Adelstein | Tokyo Vice | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 384 Seiten

Adelstein Tokyo Vice

Eine gefährliche Reise durch die japanische Unterwelt

E-Book, Deutsch, 384 Seiten

ISBN: 978-3-7453-1858-6
Verlag: riva
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Jake Adelstein ist der einzige westliche Journalist, der jemals als Polizeireporter in Japan arbeiten durfte. Er berichtete viele Jahre für die führende japanische Zeitung über die dunkle Seite Japans, wo Erpressung, Mord, Menschenhandel und Korruption ebenso häufig vorkommen wie Ramen-Nudeln und Sake. Doch als er seinen letzten Knüller landen wollte, stand er Japans berüchtigtstem Yakuza-Boss plötzlich persönlich gegenüber. Da ihm und seiner Familie der Tod drohte, gab er auf . . . vorübergehend. Dann schlug er zurück. In »Tokyo Vice« erzählt Jake Adelstein, wie aus einem unerfahrenen Jungreporter - dessen Wing-Chun-Kampf mit einem älteren Kollegen nicht sein einziger Anfängerfehler war - ein wagemutiger Enthüllungsjournalist wurde, auf den die Yakuza ein Kopfgeld aussetzte. Mit seinen lebendigen, emotionalen Geschichten aus der Welt der modernen Yakuza, von der selbst Japaner wenig wissen, ist »Tokyo Vice« von der ersten bis zur letzten Zeile ein ebenso faszinierendes wie informatives Buch und ein einzigartiger, aufschlussreicher Bericht aus erster Hand über die Schattenseiten der japanischen Kultur.

Jake Adelstein war von 1993 bis 2005 Reporter bei der Yomiuri Shimbun, Japans größter Zeitung. Von 2006 bis 2007 war er als Chefermittler an einer von der US-Regierung finanzierten Studie über Menschenhandel in Japan beteiligt. Er gilt als einer der besten Experten für das organisierte Verbrechen in Japan und arbeitet als Autor und Berater in Japan und in den USA. Außerdem ist er Leiter der PR-Abteilung des Polaris Project Japan in Washington, das gegen Menschenhandel und die sexuelle Ausbeutung von Frauen kämpft.
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DAS SCHICKSAL IST AUF DEINER SEITE
Der 12. Juli 1992 war der Wendepunkt, was mein Wissen über Japan anbelangt. Ich war auf meinem Stuhl neben dem Telefon festgeleimt, meine Füße steckten im Minikühlschrank – in der Sommerhitze ist jede Kühlung willkommen –, und ich wartete auf einen Anruf der Yomiuri Shimbun, der angesehensten japanischen Zeitung. Entweder würde ich dort als Reporter anfangen oder arbeitslos bleiben. Es war eine lange Nacht, der Höhepunkt eines Prozesses, der ein ganzes Jahr gedauert hatte. Vor Kurzem noch hatte meine Zukunft mich keinen Deut interessiert. Da war ich Student an der Sophia (Joichi) University mitten in Tokio gewesen und hatte ein Diplom in vergleichender Literaturwissenschaft angestrebt und für die Studentenzeitung geschrieben. Daher besaß ich zwar etwas Erfahrung in diesem Bereich, war aber nicht wirklich für den Einstieg in einen Beruf qualifiziert. Mein nächster Schritt wäre wahrscheinlich gewesen, Englisch zu unterrichten. Außerdem verdiente ich etwas Geld mit Übersetzungen von Kung-Fu-Videos aus dem Englischen ins Japanische. Und weil ich gelegentlich auch noch reichen japanischen Hausfrauen eine schwedische Massage verabreichte, konnte mein Einkommen die täglichen Ausgaben decken. Meine Eltern mussten allerdings die Unterrichtsgebühren bezahlen. Eigentlich hatte ich keine Ahnung, was ich tun wollte. Den meisten meiner Kommilitonen war schon vor ihrem Abschluss ein Job zugesagt worden. Dieses naitei genannte Vorgehen galt zwar als ungehörig, dennoch war es gängige Praxis. Auch ich hatte eine solche Zusage erhalten, und zwar von Sony Computer Entertainment, aber sie galt nur, wenn ich mein Studium um ein weiteres Jahr verlängern würde. Ich wollte diesen Job nicht wirklich antreten, aber immerhin ging es dabei um Sony. Ende 1991, als ich nur noch ganz wenige Kurse besuchte und eine Menge Freizeit hatte, beschloss ich, die japanische Sprache genauer zu studieren. Denn ich wollte die Prüfung in Massenkommunikation für künftige Hochschulabgänger ablegen, um dann einen Job als Reporter zu ergattern und auf Japanisch zu schreiben. Ich war überzeugt, dass es nicht viel schwieriger sein konnte, für eine überregionale Zeitung mit acht oder neun Millionen Lesern zu schreiben als für eine Studentenzeitung. In Japan gelangt man nicht zu den großen Zeitungen, nachdem man sich bei lokalen Kleinstadtzeitungen hochgearbeitet hat. Vielmehr holen sich die Zeitungen die meisten ihrer Reporter frisch von der Universität. Die Anwärter müssen sich dann als Erstes einem standardisierten Eignungstest unterziehen, der wie folgt abläuft: Angehende Reporter berichten vor einer großen Zuhörerschaft und schreiben tagelang Tests. Wenn das Ergebnis gut genug ist, folgt ein persönliches Gespräch, dann noch eines und schließlich ein drittes. Wer dabei einen guten Eindruck hinterlässt und seinen Gesprächspartnern gefällt, bekommt vielleicht eine Jobzusage. Ehrlich gesagt glaubte ich nicht ernsthaft daran, dass eine japanische Zeitung mich einstellen würde. Wie groß war wohl die Chance, dass ein jüdischer Junge aus Missouri in diese elitäre japanische Journalistenbruderschaft aufgenommen wurde? Aber das war mir egal. Wenn ich etwas lernte und ein Ziel hatte, auch wenn es noch so unrealistisch war, so würde ich auf jeden Fall von meinen Bemühungen profitieren, und wenn nur mein Japanisch besser würde. Aber wo sollte ich mich bewerben? Japan hat eine Menge Zeitungen, die zudem viel wichtiger sind als in den Vereinigten Staaten. Die Yomiuri Shimbun hat die größte Auflage – mehr als zehn Millionen Exemplare täglich – in Japan und sogar in der Welt. Die Asahi Shimbun folgte ihr früher dicht auf den Fersen. Jetzt ist der Abstand größer geworden, aber sie liegt immer noch an zweiter Stelle. Die Yomiuri galt als offizielle Zeitung der konservativen Liberaldemokratischen Partei, die Japans Politik seit dem Zweiten Weltkrieg dominiert, die Asahi als offizielle Zeitung der Sozialisten, die heutzutage fast verschwunden sind. Von der Mainichi Shimbun, der drittgrößten Zeitung, hieß es, sie sei die offizielle Zeitung der Anarchisten, weil sie selbst nicht wisse, auf welcher Seite sie stehe. Die Sankei Shimbun, damals wohl die viertgrößte Zeitung, galt als Stimme der extremen Rechten, und einige hielten sie für ebenso glaubwürdig wie die Boulevardpresse. Auch sie brachte oft spektakuläre Storys. Die Presseagentur Kyodo, die »japanische Associated Press«, war schwerer zu beurteilen. Ursprünglich hatte sie Domei geheißen und war die offizielle Propagandaabteilung der japanischen Regierung während des Zweiten Weltkriegs gewesen. Nicht alle Verbindungen waren abgebrochen, als die Firma nach dem Krieg unabhängig wurde. Zudem hatte Dentsu, die größte und mächtigste Werbeagentur Japans (und der Welt), eine Mehrheitsbeteiligung an Kyodo, und das konnte die Berichterstattung beeinflussen. Einen wichtigen Grund gab es allerdings, der Kyodo als Arbeitgeber sehr attraktiv machte: die Gewerkschaft. Denn sie sorgte dafür, dass die Journalisten den Urlaub bekamen, der ihnen zustand – und das war in den meisten japanischen Firmen eher selten. Dann gab es noch Jiji Press, eine Art kleinen Bruder der Kyodo, aber einen hart arbeitenden. Jiji hatte eine kleinere Leserschaft und weniger Reporter. Es gab Leute, die scherzhaft behaupteten, Jiji-Reporter schrieben ihre Artikel erst, nachdem sie Kyodo gelesen hätten – ein gemeiner Scherz in einer gemeinen Branche. Anfangs neigte ich zur Asahi, aber irgendwann widerstrebte es mir, dass die USA bei jeder Gelegenheit in ein schlechtes Licht gerückt wurde. Das passte nicht zu dem Bild, das die meisten Japaner von Amerika hatten – das Land der Demokratie, das Freiheit und Gerechtigkeit in der ganzen freien Welt verbreitete. Die Leitartikel der Yomiuri waren ziemlich hart, aber sehr konservativ, mit vielen kanji – chinesischen Schriftzeichen, die in der japanischen Schrift verwendet werden – und voller Andeutungen. Die Artikel im überregionalen Teil fand ich jedoch wirklich eindrucksvoll. Als der Begriff »Menschenhandel« im allgemeinen Wortschatz noch fehlte, veröffentlichte die Yomiuri eine Reihe von schonungslos offenen, gut recherchierten Artikeln über das Leid der thailändischen Frauen, die als Prostituierte nach Japan geschmuggelt wurden. Die Autoren schrieben einigermaßen respektvoll über die Frauen und kritisierten die Polizei zumindest moderat, weil sie kaum etwas gegen diesen Skandal unternahm. Die Zeitung schien mir fest auf der Seite der Unterdrückten zu stehen und für Gerechtigkeit einzutreten. Da die Prüfungen der Asahi und der Yomiuri am selben Tag stattfanden, entschied ich mich für die Yomiuri. Die Prüfung war Teil des Journalismusseminars der Yomiuri Shimbun, das inoffiziell als gute Gelegenheit galt, Mitarbeiter anzuwerben, bevor die offizielle Bewerbungssaison begann. So konnte die Zeitung die besten Hochschulabsolventen abschöpfen. Da die Yomiuri keine große Werbung für diese Tests machte, musste jeder, der Interesse hatte, die Zeitung sorgfältig durchforsten, um den Zeitpunkt nicht zu verpassen. Alle Studenten, die den Ehrgeiz hatten, Yomiuri-Reporter zu werden, verschlangen daher die Seiten der Zeitung. In einem Land, in dem das Erscheinungsbild so wichtig ist, musste ich natürlich ordentlich aussehen. Als ich meinen Schrank durchwühlte, entdeckte ich, dass der feuchte Sommer meine beiden Anzüge zu Nährböden für Pilze gemacht hatte. Also trottete ich zu einem riesigen Discount-Herrenausstatter und kaufte einen Sommeranzug für etwa 300 Dollar, der aus dünnem Stoff bestand, angenehm zu tragen war und einen schönen schwarzen Farbton aufwies. Ich gefiel mir darin. So elegant gekleidet wollte ich meinen Freund Inukai, den Chefredakteur der Studentenzeitung, beeindrucken, doch als ich im Büro auftauchte, das sich in einem dunklen, kerkerartigen Keller befand, reagierte er anders als erwartet. »Jake-kun, mein Beileid.« Aoyama-chan, eine andere Kollegin, wirkte nachdenklich, aber sie sagte kein Wort. Ich verstand nicht, was los war. »Was ist denn passiert? War es ein Freund?« »Ein Freund?« »Der gestorben ist?« »Hä? Niemand ist gestorben. Allen, die ich kenne, geht es gut.« Nun nahm Inukai die Brille ab und polierte sie mit seinem Hemd. »Du hast diesen Anzug also selbst gekauft?« »Klar. 30 000 Yen.« Inukai fand das offenbar lustig, das konnte ich daran erkennen, dass er die Augen zusammenkniff wie ein glückliches Hundebaby. »Was für einen Anzug wolltest du denn kaufen?«, fragte er dann ernst. »In der Anzeige stand reifuku.« Aoyama-chan kicherte. »Was ist denn?«, fragte ich. »Stimmt etwas nicht?« »Du Idiot! Du hast einen Anzug für Beerdigungen gekauft. Keinen reifuku, sondern einen...


Jake Adelstein war von 1993 bis 2005 Reporter bei der Yomiuri Shimbun, Japans größter Zeitung. Von 2006 bis 2007 war er als Chefermittler an einer von der US-Regierung finanzierten Studie über Menschenhandel in Japan beteiligt. Er gilt als einer der besten Experten für das organisierte Verbrechen in Japan und arbeitet als Autor und Berater in Japan und in den USA. Außerdem ist er Leiter der PR-Abteilung des Polaris Project Japan in Washington, das gegen Menschenhandel und die sexuelle Ausbeutung von Frauen kämpft.


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