Abidi / Koeseling | Schlachtfeld Klassentreffen | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

Abidi / Koeseling Schlachtfeld Klassentreffen

Von alten Feinden in neuem Gewand
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-95910-097-7
Verlag: Eden Books - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Von alten Feinden in neuem Gewand

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

ISBN: 978-3-95910-097-7
Verlag: Eden Books - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Die Stunde der Wahrheit ist gekommen - Zeit fürs Klassentreffen! Seien wir ehrlich: In Wirklichkeit interessiert es uns doch alle, ob die frühere Klassenschönheit immer noch so verdammt gut aussieht, der absolute Mädchenschwarm mittlerweile einen Bierbauch vor sich herträgt und Streber Peter auch mit vierzig noch im Hotel Mama wohnt. Von überraschenden Verwandlungen über ungelöste Konflikte bis hin zu Dingen, die sich einfach niemals ändern werden - eins ist klar: Beim Wiedersehen der etwas anderen Art wird es schräg!

Heike Abidi, ist freiberufliche Werbetexterin und Autorin. Sie schreibt vor allem Unterhaltungsromane für Erwachsene sowie für Jugendliche und Kinder. Mit Mann, Sohn und Hund lebt sie in der Pfalz bei Kaiserslautern.
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Ein klasse Treffen


Das Schreiben war im Altpapier gelandet. Erst am Container fiel es Martin Meier wieder in die Hände, als er mit klammen Fingern versuchte, einen leeren Eierkarton hochkant in den Öffnungsschlitz zu schieben. Es nieselte ihm nasskalt in den Nacken, und an den Fingerspitzen fror er, obwohl es bereits März war, geradezu erbärmlich. Martin Meier steckte den Brief ein wenig umständlich in seine vordere rechte Manteltasche und vergaß ihn, bis er am übernächsten Morgen nach seinem Wohnungsschlüssel suchte und stattdessen das Kuvert ertastete.

Kurios, dass sie die Einladungen schon so früh verschickten. Bestimmt hatten sie es längst in den sozialen Netzwerken kommuniziert, die wichtigsten Zusagen auf elektronischem Wege eingesammelt und nur den virtuell Verschollenen noch ein – zugegebenermaßen freundliches – Erinnerungsschreiben zukommen lassen. Wie viele Adressen wohl noch stimmen mochten? Ein Wunder geradezu, dass sie seine hatten, war er doch erst vor einem halben Jahr in die billige Vorortbude gezogen. Zwar studierte er noch immer in der Stadt, in der er vor fast zehn Jahren sein Abitur abgelegt hatte, aber die Stadt war groß, und seine Adresse hatte recht häufig gewechselt, genau wie seine Studiengänge.

Martin Meier fragte sich, ob sie seine neue Adresse von seinen Eltern haben könnten. Bei dem Gedanken empfand er eine gewisse Scham, hatte er seine Eltern zuletzt vor über drei Jahren empfangen, als er noch mit Claudia zusammenlebte. Nachdem sich die Sache mit Claudia erledigt hatte, hatten sich auch die Eltern rargemacht – vielleicht weil sie ahnten, dass die Attraktivität seiner Bleibe mit dem Verlust des weiblichen Faktors ebenfalls schwinden würde. Wie richtig sie damit doch lagen und wie lieb von ihnen, seine Adresse weiterzugeben, ohne dabei am Telefon in Tränen auszubrechen. Gewiss waren sie tapfer geblieben und hatten den schönen Schein gewahrt. Er würde sie einladen müssen – bald, wenn er wieder Land sah.

Martin Meier war nie der Typ gewesen, der die Organisation von irgendetwas an sich riss.

Wer wohl zum »Orga–Team« gehörte, das den Brief mit diesem Ausdruck unterzeichnet hatte? Bestimmt Silke und Rainer. Es waren immer Silke und Rainer gewesen. Damals, bei der Abiturfeier, hatten sie diesen sündhaft teuren Amischlitten klargemacht, der die Spitze ihres Jubelkorsos bildete, und auch die Tanzband, das Buffet und die Örtlichkeit. Es war seinerzeit schwer gewesen, irgendetwas über die Köpfe von Silke und Rainer hinweg zu entscheiden, und am besten man machte es wie Martin Meier, der sie einfach machen ließ. Martin Meier war nie der Typ gewesen, der die Organisation von irgendetwas an sich riss, im Gegenteil: Er liebte es, den Dingen ihren Lauf zu lassen. Das »Orga–Team« hatte also seinen Segen – wer auch immer es sein mochte.

Es war klar, dass Martin Meier nicht zum Abiturnachtreffen gehen konnte. Das war völlig ausgeschlossen. Zu schnell wäre seine Geschichte erzählt gewesen. Zum Wehrdienst untauglich hatte er sich direkt nach dem Abi als Student an der Uni seiner Heimatstadt eingeschrieben, und exakt dies entsprach auch heute noch seinem Status. Nichts hatte sich seitdem geändert, nichts, außer dass er nach sechs quälenden Jahren die Juristerei an den Nagel hängte und nach hartem Ringen mit sich selbst gegen ein Studium der Psychologie eintauschte. Einen guten Psychotherapeuten würde er – wie die meisten gescheiterten Juristen – dereinst gebrauchen können, also sah er am besten zu, dass aus ihm selbst einer würde. Leider stand auch dieser Versuch unter keinem guten Stern, denn die arrogante Humorlosigkeit der Psychologiestudenten setzte ihm derart zu, dass er sich bald schon nicht einmal mehr in die Pflichtseminare hineintraute. Nur in den eigenen vier Wänden fühlte er sich sicher – so sicher, dass Claudia sich irgendwann sicher war, diese vier Wände lieber heute als morgen verlassen zu müssen. Am Boden der Tatsachen angelangt konstatierte Martin Meier, dass er, seinen hervorragenden Voraussetzungen zum Trotz, offenbar lebensuntüchtig war. Somit blieb ihm neben dem Suizid, den er aus Angstgründen konsequent ablehnte, nur eine Wahl: Lehrer werden. An dem Tag, an dem er sich für das Lehramt der Fächer Deutsch und katholische Religion an Berufsschulen einschrieb, regnete es Bindfäden. Wie hätte auch die Sonne scheinen können?

Nein, das Abiturnachtreffen ging gar nicht. Also warf Martin Meier das freundliche Schreiben ins Altpapier, nicht ohne aber zuvor noch den Termin des Treffens in seinen zerfledderten Taschenkalender einzutragen.

In den folgenden Wochen zog der Frühling ins Land. Er kam, wie in den vorangegangenen Jahren, mit recht hohen Temperaturen daher, und Martin Meier schwitzte sich in überfüllten Hörsälen zwischen unerhört kindischen Kommilitonen sitzend den Abschlussklausuren entgegen. Wie er Einführungsveranstaltungen hasste. Und wie sie in allen Fächern doch das Gleiche dozierten. Es war, als gäbe es bei genauerer Betrachtung tatsächlich nur einen einzigen Studiengang, dessen Name lautete: »Wie ich es schaffe, irgendwie doch noch Akademiker zu werden, um einen Vorteil im Leben zu erlangen und meine Kontaktanzeigen in etablierten Wochenzeitungen mit den Worten Gut situierter Akademiker sucht beginnen lassen zu können«. Es gab nichts, worauf Martin Meier in diesen Tagen hätte stolz sein können, also tat er das aus seiner Sicht Vernünftigste und hielt sich aus dem öffentlichen Leben so gut es ging heraus.

Es kam der 23. Mai und mit ihm der Tag des Abiturnachtreffens. Wahrhaft ein historisches Datum – auch für Martin Meier, der einen festen Plan für diesen Abend gefasst hatte. Es begann damit, dass er sich am späten Nachmittag in die Badewanne legte. Neben dem überraschend großen Balkon war das Badezimmer das zweite echte Highlight seiner billigen Bude, denn es gab außer der geräumigen Dusche auch eine altrosafarbene Badewanne mit wunderbar altmodischen und nicht ganz rostfreien Dreharmaturen. Hätte er schon mal Besuch empfangen, wären sie gewiss sehr gelobt worden, zumindest von denjenigen, die noch mit etwas Traditionsbewusstsein an die Dinge herangingen. Normalerweise badete Martin Meier nicht, heute aber ließ er extra viel Wasser ein, sah den Schaumbergen beim Wachsen zu und näherte sich dabei seiner inneren Mitte. Seine innere Mitte war dreißig Jahre alt und hatte einmal geglaubt, eine große Zukunft vor sich zu haben. Aber ein ausgedehntes lauschiges Schaumbad am späten Nachmittag war ja schließlich auch nicht schlecht.

Nach dem Baden machte Martin Meier Raclette. Den Raclette–Ofen hatten seine Eltern ihm vor mehreren Jahren einmal für Silvester ausgeliehen. Niemand hatte hinterher mehr danach gefragt, also war Martin Meier jetzt wohl sein rechtmäßiger Besitzer. Zur Feier des Tages legte er sogar eine Tischdecke auf und wählte das ordentlichste seines spärlichen Geschirrs. In kleinen Schälchen hatte er allerlei Zutaten vorbereitet – Gemüse, Zwiebeln, Pilze, Käse, Schinken, Salami und vieles mehr. Er hatte Kartoffeln mit der Schale vorgekocht, und ein paar Fleischstückchen legte er auf die mit etwas Öl beträufelte Grillfläche. Von den acht Raclette–Pfännchen nutzte er nur eines, denn es sollte ein möglichst langer und gemütlicher Abend werden. Doch trotz aller Gemütlichkeit schaffte es Martin Meier nicht, das Raclette–Essen mit sich selbst länger als anderthalb Stunden hinauszuziehen. Also räumte er den Tisch wieder ab, verstaute die ungegessenen Zutaten im Kühlschrank und säuberte den Raclette–Grill, so gut er konnte.

Es war etwa zwanzig Uhr fünfzehn, als er die kleine Küche in ihren vorherigen Zustand zurückversetzt hatte. Das Abiturnachtreffen hatte um achtzehn Uhr begonnen. Wahrscheinlich saßen sie schon beim Essen und führten die unvermeidlichen Gespräche: mein Job, mein Haus, mein Auto. Zum Glück hatte sich Martin Meier ein attraktives Kontrastprogramm ausgedacht: Lesen bei Kerzenschein. An diesem Abend sollte es ein ganz besonderes Buch sein, eines, das in den Kanon der Weltliteratur gehörte und das er bereits mehrfach aufgeschlagen, aber nie auch nur ansatzweise zu Ende gebracht hatte. Er mümmelte sich so bequem es ging in seinen Sitzsack und begann die ersten Worte zu lesen: »Stattlich und feist erschien Buck Mulligan am Treppenaustritt, ein Seifenbecken in Händen, auf dem gekreuzt ein Spiegel und ein Rasiermesser lagen.« Martin Meier hielt inne und legte das Buch zur Seite. Er sollte sich rasieren gehen. Immerhin war heute nicht irgendein Abend. Also ging er ins Bad, quetschte den letzten Rest Schaum aus seinem Spender und ließ die Klingen über seine Stoppeln gleiten. Nachdem die letzte Unebenheit geglättet und die letzte kleine Blutung gestillt war, hockte er sich wieder in seinen Sitzsack und überlegte, ob er mit dem zweiten Satz fortfahren oder wieder mit dem ersten beginnen sollte. Er entschied sich für den ersten.

Das Lesen fiel Martin Meier trotz der angenehmen Atmosphäre nicht leicht, und er musste sich mehr durch die Seiten quälen, als er sich eingestehen mochte. Erst gegen 23 Uhr hatte er die Stelle erreicht, an der Mr Leopold Bloom die Bühne der Erzählung betrat. Ein guter Moment, um eine Pause zu machen. Martin Meier schloss das Buch und überlegte, zu Bett zu gehen. Er war wirklich hundemüde, aber es wäre eine Niederlage, sich dies einzugestehen. Auch wenn er nicht direkt an das Abiturnachtreffen dachte, so dachte er doch, dass er an diesem Abend etwas Besseres als ein Abiturnachtreffen erleben müsste. Frühzeitig zu Bett zu gehen, war nichts, womit man imaginären Gesprächspartnern imponieren konnte, selbst wenn sich kaum eine genialere Erfindung als das Bett denken ließ. Aber das galt...


Abidi, Heike
Heike Abidi, ist freiberufliche Werbetexterin und Autorin. Sie schreibt vor allem Unterhaltungsromane für Erwachsene sowie für Jugendliche und Kinder. Mit Mann, Sohn und Hund lebt sie in der Pfalz bei Kaiserslautern.

Koeseling, Anja
Anja Koeseling war als Journalistin und Publizistin tätig, bevor sie 2008 die Literaturagentur Scriptzz mit Sitz in Berlin gründete. Heute schreibt sie Sachbücher.

Heike Abidi, ist freiberufliche Werbetexterin und Autorin. Sie schreibt vor allem Unterhaltungsromane für Erwachsene sowie für Jugendliche und Kinder. Mit Mann, Sohn und Hund lebt sie in der Pfalz bei Kaiserslautern.Anja Koeseling war als Journalistin und Publizistin tätig, bevor sie 2008 die Literaturagentur Scriptzz mit Sitz in Berlin gründete. Heute schreibt sie Sachbücher.



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