläsernen Augen stand sie am Herd, goß den Kaffee auf und kochte die Milch ab. Sie goß und goß, ohne zu sehen, daß der Topf längst voll war. Was lief denn da so heiß an ihrem Kleide hinunter? Himmel, sie stand bereits in einem bräunlichen Kaffeeteich! Ein scheuer Blick über den Gang – Frau Tann teilte gerade Hanni im Eßzimmer mit, daß Ordnungssinn die Haupttugend eines Mädchens sei – dann wurden flink die Fliesen aufgewischt und die Hälfte des Mokkas in den Ausguß befördert! Marlenchen atmete auf. Aber da nahte schon wieder die Tücke des Schicksals. Ein scharfbrenzliger Geruch machte sich bemerkbar. Es zischte und wallte in der Milchkasserolle; in unternehmungslustigen Blasen und Bläschen sprang der weiße Schaum über den Rand in die weite Welt hinein. Marlene aber stand wie vom Donner gerührt und sah dem merkwürdigen Schauspiel, ohne eine Hand zu rühren, mit müde blinzelnden Augen zu. Lotte, die auf der Hintertreppe an der Küchentür des Großonkels Stiefel bearbeitete, eilte bei dem durchdringenden Duft herbei, die Wichsbürste in der Hand. »Menschenkind!« Das war alles, was sie hervorstieß; dann riß sie die Milch vom Feuer und lief mit der ziemlich geleerten Kasserolle spornstreichs zur Wasserleitung. Hier ergänzte sie den Verlust aufs großmütigste. »Niemand merkt es,« tröstete sie die unpraktische Marlene, stieß das Fenster auf und half auch die letzten Spuren beseitigen. »Alle guten Geister!« Sie hatte ja ihre Mappe noch nicht gepackt! Marlene war natürlich gestern nicht eher ins Bett gegangen. Schnell holte sie ihren Bücherriemen auf den Treppenflur hinaus, denn eine Schulmappe war in der ersten Klasse verpönt. Zeichenstunde war ja auch heute; hatte sie denn überhaupt einen Bleistift? Einen Stiefel über die Hand gestreift, machte sie sich an eine eingehende Untersuchung ihres nicht gerade musterhaften Federkastens. Dabei merkte sie nicht, daß der Radiergummi entsprang und sich heimtückisch in des Großonkels Stiefel einquartierte. Nun waren noch dessen Hosen und Rock auszuklopfen. Lotte schlug auf die unschuldigen Kleider los, als ob sie allen Ärger an ihnen auslassen wollte. »Ich werde hier ganz bestimmt schlecht,« dachte sie dann kummervoll bei sich selbst und begann den Rock sanft und ehrerbietig mit der Bürste zu streicheln. »Kinder, kommt Kaffee trinken, sonst versäumt ihr die Schule!« Frau Tanns Stimmung klärte sich in gleichem Verhältnis auf wie die zunehmende Tageshelle draußen. Auch ihr äußerer Mensch gab jetzt neugierigen Backfischaugen keinen Grund mehr zum Staunen. »Marlene, für Frühlingsgefühle ist es schon viel zu spät im Jahr« – sie schloß kopfschüttelnd das weitgeöffnete Küchenfenster – »pst, Kinder, pst – ganz leise – der Onkel schläft noch!« »Das ist das Vernünftigste, was er tun kann,« dachte Lotte wieder nicht sehr ehrerbietig, und auch Marlene und Hanni begrüßten die Botschaft mit erleichtertem Herzen. »Viel vom Kochen scheinst du nicht zu verstehen, Marlene.« Frau Tann musterte die hellbraune Flüssigkeit mit zweifelhaften Blicken. Aber Lotte behielt recht; die kleine Mogelei wurde nicht bemerkt. »Nicht mal Butter, und die Semmel ist zäh wie altes Leder,« knurrte das unzufriedene Backfischchen schon wieder. Es stopfte und würgte noch an seinem Gebäck, als die anderen schon in Hut und Mantel waren. »Mach schnell, Lotte, wir kommen zu spät,« drängten die Schwestern. »Das ist mir ganz wurscht!« Der rangenhafte Berliner Ausdruck ließ sie plötzlich an ihr Frühstücksbrot denken. »Wir haben ja noch gar kein Frühstück; ohne Stullen kann ich doch nicht in die Schule gehen.« Die Mappe schien ihr zum Schulbesuch weniger notwendig als das Frühstücksbrot. Frau Tanns Gesicht wurde lang und länger; daran hatte sie noch gar nicht gedacht. Jetzt wurde bestimmt ihrem Brot der Garaus gemacht. Und wie das in die Butter ging, so dünn sie dieselbe auch aufzustreichen bemüht war. Sie mußte mit Herrn Grimm wegen Erhöhung des Wirtschaftsgeldes sprechen, wenn er auch noch so böse wurde! Endlich konnte Lotte mit ihren in Zeitungspapier gewickelten Broten hinter den Schwestern herjagen. An der Ecke hörte Lotte bereits die eherne Zunge der Liesenschule, die ihre säumigen Kinder rief. Schnutke, der kleine, wohlbeleibte Schuldiener, der den Glockenstrang zog, flüsterte ihr mit gutmütigem Lächeln zu: »Flink, Freileinchen, machen Se schnell; ick bimmele noch 'n bisken, bis Se oben sind.« Aber er konnte es trotz seines ohrenzerreißenden Läutens nicht hindern, daß Doktor Wenzel bereits die I B-Klasse betreten hatte. Lotte hängte ihre Sachen an den Haken und huschte dann lauschend an die Tür. Die Erste betete noch; jetzt durfte man nicht stören. Da – Tritte – ein Schlüsselbund rasselte – das war sicher der Direktor! Wenn der sie hier abpaßte! Lautlos verschwand sie hinter dem langen Mantel, der gerade neben der Tür hing. Die Schritte kamen näher. Lotte schielte durch ein Knopfloch. Richtig, es war der Gestrenge: seine Brillengläser blitzten selbst hier im Halbdunkel. »Weiter – weiter,« drängte Lotte unhörbar, als das Hallen der Schritte auf dem Steinboden plötzlich verstummte. Gerade der Klassentür gegenüber war der Herr Direktor vor dem großen Stundenplan stehen geblieben. Eingehend ließ er seinen Zeigefinger darauf herumspazieren und machte sich Notizen. Das Backfischchen litt Folterqualen. Die Sekunden wurden ihm zu Ewigkeiten; es konnte kaum noch in der gekrümmten Stellung verharren. Aber es wagte keine Bewegung. Der Wintermantel, hinter dem es stak, krabbelte an der Nase, auch roch er abscheulich nach Mottenpulver und – »hatschi – hatschi« – hallte es plötzlich laut aus dem wie ausgestorbenen Gang. Der Direktor tat entsetzt einen Schritt zur Seite; dann aber wandte er sich stirnrunzelnd um. Lotte hielt es nun für das klügste, nachdem sie eben so geräuschvoll ihre Besuchskarte abgegeben hatte, ihr Persönchen ganz und gar folgen zu lassen. Geknickt stand sie vor dem überraschten Herrn. »Das sind ja recht erfreuliche Sachen – Charlotte Elmert, was muß ich sehen?« Der Herr Direktor schnarrte das R noch schärfer als sonst; es ging Lotte durch und durch. Aber so leicht war sie nicht um eine Ausrede verlegen. »Entschuldigen Sie bitte, Herr Direktor, wir wohnen seit gestern bei unserem Großonkel, und da habe ich die Entfernung unterschätzt.« »Und die Schwestern? Die sind mir doch vorhin schon begegnet; wohnen die etwa näher? Charlotte – Charlotte, ich warne Sie! Solch liebe Schülerin, wie mir Marlene ist, ich dulde keine Elemente in meiner Anstalt, welche die Schulordnung nicht innehalten!« Das Schlüsselbund begleitete jedes Wort des Herrn Direktors mit aufgebrachtem Gerassel. »Es soll gewiß nicht wieder vorkommen, Herr Direktor,« bequemte sich das Backfischchen zu versprechen, und erlöst sah es des Gestrengen etwas nach vorn geneigte Gestalt im Konferenzzimmer verschwinden. »Fortsetzung folgt in der nächsten Nummer,« dachte Lotte und pochte an die Klassentür. »Es klopft,« beeilte sich eine der Tür Nahesitzende, froh über die willkommene Störung, zu melden. »So öffnen Sie,« gebot Doktor Wenzel und klemmte den Kneifer fester auf die Nase. Strahlende Mädchengesichter begrüßten Lottes Eintreten; nun kam doch ein bißchen Abwechslung in die einförmige Stunde! Nur Ilse Schwalbe, Lottes beste Freundin, sah erschreckt fragend in ihr gerötetes Gesicht. »O – o –« Doktor Wenzel wiegte bedauernd seinen runden, zierlichen Kopf, zu dem der stattliche...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.