Ury | Lotte Naseweis und andere Schulmädelgeschichten | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 138 Seiten

Ury Lotte Naseweis und andere Schulmädelgeschichten


1. Auflage 2021
ISBN: 978-87-26-88447-0
Verlag: SAGA Egmont
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 138 Seiten

ISBN: 978-87-26-88447-0
Verlag: SAGA Egmont
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Eine lehrreiche und unterhaltsame Sammlung über Themen, die auch heute noch im Fokus stehen. In ihren Kurzgeschichten erzählt Else Ury über das Leben junger Mädchen vor und während der Kriegszeit. Obgleich sie den Heldenmut eines kleinen Mädchens in Österreich beschreibt oder auf lliebevolle und doch direkte Art und Weise Nächstenliebe und Bescheidenheit lehrt, Else Ury bringt in ihrem Werk Werte der Rechtschaffenheit und weitere Tugenden geschickt verpackt auf den Punkt. Egal ob 'Eva das Kriegskind', 'Jungfer Fürwitz' oder 'Kornblumentag' mit ihrer vielseitigen Darstellung der gesellschaftlichen Gegebenheiten fasziniert Ury Jung und Alt.-

Johanna Else Ury ist eine deutsche Kinderbuchautorin, Schriftstellerin und Opfer des Holocaust. Ihre Geschichten richtete sie hauptsächlich an junge Mädchen und vertrat darin das bürgerliche Familien- und Frauenbild. Ihre bekannteste Figur ist die blonde Arzttochter Annemarie Braun, deren Leben in den zehn Romanen mit dem Titel Nesthäkchen behandelt wird.

Ury Lotte Naseweis und andere Schulmädelgeschichten jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Eva, das Kriegskind
Die Mittagssonne blinzelte durch die Tüllvorhänge des breiten Fensters in ein gemütliches Berliner Zimmer hinein. Dort pflegte es stets lustig zuzugehen. Denn drei Blondköpfe sorgten für lebhafte Unterhaltung an dem runden Eßtisch: der langaufgeschossene Sekundaner Herbert, die zwölfjährige Annie, mit dem heimlichen Schalk in den Braunaugen, und Klein-Edith, das siebenjährige Nesthäkchen der Familie. Freilich, seitdem der Vater seine Uniform hervorgesucht hatte und ins Feld gezogen war, ging es nicht ganz so lustig mehr wie früher zu. Der Ernst der Zeit warf einen Schatten auch über die sorglosen Kinder. Herbert war schon reif genug, um die gewaltige Größe des um sein Dasein kämpfenden deutschen Volkes zu verstehen, und widmete seine Kräfte dem Vaterlande als Pfadfinder. Annies Vaterlandspflichten dagegen verkörperte ein grauer Strickstrumpf, der durchaus nicht wachsen wollte. Die durch die Vorhänge lugende Sonne streichelte warm und zärtlich mit ihren Strahlenfingern die eifrig über die Teller geneigten Blondköpfe. Würmer und zärtlicher noch aber war der Mutterblick, der die drei blühenden Kinder umfaßte. Wie sie es sich schmecken ließen! Von dem schmausenden Kleeblatt glitt ihr Blick zu der blitzenden Schüssel, in welcher das Gemüse trotz aller Kraftanstrengung der Jugend noch immer kein Ende nahm. Unwillkürlich mußte Frau Professor Trendler an so manches schmächtige Kindergesicht denken, das ihr in diesen Tagen begegnet war. »Bei uns könnte gut noch eins satt werden,« sagte sie nachdenklich, »ich habe große Lust, mir ein Kriegskind zum Mittagbrot ins Haus zu laden. Auguste kocht stets so reichlich, daß für so ein armes Kleines noch etwas abfällt.« Die Kinder waren sofort Feuer und Flamme für Mutters Vorschlag. Die Jugend gibt und hilft gern, und außerdem reizt das Neue. »Fein, Muttchen – fein – neben mir soll es sitzen.« – »Mir brauchst du dann bloß noch die Hälfte meines sonstigen Mittagbrots zu geben.« So ging es über den Eßtisch hin und her, und das Kriegskind bildete mit einem Male den Mittelpunkt der lebhaften Kinderunterhaltung. In diesem Augenblick riß ein doppeltes Klingelzeichen, das gerade in die »gesegnete Mahlzeit« hineinschrillte, die Kinder aus ihrer Begeisterung. »Tante Asta – das ist bestimmt Tante Asta!« Wie der Wind war das Nesthäkchen zur Tür hinaus, um der Lieblingstante zu öffnen. Tante Asta Frenzen bewohnte in demselben Hause die andere Hälfte des gleichen Stockwerks. Für die Kinder war es jedesmal ein Fest, wenn das doppelte Klingelzeichen erschallte. Nach dem frühen Tode ihres Gatten hatte Tante Asta sich fest an die Familie ihrer Schwester angeschlossen; Theo, ihr einziger Sohn, war mit den Professorkindern zusammen aufgewachsen. Trotzdem er über zwei Jahre älter war als Herbert, verband die beiden eine feste Jungenfreundschaft. Tante Asta war noch immer, obgleich sie schon Ausgangs der Dreißiger sein mochte, eine jugendlich schöne Erscheinung. Ihr sonst blasses Gesicht war heute lebhaft gerötet. Kaum vermochte sie ihrer Erregung Herr zu werden. War etwas mit Vetter Theo vorgefallen? Als richtige kleine Evastochter ließ Annie ihre neugierigen Augen von der erregten Tante flugs zu dem ihr auf dem Fuß folgenden Vetter gleiten. Und was sie hier sah, bestärkte das Schlauköpfchen in der Annahme, daß es da etwas gegeben haben müsse. Theos frisches Jungengesicht war rot wie ein Krebs. Bald fuhr er sich mit der Rechten durch das dichte Haar, bald zupfte er mit der Linken an den paar winzigen Blondhärchen, die man allenfalls durch die Lupe gesehen als künftiges Bärtchen bezeichnen konnte. Was mochte der große Theo nur angestellt haben? Frau Professor, selbst heftig erschrocken beim Anblick ihrer Schwester, hatte inzwischen besänftigend die Hand auf die Schulter der Erregten gelegt. »Asta, liebes Herz, was ist geschehen – was bringt dich so außer Fassung?« fragte sie mit bebender Stimme. Statt jeder Antwort schlug Tante Asta beide Hände vor das Gesicht. Da wandte sich Frau Professor Trendler in jähem Entsetzen an den Neffen. »Theo – was ist? Habt ihr eine Nachricht von meinem Mann erhalten? Ist Onkel Georg – – –?« »Nein – nein, keine Sorge, Tante Emmi«, unterbrach der Oberprimaner beruhigend die angstvolle Frage. »Es handelt sich lediglich um mich. Meine Wenigkeit hat Mutter in solche Aufregung versetzt und diesen Aufruhr in unser friedliches Familienleben gebracht.« »Er will fort, in den Krieg will er! Zur Notprüfung hat er sich heute gemeldet, und dann will er sich sogleich als Freiwilliger stellen. Mein Junge, das einzige, was mir noch geblieben ist, das einzige, wofür ich noch gelebt habe! Ach, womit habe ich solchen Undank verdient!« Frau Astas Schultern bebten in verhaltenem Schluchzen. »Wenn du doch nur glauben wolltest, daß es kein Undank von mir ist, Mutter! Daß ich die zwingende Notwendigkeit in mir fühle, meine Kraft und mein Leben für das Vaterland einzusetzen. Deutschland braucht junge Kräfte. Es ist ringsum von Feinden umgeben, da ist es die Pflicht eines jeden gesunden Menschen, die heimatliche Erde mit dem letzten Blutstropfen zu verteidigen. Hilf du mir doch, Mutter zu überzeugen.« Bittend ergriff der Jüngling beide Hände der Tante. Liebevoll strich Frau Professor Trendler über das Haar der jüngeren Schwester. Ihre Stimme klang weich und mild. »Dein Junge hat recht, Asta, es ist die Pflicht, die ihn hinausruft, Mutterliebe darf ihn nicht davon zurückhalten. Denke an die Tausende und aber Tausende von Müttern, die ihre Söhne in den Kampf ziehen ließen! Denke an unsere Kaiserin, die als leuchtendes Vorbild einer deutschen Frau selbst sechs Söhne hinaussandte, um den Sieg zu erkämpfen. Und habe ich nicht auch mein Liebstes fortgeben müssen, den Vater meiner Kinder? Gott allein weiß, ob er uns heimkehren wird –« Die Stimme wollte der tapferen Frau nicht weiter gehorchen. »Dir ist noch viel geblieben, Emmi.« Tante Asta wies auf die mit erregten Mienen lauschenden Kinder. »Aber mir – der Junge ist mein ein und alles, wenn er von mir geht, bin ich ganz verlassen.« »Nimm dir doch ein Kriegskind, Tante Asta!« Ein helles Kinderstimmchen rief es in die schwüle Pause hinein, die den Worten der Tante gefolgt war. »Dann bist du nicht so allein.« Klein-Edith schmiegte den Blondkopf zärtlich an die Schulter der Tante. »Wen? – was? – ein Kriegskind? – –« Tante Asta sah fragend von der Kleinen zu deren Mutter. »Ich hatte den Kindern soeben meine Absicht ausgesprochen, ein Kriegskind ins Haus zu nehmen«, beeilte sich Frau Professor Trendler zu erklären, um ihre Schwester auf andere Gedanken zu bringen. »Dieser Plan spukt wohl noch in Ediths Köpfchen.« »Ein fremdes Kind? Ich weiß nicht, Emmi, ob du recht daran tust, überlege es dir noch reiflich, man kann nicht wissen, welchen Gefahren du deine eigenen Kinder durch den täglichen Umgang aussetzt«, meinte Tante Asta bedenklich. »Ich glaube, daß es da keiner Überlegung bedarf. In Zeiten der Not soll das Herz und nicht der Verstand den Ausschlag geben«, entgegnete in entschiedenem Ton die Frau Professor. »Wie du willst, Emmi. Aber das ist ja alles so gleichgültig dem einen, Furchtbaren gegenüber – –« Frau Asta hatte sich erhoben. Ihre weitgeöffneten Augen schienen die Wände des Zimmers zu durchdringen, es war, als ob sie die Schrecken des Krieges schaute. »Nicht wahr, du wirst Theo deine Einwilligung nicht vorenthalten, Asta?« Auf den flehentlichen Blick des Neffen versuchte Frau Professor noch einmal ihren sich fast immer bewährenden Einfluß auf die jüngere Schwester. Frau Asta fuhr sich mit der Hand über die Augen, als wollte sie das geschaute Bild mit Gewalt fortdrängen. Alles Blut war aus ihren Wangen gewichen. »Es würde mir ja nichts nützen, wenn ich nein jagte. Ohne meine Einwilligung würde Theo zwar davon zurückstehen, aber er würde nicht nachlassen, mich zu bestürmen, täglich, stündlich, ich kenne doch meinen Jungen, bis ich schließlich mürbe geworden wäre. Dann schon lieber gleich. Und – und ich will auch nicht weniger opferfreudig sein als die anderen deutschen Mütter.« Leise, ganz leise klangen diese letzten Worte. Die Kinder hatten sie gar nicht vernommen. Aber Frau Professor Trendler mußte sie wohl verstanden haben, denn sie drückte einen innigen Kuß auf die bleiche Wange der Schwester. »So ist's recht, meine Asta, dein Theo wird ja gesund wieder heimkehren!« flüsterte sie bewegt. Lautes »Hurra« unterbrach das Zwiegespräch der...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.