E-Book, Deutsch, 344 Seiten
Weidlich Ich denke, also bin ich... mir im Weg
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-98922-011-9
Verlag: mvg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wie deine Gedanken dein Leben verändern und du anfängst, dir eine neue Geschichte zu erzählen (SPIEGEL-BESTSELLER)
E-Book, Deutsch, 344 Seiten
ISBN: 978-3-98922-011-9
Verlag: mvg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Andrea Weidlich ist »SPIEGEL«-Bestsellerautorin und lebt in Wien. Nach ihrem Wirtschaftsstudium arbeitete sie im Management namhafter internationaler Konzerne. Danach machte sie sich selbstständig als Unternehmensberaterin, entwickelte diverse Kommunikationskonzepte für die Kreativbranche und verfasste als Autorin zahlreiche Kolumnen. Bereits seit ihrer Kindheit schreibt sie Bücher und Theaterstücke und beschäftigt sich intensiv mit der Frage, was Menschen antreibt, glücklich macht und wie sie ihr volles Potenzial leben können. Seit sie 2019 ihr erstes Buch, den Bestseller Der geile Scheiß vom Glücklichsein veröffentlichte, berührt sie zahlreiche Menschen. Auf die Fortsetzung Der geile Scheiß vom Glücklichsein Mein Buch. Mein Leben. folgte ihr drittes Buch Liebesgedöns, danach die »SPIEGEL«-Bestseller Wie du Menschen loswirst, die dir nicht guttun, ohne sie umzubringen und Wo ein Fuck it, da ein Weg. Gemeinsam mit ihrer Cousine führt sie den Erfolgspodcast gusch, baby. Dieser ging im Februar 2018 mit seiner ersten Folge online und erreichte bereits in der ersten Woche Platz 1 in den iTunes-Charts in der Kategorie Gesellschaft & Kultur.
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WAS ZUM FUCKING TEUFEL
Am nächsten Tag schickte uns Adrian immer wieder Fotos von Charly in den Gruppenchat, die sie in etwa folgendermaßen zeigten: Charly traurig. Charly nachdenklich. Charly genervt. Charly wütend darüber, dass Adrian Fotos von ihr in den Chat stellte. Eben Charly, wie wir sie kannten. Und genau das konnte sie derzeit wahrscheinlich am allermeisten gebrauchen: Jemanden, der sie daran erinnerte, wer sie war, um sich nicht selbst zu verlieren.
In gewohnter Adrian-Art schenkte er ihr auf diese Weise seine freundschaftliche Aufmerksamkeit, um sie wie immer ein wenig zu ärgern und gleichzeitig davon abzuhalten, ›einfach auszuwandern und alles hinter sich zu lassen‹, wie sie es zwischendurch im Gruppenchat angedroht hatte. Wir alle wussten, dass Charly das keineswegs bis zum Ende durchgedacht hatte, aber wir wussten auch, dass ihr in Ausnahmefällen alles zuzutrauen war. Genau deshalb war es beruhigend, dass Adrian an ihrer Seite war, der sie vorerst von unüberlegten Kurzschlussreaktionen abhalten würde, die sie vielleicht überhaupt erst in diese Situation gebracht hatten.
Ich wusste zwar immer noch nicht, was genau geschehen war, weil mir die Frage »Was zum fucking Teufel ist eigentlich passiert?« für den Moment eher unpassend vorkam. Ich ging aber davon aus, dass Charly uns früher oder später ohnehin alles erzählen würde, sobald sie dazu bereit war. Ich wartete daher auf die versprochene Nachricht von Paul Goldbach, der aus Erfahrung nicht nur genau wusste, was zu sagen, sondern auch, was zu tun war. Umso erfreuter war ich, als sie einige Stunden später tatsächlich eintraf.
Wie immer hatte ich mit vielem gerechnet, aber was Paul dann schrieb, überraschte mich aufs Neue – und das, obwohl mich Paul Goldbach nun schon viele Male überrascht hatte und ich mich langsam daran hätte gewöhnen können, dass er immer wieder für eine Überraschung gut war.
Paul schickte uns eine Sprachnachricht, in der er uns erklärte, dass er die letzten drei Wochen auf einem Kongress in den USA gewesen war und sich dort alles um die neuesten neurowissenschaftlichen Erkenntnisse und die psychologischen Hintergründe des menschlichen Denkens gedreht hatte. Dabei warf er mit ein paar Fachbegriffen um sich, die ich bereits im nächsten Moment wieder vergessen hatte. Er erklärte uns, dass wir unser Leben maßgeblich durch unsere Gedanken bestimmten und wir uns anscheinend auch immer wieder mit unserem eigenen Verstand im Weg stehen würden, worauf ich heftig nickte, was im Gruppenchat natürlich niemand mitbekam. Alles in allem klang es nach einem Thema, das wohl für den Großteil der Menschheit hilfreich sein konnte, da Denken nicht immer zu den größten Stärken der menschlichen Spezies gehörte. Hingegen zählte exzessives Grübeln – oder Hirnwichsen – wie meine freie Übersetzung dafür lautete – mittlerweile wohl zu einer der verbreitetsten Volkskrankheiten überhaupt.
Ich fragte mich langsam, was dieser Mann eigentlich nicht wusste und wie dadurch sein eigenes Leben verlief. Hatten Therapeuten auch so etwas wie eigene Probleme, die sie mit sich herumtrugen und abends vor dem Einschlafen wälzten, oder lösten die sich irgendwo zwischen Kongressen über Gehirnforschung, der Analyse komplexer Denkprozesse und der Auseinandersetzung mit den Gefühlen anderer Leute vollkommen in Luft auf? Ich überlegte, ihn das bei der nächsten Gelegenheit zu fragen, als er mir auch schon die Gelegenheit dafür lieferte. Paul erzählte nämlich, dass er direkt nach seinem USA-Aufenthalt für eine Vortragsreihe nach Tirol gereist war, wo er in der kommenden Woche sein Fachwissen an andere Dozierende seiner Berufsgruppe in einem Chalet mitten in den Bergen weitergeben würde. Anscheinend war extra ein Fernsehteam angereist, um seine Vorträge aufzuzeichnen – unter ihnen auch ein Produzent, der für das kommende Jahr eine eigene Sendung mit Paul plante –, was in meinem Kopf gleichbedeutend damit war, dass Paul bald berühmt sein würde, was ich im Übrigen für längst überfällig hielt.
Der eigentliche Grund, warum er uns das aber alles erzählte, war, dass es dadurch bereits jede Menge Werbung für das Chalet gegeben hatte und sich die Besitzer deshalb dazu bereiterklärt hatten, Paul für das bevorstehende Wochenende weitere Zimmer zur Verfügung zu stellen, da sie den Betrieb für den Zeitraum der Veranstaltungswoche ohnehin vollständig geblockt hatten. Und da Paul bereits vorgehabt hatte, in den darauffolgenden Tagen die Gegend rund um den Wilden Kaiser zu erkunden, bot er uns an, ein spontanes Wochenende mit ihm in den Bergen zu verbringen, bei dem wir gemeinsam in dem Chalet wohnen und mehr über seine neuesten Erkenntnisse erfahren würden. Es standen uns vier Doppelzimmer zur Verfügung, die wir beliebig belegen konnten. Paul überließ uns die Entscheidung, wer an dem Wochenende dabei sein durfte. Der Produzent würde auch dabei sein, hatte aber bereits sein eigenes Zimmer.
Ich spürte Aufregung in mir. Die gute Aufregung, von der Charly gesprochen hatte und die sie in letzter Zeit in ihrem Leben vermisst hatte. Ich konnte sie in dem Moment spüren. Und als ginge es Charly genauso, folgte auch gleich eine Sprachnachricht von ihr: »Auch wenn das alles beängstigend eng mit meiner derzeitigen Situation und der Tatsache zusammenhängt, dass ich eventuell ein paar Schrauben locker habe, die dringend wieder festgeschraubt gehören, verfüge ich momentan, wie ihr wisst, über kein eigenes Zuhause ... Also hört sich ein Chalet für mich ziemlich gut an – auch wenn ich dadurch die Nervensäge neben mir dann anscheinend nicht so schnell loswerde …«
»Man nennt es auch Undankbarkeit«, antwortete Adrian beleidigt. Immerhin hatte er Charly gerade bei sich zu Hause aufgenommen, weil sie selbst keines mehr hatte. Wer die beiden kannte, wusste aber, dass sie denselben bissigen Humor in ihrer Freundschaft teilten, mit dem sie sich gerne gegenseitig aufzogen und sich diesbezüglich wenig schenkten.
Dass sie dennoch zusammenhielten, wenn es darauf ankam, hatten sie die letzten Tage aber wieder bewiesen. Zumindest Adrian – und ich wusste, dass es bei Charly genauso war. Die beiden gingen miteinander durch dick und dünn, auch wenn sie sich dabei gegenseitig so sehr nervten, als gäbe es kein Morgen.
»Fernsehteams sind am Wochenende aber keine mehr dabei, hoffe ich?«, fragte Rebecca skeptisch.
»Nein, nein, keine Sorge …«, beruhigte sie Paul. »James O’Reilly wird zwar dableiben, aber ohne sein Kamerateam. Vielleicht habt ihr schon mal von ihm gehört: Er ist ein bekannter Film- und Fernsehproduzent, der seine Finger in der gesamten Medienbranche im Spiel hat. Charly, ich glaube, es könnte sehr interessant für dich sein, ihn kennenzulernen. Er kommt ursprünglich aus Irland, hat später seine Jugend in Großbritannien verbracht und ist vor ein paar Jahren nach Deutschland gezogen. Seither produziert er sowohl für den deutschsprachigen DACH-Raum als auch international erfolgreiche Filme und Serien. Ihr könnt euch wirklich alle auf ihn freuen. James ist ein sehr kluger Kopf und hat schon unglaublich viel erlebt. Er hat außerdem Andreas Bücher gelesen und wollte so ein Wochenende auch gern mal persönlich erleben. Du scheinst ihn neugierig gemacht zu haben, Andrea ...«
»Oh wie schön ... das freut mich sehr«, antwortete ich ebenfalls mit einer Sprachnachricht. »Und ich werde später auch gleich Lukas fragen, ob er auch wieder dabei ist!«
»Und ich meine Freundin Zahra, für die wäre das momentan genau das Richtige!«, legte Rebecca nach – was bedeutete, dass sie auch wieder dabei sein würde, worüber ich mich ungemein freute.
»Cleo …, wenn ich es mir so überlege, muss Cleo auch mit!«, rief Charly hinterher. »Auch wenn Adrian hier jetzt gerade wild mit den Augen rollt. Er hat einfach keine Ahnung, was Cleo für ein lieber Mensch ist … Adrian!! Hör auf!« Ich hörte ihn irgendetwas im Hintergrund murmeln, dann meldete sich Charly wieder: »Okay, ich sag euch besser nicht, was er gerade gesagt hat … Ein Zeichen dafür, dass sie unbedingt dabei sein muss!«
»Ich lass mich überraschen«, meinte Paul abschließend. »Ihr habt Platz für sieben Leute. Mit James und mir sind wir dann insgesamt neun. Ich schicke euch noch die genaue Adresse. Das Chalet liegt in Going am Wilden Kaiser und ich verrate nicht zu viel, wenn ich euch sage: Es ist wirklich ganz bezaubernd dort! Wenn ihr es also mit eurer Arbeit einrichten könnt, kommt doch schon am Freitagabend und wir starten dann am Samstag nach dem Frühstück.«
»Welche Arbeit?«, scherzte Charly und gleich darauf war wieder ein Rascheln zu hören. Offensichtlich übernahm Adrian dieses Mal das Handy. »Going am Wilden Kaiser?! Das ist ein Scherz, oder?!«, lachte er. »Na, wenn das nicht...




