E-Book, Deutsch, Band 5, 450 Seiten
Reihe: Der 13. Paladin
Weitze Die Inseln der Klingensee
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-98896-005-4
Verlag: Torsten Weitze
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Der 13.Paladin - Band 5
E-Book, Deutsch, Band 5, 450 Seiten
Reihe: Der 13. Paladin
ISBN: 978-3-98896-005-4
Verlag: Torsten Weitze
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Torsten Weitze wurde in Krefeld geboren, wo er noch heute zusammen mit seiner Frau wohnt. Nach langer Erfahrung als Leiter einer Pen & Paper-Gruppe begann er, sich selbst ganze Welten auszudenken und sie, nun als Autor, zu Papier zu bringen. Nach dem Erfolg seiner High-Fantasy-Debutreihe 'Der 13. Paladin'folgt, neben der Fortführung der 'Nebula Convicto'-Reihe, sein nächstes großes Projekt: Die Romane über die Streitenden Götter, deren Auftakt die 'Sturmfels-Akademie' darstellt. Entspannung sucht Torsten Weitze im Praktizieren des Jiu-Jitsu und in der Handhabung traditioneller japanischer Waffen wie dem Katana oder dem Bo.
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2. Kapitel
Sven starrte in das grimmige, misstrauische Gesicht des Milizionärs, über dessen abgewetzter Lederrüstung ein frischer, strahlend blauer Wappenrock mit dem Zeichen der Drei prangte. Unbewusst zupfte sein Gegenüber stolz an dem offenkundig neuen Kleidungsstück herum und blies sich zu der kleinlichen Wichtigkeit auf, die jenen Personen zu eigen war, die sich nach einem Leben voller Demütigungen in der Position sahen, einem anderen etwas vorschreiben zu können.
»Was willst du hier?«, fragte der untersetzte Mann mit einer Stimme, die zwischen Unsicherheit und Hochmut schwang. »Dies ist ein Lager der Miliz der Drei. Wir sind auf einer heiligen Mission und Unbefugten ist das Betreten des Schutzwalls verboten.«
Svens Blick flackerte nach links und rechts, wobei er den Kopf weit drehen musste, um sein fehlendes Auge auszugleichen, dessen Höhle nun mit einer Verwachsung ausgefüllt war – und noch etwas anderem, etwas Finsterem. Wie als Reaktion auf diesen Gedanken regte sich das Ding in seiner Augenhöhle für einen Herzschlag, aber bevor es sich weiter in das Innere seines Schädels hineinfressen konnte, legte Sven seinen nunmehr eisenharten Willen um den Parasiten und zwang ihn dazu weiterzuschlafen. Das dunkle Geschenk seines Herrn hatte der Müllerssohn zuerst für eine Bestrafung oder einen Fluch gehalten, aber nun erkannte er die Weisheit im Handeln seines Meisters. Durch die konstante zermürbende Not, das Ding, das da verborgen in seinem Fleisch lag, unter Kontrolle zu halten, damit es sich nicht zu seinem Gehirn durchfraß, hatte Sven eine Willenskraft und Selbstkontrolle entwickelt, die er nie für möglich gehalten hatte. So schaffte er es auch in diesem Moment, ein verächtliches Lächeln zu unterdrücken, als er das Lager der Miliz betrachtete. Zwei Dutzend Zelte, eine notdürftig ausgehobene Latrine und ein Haufen unterdurchschnittlicher Ausrüstung in brüchigen Holzkisten und dünnen Leinensäcken wurden von einem kniehohen Palisadenwall aus angespitzten Pflöcken umringt. Alles hier schrie nach fehlender Professionalität und mangelnden Goldreserven.
Sven rollte seine breiten, muskelbepackten Schultern und setzte sein gewinnendstes Lächeln auf, von dem er wusste, dass sein neues, markantes Gesicht es passend zur Geltung brachte. Er hatte seine langen Haare vor die Gesichtshälfte mit dem schlimmen Auge gekämmt und gab sich nun so harmlos und freundlich, wie er nur konnte.
»Ich möchte eurer Unternehmung gerne mein Schwert und mein Leben widmen«, sagte Sven im Brustton der Überzeugung. »Dies«, begann er, dann schob er seine Haare zur Seite, »habe ich den Umtrieben des Dunklen Gottes zu verdanken.« Und das ist nicht mal gelogen, kicherte der einäugige Hochfang in sich hinein.
Der Milizionär zuckte zurück und schaute unsicher an Svens Gestalt empor. Der Müllerssohn konnte regelrecht spüren, wie die Gedanken durch den Schädel des Wächters rasten, und behielt sein offenes Lächeln bei, während er sich vorstellte, wie er dem unschlüssigen Mann den Schädel spaltete.
»Vielleicht kann ich mich irgendwem vorstellen, der meine Tauglichkeit überprüft?«, schlug Sven seidenweich vor, als er sah, dass sich sein Gegenüber zu keiner Antwort durchringen konnte.
Die Erleichterung, keine selbstständige Entscheidung zu Svens Ersuchen treffen zu müssen, war dem kleinen Mann deutlich anzusehen. Er strahlte über das ganze Gesicht und deutete auf eines der Zelte am rechten Rand des Lagers. »Hüter Sultis wird dich untersuchen und befragen. Wenn du reinen Körpers und Gewissens bist, wird die Miliz der Drei dich sicher mit offenen Armen empfangen.«
Sven unterdrückte ein verächtliches Schnauben und neigte stattdessen höflich den Kopf, während er auf das Zelt zuging, in dem ein Priester des Menschengottes auf ihn wartete. Das verspricht interessant zu werden, dachte er voller Vorfreude und tauchte durch den Eingang in das Innere des Zeltes.
***
»Warum die Frage nach dem Gehorsam gegenüber den Paladinen?«, fragte Ahren in die Stille hinein. Der Abend war weit fortgeschritten und die Mehrheit seiner Gefährten schlief bereits. Khara war an seine Schulter gekuschelt eingedöst, und Ahren wagte nicht, sich zu rühren, während er über das herabgebrannte Lagerfeuer hinweg mit Falk und Jelninolan sprach.
Falk stutzte, dann nickte er langsam. »Wir haben nie über die Ursprünge der Waldläufer gesprochen, oder?«
Ahren schüttelte stumm den Kopf.
»Damals, nach den dunklen Tagen, war Er, der zwingt, zwar besiegt, aber Tausende Dunkelwesen flohen unversehrt in die Wildnis«, sagte Falk schließlich. »Ohne direkte Kontrolle durch den Widersacher suchten sie Zuflucht in dichten Wäldern und an abgelegenen Orten, wo sie sich vermehrten. Statt einer organisierten feindlichen Armee standen die Paladine plötzlich hunderten Splittergruppen gegenüber, die häufiger flohen, als dass sie kämpften. Es war klar, dass wir Hilfe benötigten, und zwar geduldige Wächter, die in unwirtlichem Gelände überleben und gleichzeitig gegen ein Dunkelwesen bestehen konnten.«
»Also taten sich einige erfahrene Elfen mit dem Paladin Yollock zusammen und bildeten Freiwillige aus, die die betroffenen Gebiete von den umliegenden Siedlungen aus im Auge behalten und gegebenenfalls beschützen sollten«, fuhr Jelninolan fort. »Wenn es zu einem Großangriff kam, wurde ein Paladin gerufen, dem diese Freiwilligen dann mit ihrer Ausbildung und Ortskundigkeit zuarbeiteten. Auch wenn viele Paladine diese Initiative ablehnten«, hier sah sie Falk streng an, der daraufhin eindringlich seine Stiefelspitzen musterte, »waren diese Hilfstruppen doch ungemein nützlich. Keine zwanzig Jahre später hatten sie einen eigenen Namen. Man nannte sie Waldläufer.«
»Je mehr die Dunkelwesen sich zurückzogen, umso mehr nahm auch die Zahl der Waldläufer ab. Und dass die meisten Paladine ihre eigenen Pflichten vernachlässigten und kein Interesse mehr daran hatten, Dunkelwesen zu jagen, solltest du ja mittlerweile begriffen haben«, sagte Falk leise.
Ahren dachte an Sunju und Bergen, aber auch an Falk, der vor seinem Dasein als Waldläufer eine eher zweifelhafte Karriere als Söldner eingeschlagen hatte.
»Aber nichtsdestotrotz: Die Schwüre sind geblieben. Es ist seit jeher die Aufgabe der Waldläufer, die Paladine zu unterstützen. Da du und ich zeitgleich auch Paladine sind, denke ich über diesen Aspekt des Waldläufertums selten nach. Im Endeffekt schwören wir uns mit dem Waldläufer-Eid ja selbst die Treue.«
Ahren stutzte. »Das heißt, Jelninolan hat Euch damals zu eben jener Ausbildung verdonnert, die Ihr zu Beginn abgelehnt habt?«, fragte er nach.
»Ich hielt das für eine angenehme Ironie«, sagte Jelninolan mit mildem Stolz in der Stimme.
Falk lachte in gedämpftem Ton, ein trockener, selbstkritischer Laut. »Ich habe damals geschäumt vor Wut. Wie gerne würde ich meinem jüngeren Selbst jetzt zuflüstern, dass die Schinderei auch etwas Gutes haben würde.« Dabei blickte er Ahren voller Wärme an.
Ahren rollte die Augen. »Was für eine schöne Idee, aber in meinem Fall wäre es wohl sinnlos. Mein früheres Ich würde mich wahrscheinlich nicht einmal wiedererkennen.«
Sie lachten leise, und dann zog Ahren seinen neuen Bogen von der Schulter. Liebevoll strich er mit den Fingern über das Holz. »Ich erkenne die Farbe. Das ist der Ast, den Euch die Äonenweide überlassen hat, oder?«, fragte er die Priesterin.
Jelninolan nickte lächelnd. »Alles an dem Ast schrie danach, zu einem Bogen geformt zu werden. Und als vollwertiger Waldläufer kannst du ja schlecht mit einem Lehrlingsbogen herumlaufen.«
»Den du eh ruiniert hast«, warf Falk grinsend ein.
Ahren ignorierte den Kommentar und schaute wieder auf seinen Bogen hinab. »Dieses Holz muss Jahrhunderte alt sein.«
Wieder stimmte die Elfe ihm zu. »Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, diese Art begann zu wachsen, als die ersten Dunklen Tage endeten.«
Ahren schauderte. Die ersten Dunklen Tage. Diese Formulierung machte ihm Angst, denn in ihnen schwang eine kalte, harte Wahrheit mit: Die Dunklen Tage würden wiederkommen und zwar bald. Ahren und seine Gefährten lebten von geborgter Zeit und versuchten, so viele der verschollenen Paladine der Götter zu finden wie nur möglich, bevor der Widersacher seinen nächsten Schachzug tat – oder gar vollends erwachte.
Um sich abzulenken, spannte Ahren noch einmal probeweise seinen Bogen und keuchte ob der Anstrengung. »Da habe ich noch einiges an Übung vor mir«, sagte er ungläubig. Mit diesem Bogen in der Hand kam er sich wieder wie ein blutiger Anfänger vor.
»Es fehlt dir nur an Kraft und Gewohnheit«, beruhigte ihn Falk. »Wir werden noch ein paar Wochen hier lagern, bis unser Schiff von der Königsinsel hier eintrifft. In der Zeit kannst du dich an Fisiniell gewöhnen.«
»Ist das sein Name?«, fragte Ahren hellhörig.
Jelninolan nickte. »Es bedeutet ‚Tanzt auf dem Wind‘. Da ich meine Sturmweberei in den Bogen habe einfließen lassen, erschien mir der Name passend.«
Ahren verbeugte sich so tief, wie er konnte, ohne Khara zu wecken. »Ich danke Euch«, sagte er schlicht.
»Gern geschehen.« Jelninolan hob eine Augenbraue. »Und du kannst mich duzen. Schließlich bist du jetzt ein vollwertiger Waldläufer.«
Falk sah aus, als ob er in eine Zitrone gebissen hätte. Während Ahren noch das Angebot der Elfe verdaute, nickte der alte Mann und sagte zögerlich: »Wo sie recht hat, hat sie recht. Ab jetzt bin ich nur noch Falk für dich.«
Unsicherheit...




