E-Book, Deutsch, 394 Seiten, Format (B × H): 240 mm x 170 mm
AG Digitalisierung für Gesundheit
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-456-96199-6
Verlag: Hogrefe AG
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Ziele und Rahmenbedingungen eines dynamisch lernenden Gesundheitssystems - Gutachten 2021
E-Book, Deutsch, 394 Seiten, Format (B × H): 240 mm x 170 mm
ISBN: 978-3-456-96199-6
Verlag: Hogrefe AG
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Leben und die Gesundheit der Menschen in Deutschland könnten besser geschützt werden, wenn endlich die Möglichkeiten der Digitalisierung im Gesundheitswesen verantwortlich und wissenschaftlich sinnvoll genützt würden. Täglich produzierte Daten werden für kommerzielle Zwecke, Werbung etc. ausgewertet. Aber wenn Gesundheitsdaten zum Zwecke besserer Gesundheitsversorgung gesammelt werden, um sie für gezieltere Forschung, Prävention, Diagnostik und Therapie verfügbar zu machen, werden Probleme aufgetürmt, die eine sinnvolle Datennutzung fast unmöglich machen. Die Corona-Krise zeigt, dass es bei Datennutzung nicht nur um den Schutz von Leben und Gesundheit des Einzelnen und seiner Mitmenschen geht, sondern auch darum das Wirtschaftsleben, Bildung, Kultur und Freizeitaktivitäten nicht unnötig einzuschränken. Um beurteilen zu können, welche Einschränkungen wirklich nötig und angemessen sind, müssen Forschende Daten auswerten dürfen.Der Sachverständigenrat formuliert daher konkrete Empfehlungen zur patientenwohldienlichen Ausgestaltung der elektronischen Patientenakte (ePA) ebenso wie zur treuhänderisch kontrollierten Nutzung von Gesundheitsdaten für die Forschung. Das Gutachten erörtert die Nutzung und Kostenerstattung von digitalen Gesundheitsanwendungen und die Steigerung digitaler Gesundheitskompetenz in den Heilberufen und den Bürgerinnen und Bürger im Allgemeinen. Es skizziert die normativen, rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen der Digitalisierung und die strategischen Schritte, die auf ein dynamisch lernendes Gesundheitssystem hin zu tun sind.
Zielgruppe
Beschäftigte und insbesondere Führungskräfte im Gesundheitswesen, Journalisten, Akteure der Gesundheitspolitik (Parteien, Behörden, Verbände)
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Regierungspolitik Umwelt- und Gesundheitspolitik
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizin, Gesundheitswesen Krankenhausmanagement, Praxismanagement
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizin, Gesundheitswesen Gesundheitssystem, Gesundheitswesen
Weitere Infos & Material
1;Inhaltsu?bersicht, Vorwort, Exkursu?bersicht, Verzeichnisse;7
2;Executive Summary;29
3;1 Wozu Digitalisierung im Gesundheitswesen?;37
3.1;1.1 Einleitung;37
3.2;1.2 Dimensionen des Patientenwohls: Schutz von Leben, Gesundheit, Daten, Qualität und Solidarität;38
3.3;1.3 Medizinische und systemische Chancen der Digitalisierung im Gesundheitswesen;40
3.4;1.4 Leitfrage und Struktur des Gutachtens;42
3.5;1.5 Besondere Herausforderungen bei der Gutachtenerstellung;43
3.6;1.6 Literatur;45
4;2 Grundsätze und Rahmenbedingungen im Überblick;47
4.1;2.1 Normative Grundsätze;47
4.2;2.2 Ökonomische Rahmenbedingungen;54
4.3;2.3 Rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen;67
4.3.1;2.3.1 Gesetzliche und institutionelle Grundlagen fu?r die Digitalisierung des Gesundheitswesens;67
4.3.2;2.3.2 Wettbewerbliche Aspekte der Gesetzgebung;77
4.3.3;2.3.3 Informationelle Selbstbestimmung, Datenschutz und Informationssicherheit;78
4.4;2.4 Finanzierung der Digitalisierung;83
4.4.1;2.4.1 Finanzierung durch die öffentliche Hand (Bund, Länder, Kommunen);83
4.4.2;2.4.2 Finanzierung durch die GKV;86
4.5;2.5 Empfehlungen;88
4.6;2.6 Literatur;91
5;3 Die fach-, einrichtungs- und sektorenu?bergreifende elektronische Patientenakte;101
5.1;3.1 Einleitung;101
5.2;3.2 Übergreifende elektronische Aktensysteme in der Nutzung;102
5.3;3.3 Chancen einer elektronischen Patientenakte;106
5.3.1;3.3.1 Patientinnen-/Patientenperspektive;106
5.3.2;3.3.2 Perspektive der Leistungserbringer;110
5.3.3;3.3.3 Gesellschaftsperspektive;112
5.4;3.4 Risiken einer elektronischen Patientenakte;115
5.4.1;3.4.1 Datenschutz und Datensicherheit;115
5.4.2;3.4.2 Vollständigkeit, Vielzahl und Komplexität verfu?gbarer Informationen;116
5.4.3;3.4.3 Implementierung und Transformationsphase;119
5.5;3.5 Abwägung der Chancen und Risiken;120
5.6;3.6 Zustimmungsverfahren;121
5.7;3.7 Die EU und die elektronische Patientenakte;130
5.7.1;3.7.1 Interoperabilität der ePA mit europäischen Systemen;130
5.7.2;3.7.2 Elektronische Patientenakten in anderen EU-Mitgliedsstaaten – Best-practice-Beispiele;132
5.8;3.8 Anforderungen an die elektronische Patientenakte;140
5.8.1;3.8.1 Inhalte;140
5.8.2;3.8.2 Technische Anforderungen – Interoperabilität;148
5.8.3;3.8.3 Umsetzung: Benutzerfreundlich – Effizient;156
5.8.4;3.8.4 Verantwortung: Infrastruktur, Datenschutz, Datensicherheit und Haftungsrecht;157
5.9;3.9 Empfehlungen;161
5.10;3.10 Literatur;168
6;4 Digitale Gesundheitsanwendungen in der Versorgung;181
6.1;4.1 Einleitung;181
6.2;4.2 Definition und Besonderheiten digitaler Gesundheitsanwendungen;182
6.3;4.3 Evidenz digitaler Gesundheitsanwendungen;184
6.4;4.4 Qualitätsanforderungen an digitale Gesundheitsanwendungen;193
6.5;4.5 Marktzugang digitaler Gesundheitsanwendungen;195
6.6;4.6 Nutzenbewertung digitaler Gesundheitsanwendungen;200
6.6.1;4.6.1 Evaluation digitaler Gesundheitsanwendungen;200
6.6.2;4.6.2 Überwachung nach dem Marktzugang;211
6.7;4.7 Erstattung digitaler Gesundheitsanwendungen in der GKV;213
6.8;4.8 Empfehlungen;222
6.9;4.9 Literatur;226
7;5 Nutzung von Versorgungsdaten zu Forschungszwecken;235
7.1;5.1 Einleitung;235
7.2;5.2 Rechtliche Rahmenbedingungen einer Nutzung von Gesundheitsdaten fu?r die wissenschaftliche Forschung;237
7.3;5.3 Datenbestände fu?r die medizinische Forschung und die Versorgungsforschung im Überblick;244
7.3.1;5.3.1 Daten aus der ambulanten und stationären Patientenversorgung;244
7.3.2;5.3.2 Daten aus Meldungen gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG);247
7.3.3;5.3.3 Daten aus interventionellen klinischen Studien;249
7.3.4;5.3.4 Daten aus Registern und Kohortenstudien;250
7.3.5;5.3.5 Biobanken;255
7.3.6;5.3.6 Abrechnungsdaten, Daten der amtlichen Statistik sowie Daten aus der gesetzlichen Qualitätssicherung;257
7.3.7;5.3.7 Daten bei privaten Anbietern und beim Bu?rger;261
7.3.8;5.3.8 Verknu?pfungsmöglichkeiten;262
7.4;5.4 Potenzieller Nutzen der Verwendung von gesundheitsbezogenen Daten fu?r die wissenschaftliche Forschung;263
7.5;5.5 Anforderungen an eine Forschungsdateninfrastruktur;267
7.5.1;5.5.1 Anforderungen an eine leistungsfähige Forschungsdateninfrastruktur;267
7.5.2;5.5.2 Erschließung und Erweiterung der Datenbestände der Sozialversicherungen, der externen Qualitätssicherung und aus der Leistungsabrechnung;278
7.5.3;5.5.3 Entwicklung einer forschungskompatiblen elektronischen Patientenakte;279
7.5.4;5.5.4 Einrichtung nationaler, qualitätsgesicherter Register;282
7.6;5.6 Empfehlungen;285
7.7;5.7 Literatur;289
8;6 Kompetenter Umgang mit digitalen Technologien;301
8.1;6.1 Einleitung;301
8.2;6.2 Digitale Gesundheitskompetenz – Status quo;306
8.2.1;6.2.1 Digitale Gesundheitskompetenz von Angehörigen der Heilberufe;308
8.2.2;6.2.2 Digitale Gesundheitskompetenz von Bu?rgerinnen und Bu?rgern;313
8.2.3;6.2.3 Gesundheitliche und soziale Ungleichheit durch Digitalisierung der Gesundheitsversorgung;318
8.3;6.3 Förderung digitaler Gesundheitskompetenz;320
8.3.1;6.3.1 Kompetenzentwicklung von Angehörigen der Heilberufe;320
8.3.2;6.3.2 Kompetenzentwicklung von Bu?rgerinnen und Bu?rgern;322
8.3.3;6.3.3 „Nationales Gesundheitsportal“;324
8.4;6.4 Empfehlungen;333
8.5;6.5 Literatur;335
9;7 Strategie, Umsetzung und Empfehlungen;347
9.1;7.1 Das strategische Ziel eines dynamisch lernenden Gesundheitssystems zur Steigerung des Patientenwohls;347
9.2;7.2 Strategien zur Digitalisierung in Europa – ein kurzer Überblick;351
9.3;7.3 Strategische Schritte und zusammengefasste Empfehlungen;352
9.3.1;7.3.1 Information und Kommunikation;353
9.3.2;7.3.2 Analyse;359
9.3.3;7.3.3 Iterative Verbesserung und Innovation;361
9.4;7.4 Literatur;365
10;8 Glossar;367
11;9 Anhang zum Gutachten;373
11.1;9.1 Anhang I: Anhang zu Kapitel 4;374
11.2;9.2 Anhang II: Anhang zu Kapitel 6;375
11.2.1;9.2.1 Instrumente zur Messung digitaler Gesundheitskompetenz;375
11.3;9.3 Anhang III: Anhang zu Kapitel 7;378
11.3.1;9.3.1 Übersicht u?ber ausgewählte internationale Strategien mit Bezug zum Gesundheitswesen;378
11.3.2;9.3.2 Übersicht u?ber ausgewählte Strategien mit Bezug zum Gesundheitswesen auf Bundesebene;382
11.3.3;9.3.3 Übersicht u?ber Strategien mit Bezug zum Gesundheitswesen auf Landesebene;386
11.4;9.4 Literaturverzeichnis;390
11.5;9.5 Elektronischer Anhang;395
12;Rechtsgrundlage fu?r die Tätigkeit des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen;396
13;Mitglieder des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen;397
14;Gutachten des Sachverständigenrates;398
3 Die fach-, einrichtungs- und sektorenübergreifende elektronische Patientenakte
3.1 Einleitung
163. Die erheblichen technologischen Veränderungen der letzten Jahre und Jahrzehnte mit einer zunehmenden Vernetzung und Nutzung elektronischer Datenverarbeitung führen zu einer Digitalisierung in vielen Lebensbereichen. Dies betrifft sowohl die Arbeitswelt als auch den Alltag: Die schnellen Kommunikationswege ermöglichen eine Erreichbarkeit jederzeit und an jedem Ort per E-Mail und Kurznachrichtendienst. Eingekauft wird via Internet, Reisen werden online gebucht und die Fahrkarte für den öffentlichen Nah- und Fernverkehr wird über eine App gekauft – unterwegs oder zuhause. Die elektronische Datenverarbeitung hat bei Design, Herstellung und Steuerung von Waren, wirtschaftlichen Prozessen und technischen Abläufen eine unvergleichlich dynamische und in vielen Aspekten außerordentlich nutzenstiftende Entwicklung ermöglicht. Das Gesundheitswesen, insbesondere in Deutschland, hat diese dynamische Entwicklung bisher nur in Teilen nachvollziehen können. Die Übermittlung von Gesundheitsdaten und den peripheren administrativen Vorgängen bei Überweisungen, Krankschreibungen oder Krankenhauseinweisungen und -entlassungen funktioniert in der Regel noch papierbasiert und mit einer oftmals als zu hoch beschriebenen Fehlerquote. Während alle Leistungserbringer36 verpflichtet sind, ihre Leistungen zwecks Vergütung elektronisch an die Krankenversicherungen bzw. Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zu melden, erfolgt die Kommunikation zwischen Angehörigen der Heilberufe und ihren Patientinnen und Patienten noch selten auf dem digitalen Weg. Bereits in seinem Gutachten von 2012 hat der Rat auf die Möglichkeiten der Nutzung elektronischer Kommunikationsmedien im Gesundheitswesen und auf die zunehmende Bedeutung eines elektronischen sektorenübergreifenden Informationsaustausches hingewiesen (SVR 2012). Die Chancen und Risiken einer elektronischen Patientenakte (ePA), die fach-, einrichtungsund sektorenübergreifend genutzt wird, wurden bereits damals diskutiert. Vor dem Hintergrund der weiteren technologischen Fortentwicklung der Komponenten von IT-Systemen, der zunehmende Leistungsfähigkeit der Datenübermittlung, -verarbeitung und -speicherung eröffnen sich Chancen für die Fortentwicklung und Verbesserung der Gesundheitsversorgung.
164. Eine zentrale Rolle kann dabei eine integrative ePA einnehmen, die die relevanten Informationen zur Gesundheitsversorgung eines Patienten/einer Patientin enthält, die von den behandelnden Leistungserbringern – ob ärztlich, in der Pflege oder von anderen Angehörigen der Heilberufe – eingesehen und bearbeitet werden, sodass wichtige Informationen zwischen den Einrichtungen und Professionen nicht verloren gehen. Mit einem zeit- und ortsunabhängigen Zugang zu den medizinischen Daten können Informationen, z. B. zur aktuellen Medikation oder zu kürzlich stattgefundenen Eingriffen, im medizinischen Behandlungs- oder Notfall Ärztinnen und Ärzten vorliegen und eine adäquate Behandlung ermöglichen. Auch können Kommunikationswege zwischen Leistungserbringern im Gesundheitswesen vereinfacht und der Informationsaustausch kann beschleunigt werden. Patientinnen und Patienten können ihre Diagnosen und Befunde niederschwellig und zeitnah einsehen und diese auch zum individuellen Krankheits- und Präventionsmanagement in Anspruch nehmen. Wirksame Regelungen für den Zugang, die Speicherung der Daten und die Verwendung, können die Patientensouveränität und -informiertheit steigern, einen verantwortungsvollen Umgang mit Gesundheitsdaten befördern und sowohl die gemeinwohl- als auch die patientenorientierte Forschung stärken (siehe auch Abschnitt 5.4). Gesundheitsdaten gehören zu den besonders sensiblen Daten, sie müssen daher für die Zwecke des Patienten/der Patientin stets korrekt prozessiert, in seinem/ihrem Sinne ausgewertet und für ihn/sie verwendet werden und müssen durch größtmögliche Sicherheitsvorkehrungen besonders vor Datenmissbrauch geschützt werden. 165. Die World Health Organization (WHO) hat dies im Jahr 2016 mit ihrer Beschreibung der Funktion einer ePA auf den Punkt gebracht: "Electronic health records (EHR) are real-time, patientcentred records that provide immediate and secure information to authorized users. EHRs typically contain a record of the patient’s medical history, diagnoses and treatment, medications, allergies and immunizations, as well as radiology images and laboratory results. They expand on the information in a traditional paper-based medical record by making it digital and thus easier to search, analyse and share with other authorized parties. An EHR system plays a vital role in universal health coverage by supporting the diagnosis and treatment of patients through provision of rapid, comprehensive and timely patient information at the point of care." (WHO Regional Office for Europe 2016). Die Anforderungen an eine ePA, die damit einhergehen, ihre Chancen, Risiken und Herausforderungen werden im Folgenden eingehender dargestellt und bewertet. Dabei hilft der Blick auf den derzeitigen regulativen Stand in Deutschland und auf die Entwicklungen in anderen Ländern.