E-Book, Deutsch, 320 Seiten
Weis To My Sunflower
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-95762-369-0
Verlag: Lago
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Own-Voice-Autorin verbindet Romance mit Themen wie mentaler Gesundheit, Selbstliebe und dem eigenen Körperbild
E-Book, Deutsch, 320 Seiten
ISBN: 978-3-95762-369-0
Verlag: Lago
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Marie Weis wurde 1999 geboren und lebt aktuell in Bonn zwischen unzähligen Büchern. Die ausgebildete Buchhändlerin liebt es in Geschichten zu versinken, sowohl beim Lesen als auch Schreiben. Wenn sie nicht gerade in gemütlichen Cafés schreibt, schaut sie vermutlich zum zehnten Mal »Pretty Little Liars«, hört Taylor Swift oder wartet sehnsüchtig auf die Weihnachtszeit.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
PLAYLIST
1. Can’t Wait To Be Pretty – Cate
2. Dear Body – Bow Anderson
3. pretty isn’t pretty – Olivia Rodrigo
4. lacy – Olivia Rodrigo
5. jealousy, jealousy – Olivia Rodrigo
6. House With No Mirrors – Sasha Alex Sloan
7. Treacherous (Taylor’s Version) – Taylor Swift
8. this is me trying – Taylor Swift
9. Enchanted (Taylor’s Version) – Taylor Swift
10. Lover – Taylor Swift
11. Fearless (Taylor’s Version) – Taylor Swift
12. Hold Me Closer – Cornelia Jakobs
13. dying on the inside – Nessa Barrett
14. tired of california – Nessa Barrett
15. idontwannabeyouanymore – Billie Eilish
16. Little Me – Little Mix
17. Gaslight – Derik Fein
18. Kreise – Johannes Oerding
19. Ohne Dich (schlaf‘ ich heut Nacht nicht ein) – Münchener Freiheit
20. Envy The Leaves – Madison Beer
21. At Your Worst – Madison Beer
22. Stained Glass – Madison Beer
23. You’re Just A Boy (And I’m Kinda The Man) – Maisie Peters
24. There It Goes – Maisie Peters
25. The List – Maisie Peters
Kapitel 1
Sonnenlicht brach sich im Glas vor mir, verteilte schimmernde Punkte im ganzen Raum und alles, was ich denken konnte, war, wie viel einfacher das Leben doch wäre, gäbe es keine Spiegel. Vielleicht würde ich mir dann nicht so oft Gedanken darüber machen, was an meinem Körper alles falsch war.
Wie jeden Morgen stand ich im Flur, bereit, mich auf den Weg zur Arbeit zu machen, und gleichzeitig so gar nicht bereit, mich unter Menschen zu begeben. Es gab Tage, an denen es nicht ganz so schlimm war. Tage, an denen ich mich nicht komplett unwohl in meiner Haut fühlte. An denen ich das Kinn in die Höhe reckte, anstatt durchgehend auf den Boden zu schauen, in der Hoffnung, mich bei jedem Schritt ein wenig mehr in Luft aufzulösen. Tage, an denen ich aufrechter ging als sonst, an denen ich nicht die Schultern hängen ließ, weil meine Selbstzweifel mich wie Gewichte in Richtung Boden zogen.
Heute war keiner dieser Tage.
Die Mitesser um meine Nase herum vermehrten sich schneller, als ich gucken konnte, der Pickel auf meiner Stirn war natürlich größer statt kleiner geworden und meine Augenringe leisteten beachtlichen Widerstand gegen den Concealer, den ich sorgfältig aufgetragen hatte. Meine türkisfarbenen Haare lagen platt und kraftlos auf den Schultern, während sich einzelne Strähnen rebellisch in die Luft reckten, als hätte ich in eine Steckdose gefasst. Meine Hose spannte über die Speckröllchen meines Bauches, ich fühlte mich aufgebläht, und war mein Doppelkinn eigentlich schon immer so auffällig gewesen? Es gab absolut gar nichts, was sich heute richtig anfühlte, ich konnte mich selbst nicht leiden und am liebsten wollte ich zurück ins Bett kriechen, mir die Decke über den Kopf ziehen und innerhalb meiner vier Wände in Frieden hässlich sein. An jedem anderen Tag hätte ich das vielleicht auch getan, hätte wie so oft aufgegeben und meinen Selbstzweifeln den Vortritt gelassen. Doch heute war das nicht möglich. Heute war der Tag, auf den ich so verdammt lange gewartet hatte, für den ich so hart gearbeitet hatte. Heute durften mein größter Feind, mein härtester Gegner und mein schärfster Kritiker nicht gewinnen. Nur leider war das leichter gesagt als getan, denn all das war ich selbst.
Ich betrachtete die kleinen schwarzen minimalistischen Tattoos, die meine Arme und Beine zierten und über die Jahre wie eine Rüstung für mich geworden waren. Anfangs hatte ich sie einfach schön gefunden, doch irgendwann hatte ich gemerkt, dass sie mich stärker wirken ließen, selbst wenn ich mich alles andere als stark fühlte. Ich holte tief Luft und versuchte, mein wie wild schlagendes Herz zu beruhigen, bevor ich mich endlich dazu aufraffte, die Sicherheit meiner vier Wände hinter mir zu lassen.
»Guten Morgen, mein Herzblatt«, ertönte die gut gelaunte Stimme meiner besten Freundin, als ich die Tür öffnete, und automatisch wanderten meine Mundwinkel nach oben. Ida wartete mit zwei dampfenden Bechern in den Händen auf mich. Ihre langen blonden Locken hatte sie zu einem Knoten hochgesteckt, ein paar Strähnen umrandeten ihr Gesicht. Sie trug dunkelroten Lippenstift, vermutlich Mac Matte Sin, und ihren braunen Lieblingsmantel, den sie bei einem unserer gemeinsamen Flohmarktnachmittage erstanden hatte. Er war etwas zu groß für ihre zierliche Statur, doch Ida füllte ihn mit ihrem Selbstbewusstsein.
»Hast du heute nicht frei?«, fragte ich, nachdem ich sie in eine kurze Umarmung geschlossen hatte, bedacht darauf, nichts zu verschütten.
»Habe ich, aber ich konnte deine nervösen Gedanken bis durch meine Wohnungstür hören.« Sie deutete zu ihrer Wohnung, die direkt gegenüber meiner lag. »Also habe ich beschlossen, eine vorbildliche beste Freundin zu sein und dich mit einem Kaffee zur Straßenbahn zu begleiten.« Sie drückte mir einen der Becher in die Hand.
»Du bist die Beste.« Wärme breitete sich in meinem Brustkorb aus.
»Weiß ich.« Grinsend hakte sie sich bei mir unter, bevor wir gemeinsam das Haus verließen. »Wie aufgeregt bist du auf einer Skala von eins bis zehn?«
»Fünfzehn, mindestens«, murmelte ich.
»Keine Sorge, du hast dich so gut auf das Meeting vorbereitet, wahrscheinlich kennst du Leo Bergers Bücher mittlerweile besser als er selbst«, bestärkte Ida mich.
Ich seufzte. »Ich weiß, ich weiß, und trotzdem mache ich mir Gedanken. Jeder in der Agentur weiß, dass eigentlich Nadja das Cover gestalten sollte, und ich habe einfach Angst, dass ich nicht gut genug bin.«
»Du bist eine der talentiertesten Illustratorinnen, die ich kenne, und wenn es jemand verdient hat, dieses Cover zu gestalten, dann bist du das. Deine Arbeit ist nicht weniger wert als die deiner Chefin und ich weiß, dass du das genauso gut, wenn nicht sogar besser machen wirst.« Sie sagte das in einem Ton, der absolut keine Widerrede erlaubte. »So, und bevor du gleich in diese Bahn steigst, sprichst du mir nach: Ich bin wertvoll, ich bin klug, ich bin stark, ich bin schön und ich schaffe das.«
Ich rümpfte die Nase und suchte bereits nach Gegenargumenten, doch Ida hob warnend den Zeigefinger und versuchte sich an einem bedrohlichen Blick. Ich seufzte leise und wiederholte ihre Worte: »Ich bin wertvoll, ich bin klug, ich bin stark, ich bin schön und ich schaffe das. Zufrieden?«
Sie lächelte und klopfte mir auf die Schulter. »An der Überzeugungskraft arbeiten wir noch, aber fürs Erste bin ich zufrieden. Ich zwinge dich einfach so lange dazu, das zu sagen, bis du selbst daran glaubst.« Sie drückte mich an sich und nun schlich sich auch auf mein Gesicht ein Lächeln. Meine beste Freundin war eine Naturgewalt, die einen mit sich riss, ob man wollte oder nicht. Sie fühlte so intensiv, dass ihre Gefühle auf einen überschwappten wie Wasserfarben, die ineinanderliefen. Und sie gab die besten, wirklich die allerbesten Umarmungen.
»Ich wüsste nicht, was ich ohne dich machen würde«, murmelte ich und hatte das Gefühl, meine Worte drückten nicht annähernd die Dankbarkeit aus, die ich fühlte.
Doch Ida verstand. So war das nämlich mit uns. Wir fühlten gleich, wir dachten gleich, wir verstanden einander und wir gaben uns gegenseitig die Ratschläge, die wir selbst nicht befolgten. »Du weißt, dass ich ohne dich genauso aufgeschmissen wäre«, erwiderte Ida, als die Straßenbahn dröhnend neben uns zum Stehen kam.
»Ich hab dich lieb«, kam es gleichzeitig aus unseren Mündern. Wir grinsten uns an und ich hoffte, dass Idas Glauben an mich ein wenig abfärben würde.
Nachdem ich mir einen Platz in der Bahn erkämpft und mich darauf niedergelassen hatte, kramte ich mein Skizzenbuch und die Kopfhörer aus meiner Tasche. Tired of california von Nessa Barrett spielte und ich drehte die Lautstärke noch etwas höher, genoss das Gefühl, in der Musik zu schwimmen und alles um mich herum auszublenden. Ich griff nach einem Bleistift und musterte die Menschen um mich herum. Einen nach dem anderen, auf der Suche nach Inspiration, nach dem Funken, der dafür sorgte, dass meine Hände wie von selbst über das Papier flogen. Fast täglich zeichnete ich in der Bahn, auch wenn die Zeichnungen stets ein bisschen verwackelt und verschmiert waren, ein bisschen fehlerhaft und unsauber, so wie wir Menschen auch. Und ich liebte es, die Personen um mich herum zu beobachten und mir zu überlegen, was wohl ihre Geschichten waren. So wie die Frau, die neben mir saß, vor ihr ein leerer Kinderwagen und in ihren Armen ein kleines Kind, das fröhlich vor sich hin brabbelte. Sie sah müde aus, hatte tiefe Augenringe und bunte Flecken auf der Bluse. Und trotzdem schien das Glück aus jeder ihrer Poren zu strömen, der Blick, mit dem sie das Kind musterte, war voller Liebe und Zuneigung.
Mir gegenüber saß ein Mann im Anzug, in der einen Hand hielt er einen schwarzen Aktenkoffer, in der anderen sein Handy, in das er laut schimpfte. Seine Haare waren nach hinten gegelt, alles an ihm wirkte glattpoliert, vom Scheitel bis zu den fast schon lächerlich sauberen Schuhen. Er strahlte Rücksichtslosigkeit und Selbstgefälligkeit aus, mit den ausgebreiteten Beinen demonstrierte er seine Macht, markierte sein Revier und ließ der jungen Frau auf dem Platz daneben kaum Luft zum Atmen. Sie erwiderte meinen...




