E-Book, Deutsch, 1015 Seiten
Reihe: Zeitenliebe
A. Zeitenliebe: Alle Bände der romantischen "Zeitenliebe"-Trilogie in einer E-Box!
1. Auflage, Mehrfachband 2018
ISBN: 978-3-646-30130-4
Verlag: Carlsen
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Zeitreise-Liebesroman voller Gefühl und unerwarteter Begegnungen am Adelshof
E-Book, Deutsch, 1015 Seiten
Reihe: Zeitenliebe
ISBN: 978-3-646-30130-4
Verlag: Carlsen
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ewa A. erblickte 1970 als fünftes Kind eines Verlagsprokuristen und einer Modistin das Licht der Welt. Im Jahr 2014 erfüllte sie sich den Traum, das Schreiben von Geschichten zu ihrem Beruf zu machen, und wurde selbständig freiberufliche Autorin. Nach wie vor lebt sie mit ihrem Ehemann und den zwei gemeinsamen Kindern in der Nähe ihres Geburtsortes, im Südwesten Deutschlands.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
KAPITEL 1
Schloss Gerwulf, 2019
»O mein Gott, es ist tatsächlich ein Schloss! Ich dachte immer …« Verdattert hielt Elda in ihrem Gestammel inne.
»Was?«, fragte Julia amüsiert, die neben ihr herlief und ein Fahrrad schob. »Dass ich dich anlüge?«
»Nein!«, erwiderte die siebzehnjährige Elda empört. »Ich hatte vermutet, dass dein Zuhause bloß ein etwas größeres, älteres Haus ist. Aber nicht, dass es sich um solch einen beeindruckenden Palast aus dem letzten Jahrhundert handelt.«
»Vorsicht, meine Liebe. Du meinst wohl aus dem vierzehnten Jahrhundert. Dein Glück, dass meinen Vater dich nicht gehört hat, sonst würde er dich durch die gruselige Ahnengalerie schleppen und dir die Ohren mit langweiligen Einzelheiten der von Gerwulfs vollquasseln. Glaub mir, das willst du nicht.«
Ihr Feriendomizil, das inmitten eines kleinen Dorfes lag und von einer hohen Mauer umgeben war, grenzte an eine lange Kastanienallee. Jul, wie sie Julia von Gerwulf nannte, war so lieb gewesen sie mit dem Rad vom Bahnhof abzuholen. Auf den winzigen Gepäckträger hatten sie ihren vollgestopften Trolley gepackt.
Fünf Wochen würde Elda bei den Gerwulfs verbringen. Ein bisschen mulmig war ihr schon zumute, da sie, außer Jul, keinen der Familie kannte. Doch lieber verbrachte sie ihre Sommerferien mit ihrer Freundin und deren Familie als mit ihrer eigenen. Und zwar mit keiner von beiden, die ihr durch die Scheidung ihrer Eltern zur Wahl standen. Bei ihrem Vater, der derzeit mal wieder eine neue Flamme hatte, würde sie sich wie das fünfte Rad am Wagen vorkommen. Sie wollte ihrem alten Herrn nicht dabei zuschauen, wie er eine Tussi abknutschte, die ihre ältere Schwester sein könnte. Die Ferien bei ihrer Mutter zu verbringen war leider auch keine Option. Dort wäre sie nur zu einem weiteren unnötigen Anhängsel mutiert.
Nachdem ihre Mutter den Mann geheiratet hatte, der nicht ganz unschuldig an der Trennung ihrer Eltern gewesen war, hatte sie Zwillinge bekommen, die bis heute ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen. Obwohl die Geburt der zwei kleinen Racker der Grund gewesen war, dass ihre Mutter und ihr Stiefvater Erik Elda erst für ein Jahr nach England und danach ins Internat abgeschoben hatten, liebte sie ihre Halbgeschwister über alles. Doch die vier waren eine perfekte Familie – und sie bloß ein Gast. Obwohl Erik das nie in Worte fassen würde, spürte sie, dass er genau das dachte. Er wollte sie nicht im Haus haben. Das war nie der Plan gewesen. Schon damals hatte ihre Mutter ihren Vater und sie bei Nacht und Nebel sitzen gelassen, um das Leben mit ihrem neuen Lover zu genießen. Doch der Alltag hatte ihre Mutter schneller eingeholt als gedacht, weswegen Elda schließlich nach einem Jahr doch noch bei ihr hatte einziehen dürfen. Allerdings war sie nicht lange in dem neuen Heim ihres Stiefvaters geblieben. Bald hatte Erik ihre Mutter überredet, dass Elda ein Jahr im Ausland guttun würde und sie dort ihre Englischkenntnisse erweitern konnte.
Aber Elda wollte sich nicht darüber beklagen. Denn aufgrund dessen und ihrer Ehrenrunde in einem anderen Jahr zuvor hatte sie, als sie wieder zurück in Deutschland war, ein weiteres Schuljahr wiederholen müssen, was sie letztlich mit Jul zusammengeführt hatte. Jul war seitdem ihre beste Freundin, auf die sie nie und nimmer verzichten wollte.
»Ich hoffe, deine Eltern können mich leiden. Es wäre schrecklich, wenn ich ihnen zuwider wäre und sie mich fünf Wochen ertragen müssten.« Nervös rückte Elda die Hornbrille auf ihrer Stupsnase zurecht. Normalerweise trug sie Kontaktlinsen, doch da bei ihrer Abreise am Internat starker Wind geherrscht hatte, hatte sie darauf verzichtet. Zwar vergrößerten die Gläser ihre Augen um ein Vielfaches und sie wirkte damit wie ein permanent erstauntes, ängstliches Kaninchen, aber das war ihr gleich. Im Gegensatz zu Jul legte sie keinen besonderen Wert auf ihre äußere Erscheinung. Praktisch und bequem, das war ihre Devise und die betraf sowohl ihre Kleidung als auch ihre Frisur – und ihre Schuhe erst recht. Aus diesem Grund schlurfte Elda in ihren ältesten Turnschuhen und Jeans hinter Jul in das Schloss. Ihre braunen Haare hatte sie wie immer zu einem groben Knoten geschlungen, aus dem sich mittlerweile mehrere Strähnen gelöst hatten.
»Natürlich werden meine Eltern dich leiden können. Warum auch nicht?«, versuchte Jul die Zweifel ihrer Freundin zu zerstreuen. »Du bist keine Zicke, immer höflich und nett. Wahrscheinlich wollen sie dich nach den Ferien gar nicht mehr gehen lassen.« Das blonde Mädchen riss die Augen auf. »Wäre das nicht geil? Du und ich hier zusammen. Dann wären wir wieder in einer Klasse.«
Elda schnaubte. »Ja, das wäre es. Es dürfte aber auch ziemlich cool werden, wenn du die beiden letzten Jahre doch bei mir auf dem Internat bleiben würdest. Anstatt mich allein zurückzulassen und wieder nach Hause zu gehen, um das Gymnasium hier zu besuchen.«
»Ja, ich weiß. Aber … irgendwie hat es mich jetzt nach der langen Zeit doch immer mehr hierher zurückgezogen.« Jul machte eine schuldbewusste Grimasse und Elda bereute ihren Vorwurf sofort.
Zerknirscht erwiderte sie: »Entschuldige, das war gemein von mir. Wenn ich so eine tolle Familie hätte wie du, würde ich dem Internat wohl auch lieber früher als später den Rücken kehren.«
»Ach, El, du hast ja recht. Eigentlich muss ich mich bei dir entschuldigen, dass ich dich allein unter den Blödmännern zurücklasse.«
»Quatsch. Ich kann es ja verstehen. Außerdem sind ja hoffentlich Helena und Maria noch da, wenn ich Ende August wieder ins Internat fahre. Mach dir keinen Kopf deswegen.« Elda atmete durch und schaute sich ihre Umgebung genauer an. Sie drehte sich um ihre eigene Achse. »Wow, das ist ja wirklich wie im Märchen.«
Sie standen in der prächtigen Eingangshalle, die in edlem Weiß und Gold erstrahlte. Über dem hellen Marmorboden wölbte sich wie ein Segel die mit Stuck verzierte Decke, die von mehreren Säulen getragen wurde. Zwei Treppen führten in synchron verlaufender Windung ins Obergeschoss. Jede einzelne der unzähligen geschnitzten Geländerstreben bestand aus Ranken und Blüten. Dieselben Verzierungen fanden sich ebenso an allen sichtbaren Türen. Nach der sommerlichen Hitze draußen war es hier drin angenehm kühl.
»Ein bisschen too much, oder?«, meinte Jul. »Aber mein Vater will es genau so erhalten. Abgesehen davon steht das Gebäude unter Denkmalschutz und das bedeutet, man kann es nicht nach Belieben verändern oder erneuern, sondern muss sich an gewisse Auflagen halten.«
»Ich bin schon gespannt, wie dein Zimmer aussieht, Prinzessin Julia«, grinste Elda frech.
»Leider nur Komtess Julia. Nichts mit Prinzessin«, korrigierte Jul sie gespielt geknickt und beide lachten. »Aber egal, was ich bin, jetzt stell ich dich auf jeden Fall erst mal meiner Familie vor. Lass den Trolley einfach hier stehen, wir nehmen ihn nachher mit aufs Zimmer.«
Elda stellte ihren Koffer neben eine Säule und folgte ihrer Freundin, die eine der vielen Türen öffnete, aber gleich wieder schloss.
»Hm, hier ist niemand. Wo sind die denn? Mama müsste doch da sein.« Sie holte Luft und rief laut in die Halle hinein, die ihre Stimme weiterschallen ließ. »Huhu, wo seid ihr denn alle? Keiner zu Hause?«
Eine Sekunde später antwortete aus der Ferne eine weibliche Stimme: »Hallo, wir sitzen draußen.«
»Ah, sie sind auf der Terrasse«, kommentierte Julia und schnappte ihre Freundin am Handgelenk.
Eldas Hände wurden feucht vor Aufregung. Mit wackeligen Knien ließ sie sich von ihrer Freundin unter der Galerie hindurch den Gang entlangschleifen, der auf eine offen stehende Doppeltür zustrebte. Nach einer weiteren Schiebetür traten sie ins Freie. Eine steinerne Terrasse bot sich ihnen dar, die vom Stil her zu einem Palazzo hätte gehören können. Doch anstelle von Pinien und Zypressen umgaben den Freisitz Tannen und Fichten. In Rattan-Loungemöbeln, die im Schatten des Hauses standen, saßen eine blonde Frau und zwei Männer. Der ältere der beiden hatte schwarze Haare, die an den Schläfen bereits ergraut waren. Der jüngere schien höchstens ein oder zwei Jahre älter als sie selbst zu sein und war ebenso wie sie brünett. Elda war von der neuen Umgebung und den vielen Eindrücken dermaßen fasziniert, dass sie erst einen Moment später die überraschten, fast schon fassungslosen Gesichter der drei Anwesenden wahrnahm. Sie hörte das geflüsterte »O mein Gott!« der älteren, aber noch immer attraktiven Frau, die der Ähnlichkeit nach Juls Mutter sein musste. Überrumpelt von dem befremdlichen und beinahe unhöflichen Verhalten ihrer Gastfamilie, blieb Elda erstarrt stehen.
Großartig, dachte sie voller Ironie. Sie musste wohl einen fantastischen ersten Eindruck hinterlassen haben. Wie sollte sie auf dieses Willkommen reagieren?
»Wer bist du? Wie ist dein Name?«, kam es unvermittelt aus dem Sessel, in dem der junge Mann saß. Obwohl er keinerlei Ähnlichkeit mit Jul oder deren Eltern aufwies, lag es nahe, dass er Juls Bruder sein musste.
Nachdem Elda ihn eingehend betrachtet hatte, betete sie im Stillen, dass sie mit ihrer Vermutung falschlag. Denn mit seinem Kleidungsstil, den Lederarmbändern, der hippen Undercut-Frisur und dem Tattoo, das auf seinem linken Unterarm prangte und unter seiner rechten Hand hervorblitzte, wirkte er wie einer dieser halb nackten Bad Boys, die auf Liebesromanen abgebildet waren. Es fiel Elda schwer, keine ablehnende Grimasse zu ziehen. Denn sie kannte diese Typen zur Genüge und hasste sie wie die Pest, weil sie sich leider auch auf ihrem Internat herumtrieben.
In jeder Schulstufe waren sie in Rudeln vertreten. Sie machten auf coolen, harten...




