Wassermann | Der Partisan und der SS-Mann | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Wassermann Der Partisan und der SS-Mann

Zwei deutsch-italienische Biografien im 20. Jahrhundert
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-8412-3761-3
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Zwei deutsch-italienische Biografien im 20. Jahrhundert

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

ISBN: 978-3-8412-3761-3
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Zwei Jahrhundertleben zwischen Deutschland und Italien, die kaum unterschiedlicher sein könnten.

Beide liebten Italien, die Lebensart, die Kultur, die Sprache, und waren ausgesprochen italophil. Sie hätten Freunde sein können. Doch der Historiker Eugen Dollmann (1900-1985) und der Literaturstudent Heinz Riedt (1919-1997) schlugen im Zweiten Weltkrieg diametral verschiedene Richtungen ein: Dollmann war einer der höchsten SS-Offiziere im besetzten Italien, Riedt Antifaschist und Partisan.

Der Autor begibt sich auf Spurensuche in Italien und Deutschland und erzählt auch die Nachkriegsgeschichte im geteilten Deutschland. Dollmann, der 'Dolmetscher der Diktatoren', blieb in der Bundesrepublik unbehelligt und biederte sich den Geheimdiensten an. Riedt lebte bis zum Mauerbau in der DDR, übersetzte u. a. Primo Levis Buch 'Ist das ein Mensch?' und verbrachte seine letzten Lebensjahre auf Procida.



Andreas Wassermann, 1962 geboren in Memmingen und aufgewachsen in Ulm, studierte sieben Semester Geschichte, Germanistik und Politikwissenschaften in Hamburg, ab 1988 Volontariat bei der selbstverwalteten Wochenzeitung Hamburger Rundschau. 1990 ging er nach Dresden als Reporter der Dresdner Morgenpost und Korrespondent für die Leipziger Volkszeitung. 26 Jahre lang war er in Dresden, Frankfurt und Berlin Redakteur beim Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Diverse investigative Recherchen führten ihn auch nach Italien. Wassermann wurde 2017 mit dem Deutschen Reporterpreis ausgezeichnet.

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Der Student von Padua


Heinz Riedt


Padua war ein ganz eigener Ort im faschistischen Italien und nach dem Sturz Mussolinis erst recht. In der alten Universitätsstadt hatte sich im Untergrund eine veritable Opposition formiert, bereits als der Faschismus noch seinen Zenit hatte. Antifaschistische Überzeugungen waren nie ganz verschwunden, trotz Repression und Gleichschaltung. Die Kommunistische Partei verfügte seit den 1920er-Jahren über funktionierende Zellen. Die linke Neugründung Azione erhielt großen Zulauf. Vor allem Intellektuelle formierten sich zum Widerstand. Ihre Keimzelle war die Universität. Hier saßen eine ganze Reihe von Antifaschisten auf den Lehrstühlen. Und als Mussolini stürzte, wurde einer von ihnen Rektor der Universität, der Literaturwissenschaftler und Spezialist für mittelalterliches Latein Concetto Marchesi.

Nun war er schon fast ein Dreivierteljahr in der prächtigen oberitalienischen Renaissancestadt, die bisher von alliierten Bombenangriffen verschont geblieben war, Heinz Riedt war 23 Jahre alt und wohnte erst zur Untermiete, dann im Studentenwohnheim in der Via Andrea Vesalio am östlichen Rand der Altstadt. Das Wohnheim wurde in den 1930er-Jahren gebaut, man sieht dem Gebäude noch heute die faschistische Handschrift an. Der Weg zur Uni ist nicht weit, zu Fuß eine Viertelstunde, wenn man nicht hetzt. Der Palazzo del Bo, seit mehr als einem halben Jahrtausend Sitz der Universität, thront in der Stadt wie anderorts Königsschlösser, Dogenpaläste oder Bischofssitze. Das imposante Gebäude mitten in der historischen Altstadt schreit geradezu den Besucher, die Besucherin an: Schaut, hier herrscht Geist, Intellekt, Ratio! Nicht Adlige und Pfaffen bauen die neue Welt, sondern Physiker, Mediziner, Philosophen, Rechtsgelehrte. Bis heute hat der Ort von seiner Faszination wenig eingebüßt. Immer noch sitzt hier der Rektor der Universität, die sich längst über die ganze Stadt ausgebreitet hat. Im Innenhof steht ein Werk des griechischen Künstlers Jannis Kounellis, eine aus Büchern geschaffene Barrikade, eine Arte-Povera-Skulptur zur Erinnerung an den antifaschistischen Widerstand von Universitätsangehörigen.

Im dritten Stock sitzt heute das Gedächtnis der Universität. Hier lagern Manuskripte von Vorlesungen aus mehreren Jahrhunderten, hier liegen alle akademischen Jahrbücher, selbst aus der Zeit, als Padua noch dem österreichischen Kaiser gehörte und Teil der Wiener Monarchie war. Und hier finden sich Akten von Studenten und Studentinnen, die noch exzerpiert und handschriftlich seitenweise Bücher abgeschrieben haben. Studenten, die inzwischen längst nicht mehr leben. Hier entdecke ich auch die vollständige Akte des deutschen Austauschstudenten Heinz Riedt unter der Matrikelnummer 38/8. Er war mitten im Krieg einer von 13 deutschen Nachwuchsakademikern in Padua, elf Männern und zwei Frauen. Riedt war seit dem Wintersemester 1942/43 für Politische Wissenschaften an der Juristischen Fakultät eingeschrieben. In seinem Studienbuch steht, dass er einige Grundkurse besuchte, in Politik, Recht und Wirtschaft, und Vorlesungen unter anderem bei Norberto Bobbio, einem jungen Rechtsphilosophen, Mitglied der Untergrundpartei Azione, Freund des Schriftstellers Cesare Pavese und gerade mal zehn Jahre älter als die Studierenden.

Der Student Heinz Riedt war am 20. August 1919 in Berlin geboren worden, kurz nach dem Sturz des Kaiserreichs, kurz nach der Gründung der ersten deutschen Republik. Ab seinem dritten Lebensjahr lebte er in Neapel und Palermo. Bis er zwölf wurde, wuchs er in Süditalien auf. Sein Vater Oscar Riedt war Konsulatsbeamter im Range eines Regierungsoberinspektors, seine Mutter Elsa Förster stammte aus dem Moselle, einer Grenzregion zwischen Deutschland und Frankreich, die kurz vor Riedts Geburt wieder französisch geworden war. Knapp zwei Jahre bevor die deutschnationale Rechte durch Hitler und seine NSDAP die Republik exekutieren ließ, kehrte die Familie nach Deutschland zurück, nach Oberbayern, in die Nähe von Oberammergau, wo alle zehn Jahre die Kreuzigung Christi mit einem großen Spektakel begangen wird, den Passionsspielen.

Ab März 1931 besuchte Riedt ein altsprachliches Gymnasium, nicht irgendeines, sondern das der Benediktinerabtei in Ettal, wo vor und nach ihm Intellektuelle wie Eugen Roth oder Politiker wie der spätere bayerische Ministerpräsident Max Streibl die Schule besuchten und die fast ein Jahrhundert später von einem Missbrauchsskandal erschüttert wurde. Riedt legte hier 1938 sein Abitur ab. In jenem Schuljahr durfte die Klosterschule keine neuen Schüler mehr aufnehmen. Die Nazis wollten die katholische Einrichtung ausbluten lassen. Drei Jahre später wurde sie geschlossen. Für einen Jungen, der Kunst, Sprachen und Philosophie mochte, ist es ein gutes Abiturzeugnis, aber in einer Zeit, in der die deutsche Jugend auf einen Krieg vorbereitet wurde und ihre männlichen Mitglieder flink wie Windhunde , zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl sein sollten, eher ungenügend: »Der im Turnen früher brauchbare Schüler mußte auf ärztlichen Rat in den letzten zwei Jahren auf sportliche Betätigung verzichten. Auch im Studium war er durch seinen Gesundheitszustand am Einsatz seiner vollen Kraft behindert. Der Jahresfortgang brachte, abgesehen von den mathematischen Fächern, recht erfreuliche Erfolge. Seine schriftlichen Prüfungsarbeiten in Deutsch, Französisch und Naturkunde waren anerkennenswert, die übrigen konnten im Ganzen befriedigen. Die mündliche Prüfung in Physik sicherte ihm auch hier ein genügendes Ergebnis. Mit Vorliebe hat er die neueren Sprachen gepflegt, beachtlich sind seine Kenntnisse im Italienischen. Während seines siebenjährigen Aufenthaltes an der Anstalt hat der ruhige, pflicht- und zielbewußte Schüler stets ein sehr ordentliches Betragen gezeigt.«

Trotz ständiger Kränkelei, Unsportlichkeit und einer verdächtigen Neigung zu romanischen Sprachen erhielt Riedt sein Reifezeugnis. Doch während seine Klosterschulbrüder, ebenfalls das Reifezeugnis in der Tasche, schon eifrig die Knie beugten, Gewehre reinigten, durchluden und abdrückten, Kratziges für drunter (weiß) und für drüber (feldgrau) auf Kante legten und sich von geistig zumeist minderbemittelten Unteroffizieren »den Arsch aufreißen« ließen, machte Riedt erst einmal ein halbjähriges Praktikum in einer Schuhfabrik und schrieb sich für das Wintersemester 1938/39 zum Studium für Staatswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität in München ein. Dort hörte er einen Professor Exner über kriminalbiologische Fragen sinnieren, Professor Frost, wie er die Bedeutung des Bauern in der Volkswirtschaft vermaß, oder Professor Haushofer, der geopolitische Überlegungen zum fernen Osten anstellte. Alles in allem eher kein intellektuelles Feuerwerk, was da, vom Katheder entzündet, schon in der ersten Reihe des Hörsaals verpuffte. Aber wenigstens keine Kniebeugen, kein »Arschaufreißen«. Irgendwie noch zivil.

Doch die Zukunft des Sohnes eines bayerischen Regierungsoberinspektors mit Auslandserfahrung färbte sich dennoch feldgrau. Deutschland hatte den Zweiten Weltkrieg begonnen, Polen und das neutrale Dänemark überfallen, Rotterdam zerbombt und Paris besetzt. Seine Rekrutenausbildung machte er in einem Infanterieregiment in Darmstadt. Er ging an die Heeres- und Luftwaffennachrichtenschule in Halle (Saale), wurde erst zum Französisch-, dann zum Italienischübersetzer ausgebildet. Riedt blieb in der Etappe, in einem Lager für französische Kriegsgefangene in der Nähe von Nürnberg. Dort sollte er die Briefe der Kriegsgefangenen in die Heimat zensieren. Und 1942 wurde er »als zeitlich untauglich« erst mal aus der Wehrmacht entlassen, sodass er sein Auslandsstudium antreten konnte, um das er sich während seines Münchener Studiums mit Erfolg beworben hatte.

Ein halbes Jahrhundert später erzählte...



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