Adair | Oh dear! Miss Mount und der Mord im Herrenhaus | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 1, 304 Seiten, Format (B × H): 125 mm x 205 mm

Reihe: Miss Mount

Adair Oh dear! Miss Mount und der Mord im Herrenhaus


1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-311-70294-8
Verlag: OKTOPUS bei Kampa
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, Band 1, 304 Seiten, Format (B × H): 125 mm x 205 mm

Reihe: Miss Mount

ISBN: 978-3-311-70294-8
Verlag: OKTOPUS bei Kampa
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Weihnachten 1935. Ein verschneites Herrenhaus am Rande von Dartmoor in der englischen Grafschaft Devon. Freunde des Hauses haben sich bei Colonel Roger ffolkes (sic!) zum Festessen versammelt - oben, im Dachgeschoss, liegt die Leiche von Raymond Gentry, einem Klatschkolumnisten und Erpresser. In seinem Herzen steckt eine Kugel. Aber die Tür zum Dachzim mer war von innen verschlossen, das einzige Fenster ist mit dicken Eisenstangen vergittert, und vom Täter oder seiner Waffe fehlt jede Spur. Glücklicherweise (wenngleich nicht für den Mörder) ist einer der Gäste an diesem Abend die fabelhafte Evadne Mount, erfolgreiche Autorin zahlloser klassischer Krimis, ihre Spezialität: locked in mysteries. Wer also sollte geeigneter sein, den seltsamen Dachbodenmord zu lösen? Der unsympathische Scotland-Yard-Inspektor Trubshaw mit Schnauzbart und Pfeife? Eher unwahrscheinlich.

Gilbert Adair wurde 1944 in Edinburgh geboren, lebte von 1968 bis 1980 in Paris und anschließend in London, wo er 2011 starb. Er war Schriftsteller, Drehbuchautor, Übersetzer und Kolumnist und schrieb u.a. die Romane Blindband, Der Tod des Autors, Liebestod auf Long Island, Der Schlüssel zum Turm und Träumer. Aufsehen erregte auch seine Übersetzung von Georges Perecs Roman La Disparition, der im Original wie in der Übersetzung ohne den Buchstaben E auskommt.
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Erstes Kapitel


»So was kann man sich eigentlich nur in Büchern vor- stellen!«

Mit zitternder Hand zündete der Colonel seine Zigarre an und fügte dann hinzu: »Verd… noch mal, Evadne, es könnte eines von deinen sein!«

»Ah, ja!«, schnaubte die angesprochene Lady und rückte den Kneifer auf ihrer Nasenwurzel zurecht. »Das beweist nur, was ich mir schon lange gedacht habe.«

»Was soll das heißen?«

»Dass du geschwindelt hast, als du mir erzähltest, wie sehr du meine Sachen magst.«

»Geschwindelt? Also, von allen …«

»Wenn du meine Romane wirklich lesen und nicht nur so tun würdest, Roger ffolkes, würdest du wissen, dass ich nie etwas mit verschlossenen Räumen mache. Das überlasse ich John Dickson Carr.«

Der Colonel überlegte offenkundig, wie er sich am besten aus der Klemme befreien konnte, in die er sich hineingeredet hatte, als seine Tochter Selina, die bis zu diesem Augenblick, das Gesicht in den Händen vergraben, neben ihrer Mutter auf dem Sofa gesessen hatte, die beiden plötzlich aufschrecken ließ und schrie: »Um Gottes willen, ihr zwei, jetzt hört doch auf! Ihr seid einfach widerlich, wenn ihr euch benehmt, als ob wir hier ein Mörderspiel machen! Ray liegt da tot« – sie machte eine theatralische Geste irgendwie in Richtung Dachgeschoss –, »mitten ins Herz geschossen! Habt ihr denn überhaupt kein Gefühl?«

Diese letzten Worte waren vernehmlich in Großbuchstaben gesprochen: HABT IHR DENN ÜBERHAUPT KEIN GEFÜHL? Es stimmte zwar, dass Selina möglicherweise der falschen Berufung gefolgt war, als sie sich für das Studium der Kunst statt für die Bühne entschieden hatte, aber in dieser Situation konnte niemand an ihrer Aufrichtigkeit zweifeln. Sie hatte eben erst aufgehört zu schluchzen, eine gute halbe Stunde nachdem die Leiche gefunden worden war. Und obwohl er und seine Frau alles getan hatten, was sie konnten, um sie zu trösten, hatte der Colonel in der Erregung und Verwirrung, die dieser Fund ausgelöst hatte, schon vergessen, wie stark die Gefühle waren, die seine Tochter für das Opfer hegte. Seine gesunden, rötlichen Gesichtszüge nahmen jetzt einen ziemlich schuldbewussten Ausdruck an.

»Sorry, mein Herz, sorry. Ich war reichlich gedankenlos. Es ist nur – also, dieser Mord ist so merkwürdig, da komme ich nicht so schnell drüber weg!« Er legte seinen Arm um ihre Schulter. »Verzeih mir, bitte verzeih mir.«

Dann, bezeichnend für ihn, schweiften seine Gedanken wieder ab.

»Hab noch nie im wirklichen Leben von einem Mord im verschlossenen Raum gehört«, murmelte er mehr zu sich selbst. »Das sollte man eigentlich der schreiben.«

»Also wirklich, Vater!«

Während die Frau des Colonels ihrer Tochter weiterhin ohne große Wirkung das Knie tätschelte, schwebte Donald, der junge Amerikaner, den Selina an der Kunstschule kennengelernt hatte, beflissen über ihr. Aber er war einfach zu schüchtern, um zu tun, wonach er sich ganz gewiss sehnte: sie zärtlich in seine Arme zu nehmen. (Es handelte sich übrigens um Donald Duckworth, ein recht unglücklicher Name, was seine Eltern aber noch nicht wissen konnten, als sie ihn 1915 tauften.)

In Wahrheit war der Colonel keineswegs der einzige herzlose Übeltäter. Obwohl man gerechterweise sagen musste, dass in diesem Moment jeder Mitgefühl mit Selina hatte, einige ausdrücklich und andere im Stillen, kam man nicht um die Tatsache herum, dass von der ganzen Gesellschaft im Haus nur sie allein den Toten wirklich betrauerte. Selbst wenn ihre Aufmerksamkeit nicht von den erstaunlichen Begleitumständen des Verbrechens in Anspruch genommen worden wäre, hatten alle anderen ohne Ausnahme ihre ganz persönlichen Gründe, nicht zu viel Zeit auf konventionelle Bekundungen des Bedauerns über Raymond Gentrys Abschied von dieser Welt zu verschwenden. Kurz gesagt, niemand war bereit, Krokodilstränen zu vergießen, und nur Selina ffolkes vergoss echte.

Wenn deshalb ein Fremder am Morgen dieses zweiten Weihnachtstages in den holzgetäfelten Salon von ffolkes Manor gekommen wäre – in diese unauslöschlich männliche Aura, so durchdringend wie das Aroma der Zigarren des Colonels und etwas feminisiert nur durch eine Anzahl zierlicher Porzellanfiguren von Royal Doulton und die Petit-Point-Stickerei auf den Sesseln –, hätte er sicher die eindringliche Atmosphäre des Schreckens und der Angst gespürt. Aber er wäre auch irritiert gewesen durch das eigentliche Ausbleiben persönlicher Trauer.

Die Standuhr hatte eben Viertel nach sieben geschlagen. Die Diener, dicht aneinandergedrängt, waren schon in ihrer Uniform, während die Gäste noch ihre Nachtgewänder trugen – das heißt mit Ausnahme von Cora Rutherford, der Bühnen- und Filmschauspielerin, eine von Mary ffolkes’ ältesten Freundinnen. Sie trug ein auffälliges purpurgoldenes Kleid, das sie »Kimono« nannte und von dem sie behauptete, das gebe es »exklusiv« nur in Paris. Sie war es, die als Nächste das Wort ergriff.

»Warum tut nicht einer von euch Männern irgendetwas?«

Der Colonel sah jäh auf.

»Beherrsch dich, Cora«, warnte er sie. »Das ist jetzt nicht die Zeit, um die Nerven zu verlieren.«

»Herrgott noch mal, Roger, du Dummkopf«, antwortete sie in ihrem üblichen Ton herzlicher Verachtung. »Meine Nerven sind aus dickerem Stahl als deine.«

Als ob sie das demonstrieren wollte, holte sie ein schmales Zigarettenetui aus genarbtem Leder aus einer der Taschen ihres Kimonos, zog eine Zigarette heraus, steckte sie in eine schwarze Elfenbeinspitze, zündete sie an und sog tief den Rauch ein: das alles mit Fingern, die so ruhig waren, wie die des Colonels zittrig gewesen waren.

»Ich habe bloß gemeint«, fuhr sie gelassen fort, »dass wir nicht einfach ruhig sitzen bleiben können mit einer Leiche da oben über unseren Köpfen. Wir müssen uns etwas überlegen.«

»Gut, aber was?«, fragte der Colonel. »Farrar hat versucht anzurufen – wie oft, Farrar?«

»Etwa ein halbes Dutzend Mal, Sir.«

»Richtig. Die Leitungen sind zusammengebrochen und werden das vermutlich noch eine ganze Weile bleiben. Und wie du selbst bestens hören kannst, tobt der Schneesturm, der sie niedergemacht hat, da draußen noch immer. Wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen. Wir sind eingeschneit. Völlig abgeschnitten – wenigstens, bis der Sturm ein Ende gefunden hat. Die nächste Polizeistation ist mehr als dreißig Meilen weg von hier, und die einzige Straße, die dort hinführt, dürfte unpassierbar sein.«

Mit einem verstohlenen Seitenblick auf Selina schloss er:

»Und schließlich ist es nicht so, dass – also, ich meine, unser weihnachtliches Beisammensein ist ohnehin ruiniert und so weiter, und das ist alles unerfreulich, für jeden von uns, aber es ist nicht so, als ob der Leichnam – als ob er einfach weggehen könnte. Ich fürchte, wir müssen das aussitzen, so lange, wie es dauern wird.«

Das war der Augenblick, in dem sich aus dem Armsessel am Kamin, in dem sie sich eingerichtet hatte, behaglich und gestaltlos in ihrem wollenen Morgenmantel, Evadne Mount meldete, die Romanautorin, die wir schon kennengelernt haben, und zum Colonel mit einer gewissen Dringlichkeit in ihrer wenig weiblichen Stimme sagte: »Weißt du, Roger, ich frage mich, ob wir uns das leisten können.«

»Was?«

»Es einfach auszusitzen, wie du es genannt hast.«

Der Colonel warf ihr einen spöttischen Blick zu.

»Und warum nicht?«

»Nun, wir wollen mal überlegen, was hier passiert ist. Vor einer halben Stunde hat man Raymond Gentrys Körper tot in der Dachkammer gefunden. Du musstest die Tür aufbrechen, Roger, um zu ihm zu gelangen, eine Tür, die von innen verschlossen war mit einem Schlüssel, der immer noch im Schloss steckte. Und als ob das nicht genug wäre, war das einzige Fenster da oben verriegelt. Also kann beim besten Willen niemand in die Dachkammer eingedrungen sein – aber irgendjemand hat es getan –, und einmal drin, kann niemand wieder hinausgelangt sein – aber es gibt keinen Zweifel, dass jemand es geschafft hat, genau das zu tun.

Nun beschäftige ich mich, wie ich dir schon gesagt habe, Roger, nicht mit Morden in verschlossenen Räumen. Ich habe neun Romane und drei Theaterstücke geschrieben – mein letztes, läuft in diesem Moment im West End mit Riesenerfolg im vierten Jahr – Agatha Christie soll das bitte erst mal nachmachen! –, und in nicht einem davon geht es um einen Mord in einem abgeschlossenen Raum. Also kann ich nicht so tun, als hätte ich den leisesten Schimmer, wie dieser Mord ausgeführt wurde.

Aber, fuhr sie nach einer Pause von ein, zwei Sekunden fort, sichtlich beherrscht, damit ihre nächste Feststellung die größtmögliche Wirkung auf die Zuhörer hatte,

Tatsächlich war die Wirkung durchschlagend. Im Raum wurde es totenstill. Einige Sekunden vergingen, in denen die Zeit stillzustehen schien und nichts geschah. Die Diener hörten mit ihrem nervösen Schlurfen und Scharren auf. Cora Rutherford hörte auf, die makellos manikürten Finger auf dem durchsichtigen Rand ihres gläsernen Aschenbechers eine Pirouette tanzen zu lassen. Selbst die Standuhr hörte auf zu ticken – oder tickte gleichsam auf Zehenspitzen.

Die Stille wurde schließlich ganz trivial von dem plötzlich ausbrechenden schniefenden Geheul des tollpatschigen Aushilfsdienstmädchens Adelaide beendet, von den anderen Dienstmädchen...


Adair, Gilbert
Gilbert Adair wurde 1944 in Edinburgh geboren, lebte von 1968 bis 1980 in Paris und anschließend in London, wo er 2011 starb. Er war Schriftsteller, Drehbuchautor, Übersetzer und Kolumnist und schrieb u.a. die Romane Blindband, Der Tod des Autors, Liebestod auf Long Island, Der Schlüssel zum Turm und Träumer. Aufsehen erregte auch seine Übersetzung von Georges Perecs Roman La Disparition, der im Original wie in der Übersetzung ohne den Buchstaben E auskommt.



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