Blum | Opferschutz und Opferhilfe | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 149 Seiten

Reihe: Grundlagen der Kriminalistik

Blum Opferschutz und Opferhilfe

Handlungsempfehlung für die Polizeiarbeit

E-Book, Deutsch, 149 Seiten

Reihe: Grundlagen der Kriminalistik

ISBN: 978-3-7832-0302-8
Verlag: Kriminalistik Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Opferschutz gehört zu den wesentlichen Aufgaben in der Polizeiarbeit und ist auch Bestandteil der polizeilichen Ausbildung. Darüber hinaus ist die Polizei auch Unterstützer einer professionellen Opferhilfe. Dieses Handbuch vermittelt vertiefendes Wissen rund um den polizeilichen Opferschutz und professionelle Opferhilfe. Denn für die Betroffenen, die Opfer, eben jene Menschen, die sich an die Polizei wenden, um nach einer einschneidenden Erfahrung Hilfe und Rat zu erhalten, ist es essentiell, dass sie Polizistinnen und Polizisten begegnen, die sich neben ihrer Rolle als Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft auch als „Freund und Helfer“ verstehen. Im Kontext eines aktuellen Wertewandels in der Gesellschaft und mit Fokus auf Hilfe und Unterstützung für Opfer von Straftaten bietet dieses Handbuch notwendiges Hintergrundwissen und praktische Handlungsempfehlungen für Polizeibeamte und -beamtinnen in Aus- und Fortbildung sowie in der Ermittlungspraxis. Zudem werden Lösungsansätze für Führungskräfte und Entscheidungsträger vorgestellt, um einem bedürfnisorientierten und adäquaten Umgang der Polizei mit Kriminalitätsopfern gerecht zu werden.
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II. Legalitätsprinzip
1. Allgemeine Begriffsbestimmung
Das Legalitätsprinzip, auch als Legalitätsgrundsatz oder Mechanismus der Strafverfolgung bezeichnet, ist der zentrale Grundsatz der Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaft und Ausfluss grundrechtlicher Werte.[1] Als solches ist es ein wichtiger Bestandteil im Strafverfahren, dessen Ziele die materielle als auch prozedurale Gerechtigkeit sind. Das Strafverfahren dient der Wiederherstellung des Rechtsfriedens und ist „[…] somit das Instrument zur Bewältigung eines strafrechtlichen Konflikts“[2]. Der Rechtsfrieden wird u.a. dadurch erreicht, dass dem Verdacht eines Normbruchs nachgegangen wird und, sollte sich der Verdacht bestätigen, dieser Normbruch mittels festgelegter Sanktionsnormen des materiellen Strafrechts geahndet wird. Dergestalt wird der Gesellschaft demonstriert, dass die Norm auch weiterhin ein allgemein gültiges Orientierungsmuster darstellt.[3] Nicht zuletzt ist es daher im Interesse der Rechtsgütergemeinschaft, dass die Strafverfolgungsorgane – an erster Stelle die Staatsanwaltschaft – sich dazu verpflichten, nicht nur unparteiisch, sondern auch frei von Willkür jedem Verdacht und jedem Verdächtigen mit der gleichen Intensität gegenüber zu treten.[4] Diese Verpflichtung zur Ermittlungsaufnahme und ggf. Anklageerhebung wird heute durch den Legalitätsgrundsatz per Gesetz manifestiert. Die „[…] besondere Hervorhebung dieses Grundsatzes in Bezug auf die Staatsanwaltschaft […]“[5] ist in ihrem historischem Hintergrund zu finden. 2. Historische Entwicklung des Legalitätsprinzips
Bereits im Jahr 1877 gilt im Deutschen Reich das Legalitätsprinzip als wesentlicher Grundsatz im Strafverfahren. Als Teil der staatlichen Machtausübung unterliegt auch damals das Strafverfahren bereits den Grenzen des Rechtsstaatsprinzips, welches sich aus der damaligen Verfassung und heute aus dem Grundgesetz (GG) ergibt. Allerdings wird bei der Bestimmung des Legalitätsprinzips im Jahr 1877 lediglich von einem rein formellen Rechtsstaatsprinzip ausgegangen. Derart gelten bis zum Inkrafttreten des heutigen GG im Jahr 1949 ausschließlich die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und die Gewaltenteilung.[6] Dieses Verständnis verändert sich erst mit der Nachkriegszeit ab 1945. Neben der rein formellen Ausgestaltung entwickelt sich nun auch eine materielle Ausgestaltung des Rechtsstaatsprinzips. Die Elemente der Rechtssicherheit, der Verhältnismäßigkeit sowie der Bindung an Grundrechte erweitern den zuvor reinen Gesetzesstaat um die Eigenschaft eines Gerechtigkeitsstaats.[7] Nachgeschlagen: Strafprozeßordnung vom 1.2.1877[8] Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc. verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths (sic!) und des Reichstags, was folgt: … Zweites Buch. Verfahren in erster Instanz. Erster Abschnitt. Oeffentliche Klage. § 152 Zur Erhebung der öffentlichen Klage ist die Staatsanwaltschaft berufen. Dieselbe ist, soweit nicht gesetzlich ein Anderes bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller gerichtlich strafbaren und verfolgbaren Handlungen einzuschreiten, sofern zureichende thatsächliche (sic!) Anhaltspunkte vorliegen. Mit dem § 152 II der Strafprozessordnung – auch als Reichsstrafprozessordnung bezeichnet – von 1877 wird das Legalitätsprinzip erstmals in einem Gesetz verankert. Die Staatsanwaltschaft erhält hierdurch die uneingeschränkte Ermittlungs- und Anklagezuständigkeit.[9] Mit dieser Verpflichtung zur Strafverfolgung aller bekanntgewordenen Straftaten soll der Möglichkeit einer politischen Einflussnahme auf die Strafverfolgung vorgebeugt werden.[10] Zudem ist die uneingeschränkte Pflicht zur Strafverfolgung logische Folge aus der damals vorherrschenden Vergeltungstheorie, der zufolge jede Übertretung des Gesetzes ohne Ausnahme im Sinne der Gerechtigkeit geahndet werden muss.[11] Das Gesetz in seiner damaligen Fassung enthält zum einen die Möglichkeit eines Klageerzwingungsverfahrens, das es dem Verletzen durch ein gerichtliches Verfahren ermöglicht, die Einhaltung des Legalitätsprinzips durch die Staatsanwaltschaft einzufordern. Zum anderen stützen diverse Strafandrohungen im materiellen Recht das Legalitätsprinzip und schützen es vor einer vorsätzlichen Missachtung.[12] Gleichzeitig werden aber auch erste Einschränkungen des Legalitätsgrundsatzes gesetzlich verankert – bestimmte Delikte unterliegen nicht (mehr) dem Legalitätsprinzip.[13] Für Auslandstaten fällt die Strafverfolgung vollständig in das Ermessen der Staatsanwaltschaft.[14] Zudem tritt bspw. die Privatklage neben das Legalitätsprinzip. Mit ihr wird das Opportunitätsprinzip, d.h. eine juristische Handlungsfreiheit innerhalb eines in Gesetzen festgesteckten Rahmens, fest in die Strafprozessordnung integriert.[15] Für eine tiefergehende Erläuterung des Opportunitätsprinzips wird an dieser Stelle bereits auf Kapitel II.4 dieses Buches verwiesen. Mit der sogenannten „Lex Emminger“ des Jahres 1924 folgen weitere Einschnitte in die staatsanwaltschaftlichen Handlungen nach dem Legalitätsprinzip. Durch die §§ 153 und 154 der Reichsstrafprozessordnung ist es nun möglich, Bagatelldelikte oder Straftaten mit geringerer Schuld des Täters sowie Straftaten mit unbedeutenden Folgen nach dem Opportunitätsprinzip „abzuarbeiten“.[16] Der Strafverfolgungs- sowie der Anklagezwang sind aufgehoben, soweit kein besonderes öffentliches Interesse am Einsatz des Strafrechts besteht.[17] Im Verlauf der NS-Zeit nehmen die Durchbrechungen des Legalitätsprinzips weiter zu. Das dem Prinzip „nulla poena sine lege“ (Übersetzung: „keine Strafe ohne Gesetz“) zu Grunde liegende Analogieverbot, das sich heute aus Art. 103. II GG ergibt – nachdem eine Strafe nur nach einem konkret benannten und nicht nur nach einem analog angewandten Gesetz geahndet werden darf –,wird im Jahr 1935 aufgehoben.[18] Das Klageerzwingungsverfahren wird ebenfalls gestrichen.[19] Der ursprüngliche Gedanke mit dem Legalitätsprinzip eine Machtkontrolle ausüben zu können oder eine mögliche politische Einflussnahme zu verhindern ist nun kaum mehr möglich. Nach dem 2. Weltkrieg wird schließlich die ehemalige Formulierung des Legalitätsprinzips in § 152 II der nun gültigen Strafprozessordnung (StPO) wiederhergestellt. Das Opportunitätsprinzip bleibt jedoch weiterhin gesetzlich erhalten und wird fester Bestandteil strafprozessualen Arbeitens.[20] 3. Begriffsbestimmung vor dem Hintergrund des geltenden Rechts
In der aktuellen Fassung der StPO ist das Legalitätsprinzip bzw. der Legalitätsgrundsatz in § 152 II StPO verankert und wird in den §§ 160 I und 170 I StPO konkretisiert. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass bei einem Vergleich des Wortlauts der heutigen Fassung zum Legalitätsprinzip in der Fassung von 1877 (s. Kapitel II. 2) auffällt, dass sich diesbezüglich kaum etwas verändert hat. Durch die Verankerung in der StPO findet das Legalitätsprinzip den Weg ins materielle Recht.[21] Gem. § 152 II StPO ist, soweit nicht anders gesetzlich bestimmt, die Staatsanwaltschaft beim Vorliegen zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte auf eine strafbare Handlung dazu verpflichtet einzuschreiten und von ihren Zwangsbefugnissen Gebrauch zu machen.[22] Nachgeschlagen: § 152 II StPO – Anklagebehörde; Legalitätsgrundsatz (1) Zur Erhebung der öffentlichen Klage ist die Staatsanwaltschaft berufen. (2) Sie ist, soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Eine strafbare Handlung liegt rein formell dann vor, wenn für ein bestimmtes Verhalten per Gesetz eine Strafe angedroht wird.[23] Der Strafverfolgungszwang ist der konsequente Ausfluss des Anklagemonopols, welches sich aus § 152 I StPO ergibt.[24] Weiterhin hat die Staatsanwaltschaft gem. § 160 I StPO den zugrundeliegenden Sachverhalt zu erforschen und gem. § 170 I StPO ggf. zur Anklage zu bringen, wenn gegen den Beschuldigten ein hinreichender Tatverdacht begründet werden kann. Trotz dieses rein formell im Ermittlungsverfahren direkt verankerten Grundsatzes bezieht sich das Legalitätsprinzip aber auch auf das Zwischen- und Hauptverfahren.[25] Somit kommt dem Legalitätsprinzip im deutschen Strafverfahrensrecht eine doppelte Bedeutung zu.[26] Es wird unterschieden zwischen dem Legalitätsprinzip im engeren Sinne und dem Legalitätsprinzip im weiteren Sinne.[27][28] Im engeren Sinne versteht man unter dem Legalitätsprinzip die zuvor erwähnte Strafverfolgungsverpflichtung der Staatsanwaltschaft, die sich direkt aus den §§ 152 II, 160 I und 170 I StPO ergibt. Derart ist das Legalitätsprinzip in diesem Sinne ein „[…] auf das Ermittlungsverfahren zielendes Strukturprinzip des Strafverfahrensrechts“[29]. Im weiteren Sinne...


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