Young Jamaica Lane - Heimliche Liebe (Deutsche Ausgabe)
14001. Auflage 2014
ISBN: 978-3-8437-0765-7
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 496 Seiten
Reihe: Ullstein eBooks
ISBN: 978-3-8437-0765-7
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Samantha Young wurde 1986 in Stirlingshire, Schottland, geboren. Seit ihrem Abschluss an der University of Edinburgh arbeitet sie als freie Autorin und hat bereits mehrere Jugendbuchserien geschrieben. Mit der Veröffentlichung von »Dublin Street« und »London Road«, ihren ersten beiden Romanen für Erwachsene, wurde sie zur internationalen Bestsellerautorin.
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Kapitel 1
Stirling, Schottland
Februar
Jedes Mal, wenn wir um eine Ecke bogen, peitschte uns der bitterkalte Wind ins Gesicht. Er hatte fast schon etwas Bösartiges, als wäre es für ihn ein Ärgernis, wenn ein Gebäude uns kurzzeitig Deckung bot. Mit eisigen Fingern umfing er meine geröteten Wangen. Ich schlang die Arme fester um mich und zog die Schultern hoch, um mich gegen die nächste Böe zu wappnen.
»Zum fünften und letzten Mal … wo schleppst du uns eigentlich hin?«, fragte Joss und drückte sich enger an ihren Verlobten Braden. Er hatte seinen Wollmantel aufgeknöpft, damit sie sich hineinschmiegen konnte, und einen Arm um ihre Hüfte gelegt. Sie trug eine elegante, aber kurze Jacke und ein rotes enganliegendes Kleid, dazu Highheels. Das einzige Kleidungsstück, das ihr ein wenig Schutz vor dem schottischen Winter bot, war ein Schal.
Ellie und Jo ging es nicht viel anders: kurze Kleider, Stilettos, dünne Jacken. Ich war ein kleines bisschen besser dran, weil ich immerhin eine schwarze Hose trug, allerdings hatten mein Seidentop und der dünne, frackartige Blazer der Kälte so gut wie nichts entgegenzusetzen.
Da ich es im Gegensatz zu meinen Freundinnen nicht gewohnt war, auf hohen Absätzen zu laufen, kam ich nur langsam voran und bildete die Nachhut unserer kleinen Gruppe, die sich von Jo an ein unbekanntes Ziel führen ließ.
»Es ist nicht mehr weit«, beteuerte sie mit einem raschen Blick über die Schulter, als sie uns durch die Hauptstraße des Stadtzentrums lotste. Ihr Verlobter Cam hatte den Arm um sie gelegt, um sie zu wärmen, und hinter ihnen kuschelten sich Bradens Schwester Ellie und sein bester Freund Adam ebenfalls eng aneinander. Auch sie waren seit kurzem verlobt.
Ich hatte dummerweise keinen Verlobten, der mich vor dem bitteren Wind hätte schützen können. »Es ist nicht mehr weit?«, wiederholte ich spitz. In den etwas mehr als neun Monaten, die ich nun schon in Edinburgh lebte, waren Jo und ich enge Freundinnen, fast Schwestern geworden. Insofern fand ich, dass mir eine kleine Stichelei durchaus zustand, zumal sie uns ohne ein Wort der Erklärung aus Edinburgh entführt und hierhergeschleppt hatte. Daher im Übrigen auch die völlig unangemessene Kleidung. »Das Recht, so was zu sagen, hast du verwirkt, als du den Taxifahrer gebeten hast, zur Waverley Station zu fahren.«
An der nächsten Kreuzung wich Jos entschuldigendes Lächeln einem Stirnrunzeln. Sie bedeutete uns anzuhalten. »Okay, ich glaube, jetzt müssen wir hier lang.«
»Bist du sicher?«, fragte ich. Mittlerweile hatten meine Zähne angefangen zu klappern.
»Hmmm.« Jo spähte über die Kreuzung auf ein Straßenschild und zückte dann ihr Handy. »Eine Sekunde, Leute.«
Meine Freunde drängten sich dicht aneinander, während ich ein kleines Stück abseitsstand und sie betrachtete. Ich kam zu dem Schluss, dass mir eigentlich egal war, wie sehr ich fror. Ich freute mich ganz einfach, mit ihnen zusammen zu sein. Ein bisschen wunderte ich mich immer noch darüber, wie sehr sie mir in der kurzen Zeit ans Herz gewachsen waren. Sie alle hatten mich vorbehaltlos in ihren Freundeskreis und in ihr Leben aufgenommen, teils um Jos willen, aber auch wegen Nate, Cams Jugendfreund und meinem neuen besten Kumpel.
Während ich so meinen Gedanken nachhing, drehte sich Nate, der zuvor in eine Unterhaltung mit Adam und Ellie vertieft gewesen war, zu mir um, und ich kam in den Genuss seines umwerfenden Lächelns.
Ich blinzelte verwirrt, weil ich plötzlich wieder diese Anziehungskraft zwischen uns spürte, die mich ganz durcheinanderbrachte. Mittlerweile hatte ich Übung darin, das Gefühl zu ignorieren, aber in diesem Moment war ich nicht darauf gefasst gewesen, und es hatte mich kalt erwischt. Das war eben der Haken daran, mit einem Mann befreundet zu sein, der einen vollkommen verstand und zufällig auch noch der heißeste Leckerbissen auf zwei Beinen war, den man je im Leben getroffen hatte.
Dieses Flattern im Bauch, diese Woge unerwarteter Gefühle versetzten mich zurück an den Tag, an dem Nate und ich uns zum ersten Mal begegnet waren. Ganz ehrlich? Ich hätte einen Orden verdient, weil ich meine Gefühle für ihn so gut verbarg …
Sieben Monate zuvor …
Ellies Mutter Elodie Nichols und ihr Mann Clark hatten mich und meinen Vater mit einer Herzlichkeit willkommen geheißen, als wären wir immer schon Teil der Familie gewesen. Das tat nicht nur gut, es machte es mir auch leichter, mich in Jos Freundeskreis zu integrieren. Da mein Dad und ich beschlossen hatten, dauerhaft in Schottland zu bleiben, wollten wir so viel wie möglich an Jos Leben teilhaben. Sie war ein toller Mensch und hatte es in den letzten Jahren nicht leicht gehabt. Sie verdiente jemanden, der sich um sie kümmerte, und es war gut zu wissen, dass Cam diese Aufgabe nun übernommen hatte.
Zusammen mit Cole schloss ich die Tür zu Cams Wohnung auf. Cam und Jo wollten im Laden noch etwas zu knabbern besorgen, und ich hatte beschlossen, schon mal mit Cole vorzugehen, damit die beiden Zeit für sich hatten. Cams Freunde Nate und Peetie, die ich beide noch nicht kannte, würden später vorbeikommen, und bis dahin wollte ich Jo und Cam ein bisschen Zweisamkeit ermöglichen.
Kaum hatten wir die Wohnung betreten, nahm Cole Kurs auf die Spielekonsole im Wohnzimmer, während ich in die Küche ging, um schon mal Schüsseln und Teller für die Snacks bereitzustellen. Ich wusch gerade das Geschirr ab, als ich eine tiefe, sehr männliche Stimme mit schottischem Akzent sagen hörte: »Äh … du bist nicht Cameron.«
Ich fuhr herum, und sämtliche Worte, die eventuell den langen, steilen Weg von meinem Hirn bis nach unten zu meiner Zunge geschafft hatten, gerieten auf den letzten Metern ins Stolpern und knallten der Länge nach hin. Diagnose: Gehirnerschütterung.
Oh.
Zweimal Oh.
Im Türrahmen, die Arme vor der Brust verschränkt, lehnte das verführerischste Exemplar Mann, das meine Augen je erblickt hatten.
Mein Herz begann, wie wild zu klopfen.
Der Unbekannte quittierte meine Sprachlosigkeit mit einer hochgezogenen Augenbraue. »Hat bei dir jemand den Stummschalter gedrückt?«
Das war so komisch, dass mir immerhin ein debiles Grinsen gelang, während ich den Fremden weiter begierig anstarrte. Meine Augen wanderten von seinem Kopf bis hinunter zu den Zehenspitzen, und während ich den Anblick in all seiner Herrlichkeit auf mich wirken ließ, spürte ich ein flaues Gefühl im Magen, unmittelbar gefolgt von einem erregten Kribbeln zwischen meinen Beinen.
Oh.
Okay.
Das war neu.
Ich versuchte – ebenso krampfhaft wie vergeblich –, das Kribbeln zu ignorieren. Wenn ich mit diesem Mann halbwegs vernünftig umgehen wollte, musste ich meine Erregung und meine Schüchternheit in den Griff bekommen. Ich nahm an, dass es sich um Nate handelte. Jo hatte mir bereits alles über Cams ungemein attraktiven Freund erzählt. Und sie hatte nicht übertrieben.
Er sah aus wie ein Filmstar, natürlich gebräunt, wie man es bei einem Schotten gar nicht vermutet hätte, und seine Augen waren so dunkel, dass sie fast schwarz wirkten. Gerade in diesem Moment funkelten sie diebisch. Er lächelte. Er hatte zwei sexy Grübchen und perfekte weiße Zähne. Dazu noch eine gerade, scharfe Nase und Lippen, die ich schamlos anstarren musste, weil sie mich an die eines gewissen dunkelhaarigen, leicht exzentrischen Schauspielers erinnerten, dessen Name mir gerade nicht einfiel. Den schlanken, muskulösen Oberarmen nach zu urteilen, die unter seinen T-Shirt-Ärmeln hervorschauten, war er ausgezeichnet in Form.
Es geschahen noch Zeichen und Wunder: Sein T-Shirt lenkte mich doch tatsächlich von besagten Muskeln ab, denn darauf standen die Worte: »Resistance is futile«.
Widerstand ist zwecklos? Die lähmende Schüchternheit, die mich überfiel, wann immer ich einem attraktiven Vertreter des männlichen Geschlechts gegenüberstand, war wie weggeblasen, und ich brach in schallendes Gelächter aus. »Bist du einer von den Borg, oder was?« Ich zeigte auf seine Brust. Der T-Shirt-Aufdruck war der bekannte Leitspruch einer außerirdischen Spezies aus Star Trek.
Verwundert schaute er an sich herab. Als er danach wieder den Kopf hob, waren seine dunklen Augen kugelrund vor Staunen. Er grinste. »Du hast es kapiert? Die meisten Frauen halten mich für einen eingebildeten Sack.«
Daraufhin musste ich noch mehr lachen. Ich lehnte mich gegen den Küchentresen. »Damit liegen sie vermutlich nicht ganz falsch. Außerdem kann man ihnen den Irrtum kaum verübeln. Du siehst nicht gerade aus wie ein typischer Trekkie.«
Mit einem Mal trat etwas Scharfes, Forschendes in seine Augen. Ich erschauerte, als er langsam den Blick über meinen Körper gleiten ließ, von oben nach unten und wieder zurück. Als er sprach, war seine Stimme noch tiefer als zuvor und ein bisschen rau. »Du auch nicht.«
Sein Blick war wie ein Streicheln auf meiner Haut. Wäre ich nicht ich gewesen, hätte ich glatt vermuten können, dass der Effekt wohlkalkuliert...




