Witt | Wohlfahrt und Freiheit | Buch | 978-3-593-39614-9 | sack.de

Buch, Deutsch, Band 957, 258 Seiten, Format (B × H): 142 mm x 211 mm, Gewicht: 320 g

Reihe: Campus Forschung

Witt

Wohlfahrt und Freiheit

Eine Kritik an der Rechtfertigung freier Märkte

Buch, Deutsch, Band 957, 258 Seiten, Format (B × H): 142 mm x 211 mm, Gewicht: 320 g

Reihe: Campus Forschung

ISBN: 978-3-593-39614-9
Verlag: Campus Verlag GmbH


Die Frage, wie das Verhältnis von Staat und Wirtschaft zu gestalten ist, erhält in Zeiten der Krise des marktwirtschaftlichen Systems eine neue Dringlichkeit. Karsten Witt fragt, ob die marktliberale Idee - unabhängig von der herrschenden politischen Meinung - ethisch überhaupt richtig ist. Seine Antwort: Freie Märkte sind in ihrer heutigen Form wohlfahrtsökonomisch nicht zu rechtfertigen. Jenseits populärwissenschaftlicher Polemik bietet dieses Buch eine kritische, interdisziplinär fundierte Auseinandersetzung mit einer der einflussreichsten Ideen der Gegenwart: dem Wirtschaftsliberalismus.
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Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
1.1 Ökonomik und Neoklassik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
1.2 Neoklassik und Normativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
1.3 Wohlfahrtsökonomik und Marktliberalismus . . . . . . . . . . . . 22
1.4 Programm und Einordnung des Buches . . . . . . . . . . . . . . . 27

2 Die Rechtfertigung des Marktes in der allgemeinen
Gleichgewichtstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
2.1 Die allgemeine Gleichgewichtstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . 34
2.2 Die kompetitive Marktwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
2.3 Das neoklassische Szenario . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
2.4 Das ethische Instrumentarium der Wohlfahrtsökonomik . . . 41
2.4.1 Das Pareto-Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
2.4.2 Wohlfahrtsökonomik und Utilitarismus . . . . . . . . . . . 44
2.4.3 Der erste Hauptsatz der Wohlfahrtsökonomik . . . . . . 47

3 Von der kompetitiven zur freien Marktwirtschaft . . . . . . . . . . . . 50
3.1 Mögliche Gründe staatlicher Regulierung . . . . . . . . . . . . . . 51
3.1.1 Ungerechte Allokationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
3.1.2 Marktversagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
3.2 Die freie Marktwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

4 Konsumentensouveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
4.1 Prinzip und Begriff der Konsumentensouveränität . . . . . . . . 67
4.2 Drei Versionen des Souveränitätsprinzips . . . . . . . . . . . . . . 69
4.3 Die Bedeutung des Souveränitätsprinzips für die
wohlfahrtsökonomische Rechtfertigung freier Märkte . . . . . . 72
4.4 Eine problematische Annahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
4.5 Ein weiteres Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
4.6 Zwei Einwände oder einer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

5 Eine Mill’sche Rechtfertigung des Souveränitätsprinzips . . . . . . . 85
5.1 Drei Adäquatheitsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
5.2 Mills Utilitarismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
5.3 Mills Problem mit Moralisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
5.4 Mills Problem mit Paternalisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
5.4.1 Paternalismus und Selbstentwicklung . . . . . . . . . . . . . 99
5.4.2 Die Treffsicherheit paternalistischer Eingriffe . . . . . . 102
5.5 Souveränitätsprinzip und freie Märkte . . . . . . . . . . . . . . . 105

6 Wohlfahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
6.1 Perspektivität und Subjektivität von Wohlfahrt . . . . . . . . . 110
6.2 Zwei Adäquatheitsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
6.3 Idealisierung und Prioritätsbedingung . . . . . . . . . . . . . . . 117
6.4 Idealisierung und Internalismusbedingung . . . . . . . . . . . . 123
6.4.1 Die aufgeklärte Wunscherfüllungstheorie . . . . . . . . . 123
6.4.2 Das Internalismusproblem der aufgeklärten
Wunscherfüllungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
6.5 Moderate Idealisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
6.5.1 Grundzüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
6.5.2 Probleme der moderaten Idealisierung . . . . . . . . . . . 134

7 Authentizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
7.1 Paula und Paul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
7.2 Der Begriff der »Identifikation« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
7.2.1 »Identifikation« in der frühen hierarchischen
Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
7.2.2 Einige Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
7.2.3 Die Erweiterung der frühen
Identifikationskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
7.3 Die historische Dimension von Authentizität . . . . . . . . . . 154
7.3.1 Die Starke Historische Bedingung:
das Regressproblem revisited . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
7.3.2 Die Wurzel des Regressproblems . . . . . . . . . . . . . . . 160
7.3.3 Ursprungsidentität und Schwache Historische
Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
7.4 Einige Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

8 Der Zusammenhang von Wohlfahrt und Authentizität . . . . . . . 171
8.1 Wohlfahrt und Authentizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
8.1.1 Empirischer Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
8.1.2 Begrifflicher Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
8.2 Zwei Deutungen des begrifflichen Zusammenhangs . . . . . 176
8.2.1 Kategoriale Deutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
8.2.2 Graduelle Deutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
8.3 Die Rückkehr des Internalismusproblems . . . . . . . . . . . . . 181
8.4 Mills Faktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

9 Werbung und Authentizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
9.1 Terminologie und Dialektik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
9.1.1 Werbung und Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
9.1.2 Weitere Unterscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
9.1.3 Die missliche Lage der Werbekritik . . . . . . . . . . . . . 196
9.2 »Apriorische« Reflexionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
9.3 Zur Messbarkeit von Werbeeffekten . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
9.4 Werbewirkung und Authentizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208
9.4.1 Der Begriff der »Involviertheit« . . . . . . . . . . . . . . 208
9.4.2 Direkte Effekte und ihre Bewertung . . . . . . . . . . . . 210
9.4.3 Indirekte Effekte und ihre Bewertung . . . . . . . . . . . 217
9.5 Wohlfahrtseffekte des Konsumismus . . . . . . . . . . . . . . . . 227

10 Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230
10.1 Ein wohlfahrtsökonomisches Argument gegen freie
Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230
10.2 Einige offene Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235
10.3 Politische und volkswirtschaftliche Konsequenzen . . . . . . . 239

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245


Bei diesen Regeln handelt es sich in der Realität meistens um Gesetze und Verordnungen, die einen bestimmten Ablauf des Allokationsprozesses gewährleisten sollen. Ich werde diese Teilmenge so genannter "externer Institutionen" gelegentlich auch "allokative Institutionen" nennen.

Die Gesamtheit der allokativen Institutionen bezeichne ich als "ökonomisches institutionelles Arrangement" oder, in Anknüpfung an die ordoliberale Tradition in Deutschland, als "Wirtschaftsordnung". Wie sollte man Q beantworten? Welche allokativen Institutionen sind ethisch richtig? Welche Regeln sollten für die unzähligen wirtschaftlichen Aktivitäten der Menschen in einer Volkswirtschaft gelten? Zwei extreme Antworten auf diese Fragen lauten: "Es sollte überhaupt keine Regeln geben" (Anarchie) und: "Der gesamte Prozess sollte zentral geplant werden " (Zentralverwaltungswirtschaft). Anarchie und Zentralverwaltungswirtschaft kann man sich als zwei Endpunkte eines Kontinuums vorstellen, entlang dessen die Regelungsdichte immer weiter zunimmt. Im Prinzip sind daher sehr viele verschiedene Antworten auf Q denkbar (vgl. Bowles 1998: 76). De facto hat sich die Debatte um die richtige Gestaltung des Verhältnisses von Staat und Wirtschaft mittlerweile allerdings auf einige wenige Positionen beschränkt. Beide Extrempositionen werden heute praktisch nicht mehr vertreten. Die Debatte konzentriert sich auf gemäßigtere Ansätze.

Eine der gemäßigteren Antworten auf Q steht in dieser Arbeit im Mittelpunkt des Interesses. Zu denjenigen, die sie vertreten, gehören auch Wohlfahrtsökonomen. Diese Antwort auf Q nenne ich die "marktliberale These". Sie lautet: (Marktliberale These) Für den Entstehungsprozess von Allokationen in real existierenden Volkswirtschaften sollten die Regeln der freien Marktwirtschaft gelten.

Worum es Marktliberalen also geht, ist die Wirtschaftsordnung, die gemeinhin unter der Bezeichnung "freie Marktwirtschaft" bekannt ist. Eine genauere Charakterisierung dieses institutionellen Arrangements werde ich in Kap. 3 erarbeiten. An dieser Stelle ist es ausreichend zu wissen, dass die Befürworter der marktliberalen These für eine zurückhaltende Rolle des Staates im Wirtschaftsleben eintreten, so dass die Marktteilnehmer ihren Geschäften weitgehend unbehelligt von staatlicher Regulierung nachgehen können.
Im Umgang mit der marktliberalen These muss man eine stilistische Besonderheit beachten: Häufig wird sie im gegenwärtigen Diskurs mit einer Hypostasierung des Marktes verbunden: Man solle, so die häufig anzutreffende Formulierung, die Allokation "dem Markt überlassen"; aus dem Lager der Gegner ist zu hören, der Markt solle "an die Kette gelegt werden" usw.

Ich halte diese Ausdrucksweise für problematisch, da ich befürchte, dass viele Menschen zu personenähnlichen Subjekten wie "dem Markt" leichter eine (positive oder negative) emotionale Beziehung entwickeln können als zu dem, was durch diese Redeweise verdeckt wird: einem spezifischen institutionellen Arrangement, einer nicht mit letzter Genauigkeit bestimmbaren, generell aber sehr moderaten Form der Regulierung ökonomischer Interaktionen. Emotional gefärbte Beurteilungen des Marktes sind indes nicht hilfreich, um zu einer möglichst fundierten Bewertung dieses institutionellen Arrangements zu gelangen. Insofern sind auch Hypostasierungen schädlich. In vielen Fällen werde ich hypostasierende
Formulierungen allerdings nicht umgehen können. So wird des Öfteren zu lesen sein, dass es mir in diesem Buch um die Rechtfertigung des "Laissez-faire", des "freien Marktes (der freien Märkte)" oder, kurz, "der Marktwirtschaft" oder "des Marktes" geht. Alle diese Ausdrücke referieren auf das in der marktliberalen These genannte institutionelle Arrangement.

Ich hoffe, die vorangegangenen Bemerkungen machen einen rationaleren Umgang mit dieser Ausdrucksweise möglich. Im Ringen um die politische Antwort auf Q hatten seit dem Zweiten Weltkrieg in vielen westlichen Industrieländern mal die Regulierer und mal die Marktliberalen die Oberhand. Nachdem die verheerende Depression der späten zwanziger und dreißiger Jahre des Zwanzigsten Jahrhunderts das Vertrauen in den freien Markt stark beschädigt hatte, standen die ersten beiden Nachkriegsjahrzehnte im Großen und Ganzen im Zeichen der Lehren des Cambridge-Ökonomen Keynes, der in seinem Hauptwerk (Keynes 1936) für mehr Staatseingriffe ins Wirtschaftsleben plädierte als den Marktliberalen lieb war.

In den späten sechziger Jahren begann sich das Blatt zu wenden. Man zweifelte zunehmend an der Effektivität von Staatseingriffen und Regulierungen. Die neuen Ziele hießen: Sicherung der Geldwertstabilität und Rückzug des Staates aus der Wirtschaft. Seit Beginn der achtziger Jahre erhielt diese allgemeine Entwicklung durch die aufkommende Globalisierung einen weiteren Schub, so dass Friedman, einer der einflussreichsten Befürworter und Vordenker freier Märkte im 20. Jahrhundert, gegen Ende seines Lebens zufrieden Bilanz ziehen konnte: "In country after country, the initial postwar decades witnessed exploding socialism, followed by creeping or stagnant socialism. And in all these countries the pressure today is toward giving markets a greater role and government a smaller one." (2002: viii)

In dem Maße wie der "Sozialismus" als wirtschaftspolitische Doktrin in der Bedeutungslosigkeit verschwand, erstrahlte also der Stern des Liberalismus von Neuem. Die Marktwirtschaft trat allem Anschein nach ihren globalen Siegeszug an: In immer mehr Ländern wurden Steuern gesenkt, Außenhandelsbarrieren abgeschafft, die Privatisierung vorangetrieben, Löhne flexibilisiert usw. Diese Entwicklung stand zwar in einem eigenartigen Gegensatz zum öffentlichen, überwiegend globalisierungskritischen Diskurs; doch weder die Entwicklung selbst noch ihre Befürworter schienen von der öffentlichen Meinung tangiert zu werden.

Doch mittlerweile scheint sich das Blatt erneut zu wenden: Spätestens seit dem Zusammenbruch der Investmentbank "Lehman Brothers" im September 2008 infolge der so genannten "Subprime-Finanzkrise" hat der Stern des Marktliberalismus deutlich an Strahlkraft eingebüßt. Auf der ganzen Welt haben Staaten sich der Lehren Keynes' erinnert und mit ungeheuren Summen die Konjunktur stabilisiert. In Abkehr von der üblichen, positiven Hypostasierung des Marktes wurden Finanzmärkte nun als "Monster" und einige ihrer Akteure als "Heuschrecken" charakterisiert, die es an die Kette zu legen bzw. abzuwehren gelte. Sehr schnell wurden auf internationaler Ebene vergleichsweise weitreichende Regulierungen des Finanzsektors diskutiert, von denen in den USA einige bereits im Frühjahr 2010 verabschiedet wurden. Angesichts einer stark gewachsenen Marktskepsis ist es nicht unwahrscheinlich, dass in näherer Zukunft weitere Regulierungen folgen werden.

1.4 Programm und Einordnung des Buches

Blickt man auf den kurzen wirtschaftsgeschichtlichen Abriss der vergangenen sechs Jahrzehnte, so zeigt sich, dass Phasen der Regulierung und Deregulierung einander abgewechselt haben. Die marktliberale These, dass der Allokationsprozess gemäß den Regeln der freien Marktwirtschaft strukturiert sein sollte, hat folglich nur zu gewissen Zeiten als Leitbild wirtschaftspolitischen Handelns gedient. Zu anderen Zeiten hat sich die herrschende Meinung anderen Ideen zugewandt. In diesem Buch interessiert mich die marktliberale These unabhängig von der herrschenden politischen Meinung. Mich interessiert, ob sie ethisch richtig ist. Dieses Interesse entspringt meinem generellen Interesse an Q, der Frage nach der richtigen Wirtschaftsordnung für real existierende Volkswirtschaften. Wie wichtig diese Frage ist, habe ich zu Beginn des Kapitels deutlich gemacht. Prinzipiell kann man die marktliberale These aus verschiedenen ethischen Perspektiven betrachten, das heißt man kann verschiedene ethischen Theorien heranziehen und sich fragen, ob es gemäß der jeweiligen Theorie gerechtfertigt ist, das Wirtschaftsleben von staatlichen Eingriffen weitgehend frei zu halten.

Ich werde mich hier auf einen bestimmten Standpunkt beschränken: den Standpunkt, den die Wohlfahrtsökonomen einnehmen, wenn sie Q beantworten. Ich werde also fragen, ob die wohlfahrtsökonomische Begründung der marktliberalen These überzeugen kann. Dies ist die zentrale Frage, der ich in diesem Buch nachgehen will.

Meine Antwort auf diese Frage ist negativ. Ich glaube nicht, dass man freie Märkte in ihrer heutigen Form wohlfahrtsökonomisch rechtfertigen kann, selbst wenn man "wohlfahrtsökonomisch" weit auslegt. Dies ist die zentrale These, für die ich hier argumentieren möchte. Gemeinsam mit der zentralen Frage bildet sie die Klammer für alle nachfolgenden Kapitel. Schließlich werde ich für meine zentrale These unter Zuhilfenahme möglichst vieler Prämissen argumentieren, die auch von Wohlfahrtsökonomen geteilt werden. Dies ist die Methode, mit der ich arbeiten möchte. Ich nenne sie die "Methode der internen Kritik". Mit dieser Trias aus zentraler Frage, zentraler These und der Methode der internen Kritik ist der Kern dieses Buches beschrieben.

Vielleicht der wichtigste Grund für die Wahl der zentralen Fragestellung und des methodischen Zugangs ist der immense Einfluss, den die wohlfahrtsökonomische Rechtfertigung des Marktliberalismus in unserer Gesellschaft nach wie vor hat. Sie hat diesen Einfluss nicht zuletzt, weil Generationen von Studierenden der Wirtschaftswissenschaften wieder und wieder mit den Standardthesen der Wohlfahrtsökonomen konfrontiert werden. Es sind Studierende, von denen nicht wenige als Politik- oder Unternehmensberater, als Journalisten oder in anderen einflussreichen Positionen arbeiten oder irgendwann arbeiten werden. Sofern sie sie nicht vergessen oder irgendwann begonnen haben, Zweifel an der wohlfahrtsökonomischen Rechtfertigung freier Märkte zu hegen, sind diese Menschen Multiplikatoren wohlfahrtsökonomischer Ideen und sorgen so für ihre weitere Verbreitung. Um so wichtiger ist es daher aus meiner Sicht, Kritik an diesen Ideen so zu formulieren, dass sie diese Menschen erreichen kann - und das heißt für mich, auch in einer kritischen Auseinandersetzung mit der Wohlfahrtsökonomik so viele wohlfahrtsökonomische Prämissen wie möglich zu akzeptieren.

Meiner Erfahrung nach nehmen moralische Diskussionen am ehesten einen konstruktiven Verlauf, wenn man ein Stück auf die Zuhörer zugeht, indem man einige ihrer grundlegenden Überzeugungen und Werte akzeptiert. Dasselbe gilt hoffentlich auch für den Dialog mit meinen wohlfahrtsökonomisch geschulten Leserinnen und Lesern.

Ziel der folgenden Kapitel ist herauszufinden, ob die wohlfahrtsökonomische Rechtfertigung freier Märkte zu überzeugen vermag. Um dieses Ziel zu erreichen, muss ich mich im Wesentlichen mit zwei Fragen beschäftigen: Erstens, wie lautet die Rechtfertigung? Zweitens, ist sie überzeugend? Diese Fragen stellen sich mir in den folgenden Kapiteln allerdings nicht nur einmal, sondern gewissermaßen zweimal, da ich mich zunächst mit der ursprünglichen und anschließend mit einer erweiterten wohlfahrtsökonomischen Begründung freier Märkte auseinandersetze.

Das ist, in denkbar knappen Worten, das Programm dieses Buches. Es soll nun etwas detaillierter beschrieben werden, bevor ich darauf eingehe, wie die vorliegende Untersuchung in die Forschungslandschaft einzuordnen ist.


Witt, Karsten
Karsten Witt, Dr. phil. und Dipl.-Volksw., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstelle Ethik des Kölner Universitätsklinikums

Karsten Witt, Dr. phil. und Dipl.-Volksw., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstelle Ethik des Kölner Universitätsklinikums


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