E-Book, Deutsch, 200 Seiten
Ahne / Hein / Hennig Kann sofort verfilmt werden
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-947106-46-2
Verlag: SATYR Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 200 Seiten
ISBN: 978-3-947106-46-2
Verlag: SATYR Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Bereits seit einem Vierteljahrhundert liefert die Reformbühne Heim & Welt jeden
Sonntag neue Texte, wöchentlich frisch gepresste und naturbelassene Literatur,
Satire, Essays, Agitation und Propaganda.
Das Beste davon ist nun in diesem Buch versammelt: Verhandlungen mit Gott über einen
Ausflug in den Tierpark, Erklärungen für Psychiatriepatienten, warum ihr Therapeut montags
immer so schlimm nach Kneipe stinkt, Liebeserklärungen an Käferforscherinnen,
atemberaubende Abenteuergeschichten über Berliner Altbaukeller und Paarurlaube auf
Rügen, Gedichte über Modewörter und Gespräche über die Einsatz-möglichkeiten eines
Laminators im Alltag. Haufenweise schöne Texte aus allen Genres, die eines gemeinsam
haben: Sie könnten alle sofort verfilmt werden!
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Laminator kaputt
Jakob Hein POLKE Guten Tag, bin ich hier richtig? Mein Laminator ist kaputt. MELLER Wie meinen Sie das? POLKE Ja, mein Laminator ist kaputt, und darum wollte ich fragen, ob ich hier damit richtig bin? MELLER Was soll denn an Ihrem Laminator kaputt sein? POLKE Ich habe … Es ist so, dass ich damit anfangs ja immer nur Papierseiten eingeschweißt habe. Zum Geburtstag von der Großmutter mal ein paar Zeilen oder wertvolle Kochrezepte, damit man die abwischen konnte, und auch den Artikel in der Landeszeitung über den neuen Leiterwagen von der Freiwilligen Feuerwehr Schlattingen. MELLER Sind Sie da Mitglied bei der Freiwilligen Feuerwehr Schlattingen? POLKE Nein. MELLER Ach, dann sind Sie wohl in Merkstedt? POLKE In was? MELLER Na, ich dachte, wenn Sie nicht in der Freiwilligen Feuerwehr Schlattingen dabei sind, dann müssen Sie bei der Freiwilligen Feuerwehr Merkstedt dabei sein. POLKE Wie käme ich dazu? Merkstedt ist gut vierzig Kilometer von uns weg. Und seit sie die Landesstraße neu machen, ist ja die Umleitung eingerichtet, haben Sie eine Vorstellung, wie lange ich da für die vierzig Kilometer brauchen würde? Fast eine Stunde! Dabei sind das Luftlinie, also wenn Sie die Luftlinie sehen, das sind kaum dreißig km. MELLER Km? POLKE Kilometer. Ich sage km, das ist eine Abkürzung. MELLER Verstehe. In welcher Freiwilligen Feuerwehr sind Sie denn nun? POLKE In gar keiner. MELLER Aber Sie sagten doch, Sie hätten den Artikel über den neuen Leiterwagen der Freiwilligen Feuerwehr Schlattingen laminiert? POLKE Ja, das schon. Aber das hing mehr damit zusammen, dass die Landeszeitung gerade herumlag und ich mal ausprobieren wollte, ob man auch mal was anderes als immer nur DIN-A4-Seiten laminieren kann. Und da habe ich diesen Artikel gewählt. Obwohl ich ihn dadurch, dass er dann laminiert war, doch noch sehr oft gelesen und immer wieder Neues erfahren habe. Wussten Sie, dass der Hauptmann der Freiwilligen Feuerwehr Schlattingen seit über vierzig Jahren dort tätig ist? MELLER Ach? POLKE Ja. Er hat schon dort als Jugendlicher damals angefangen. MELLER Das sind für mich Helden – freiwillige Feuerwehrleute. POLKE Wobei ich sagen muss, dass die bei uns im Ort auch sehr viel saufen. Also, die Arbeit der freiwilligen Feuerwehr besteht doch oft auch darin, sich besinnungslos wegzulöten. MELLER Das mag sein. Aber wenn’s drauf ankommt, dann sind sie da. Ein gutes Vereinsleben gehört eben dazu. POLKE Ich hatte den Artikel eben auch darum laminiert, weil ich mich ja sehr für Wasser interessiere. MELLER Für Wasser? POLKE Ja, natürlich. Ich verstehe gar nicht, warum sich nicht mehr Leute für Wasser interessieren. MELLER Sie meinen H2O? POLKE Ja – Wasser als Hobby ist so viel mehr als nur Dihydrogenmonoxid. Kinder spielen damit, die Menschen suchen es im Urlaub auf, fast jede leckere Speise wird damit zubereitet, der Mensch besteht zu über der Hälfte aus Wasser, und eine Gurke zu über fünfundneunzig Prozent. Ihre freiwillige Feuerwehr stünde ohne Wasser ganz schön dumm da. Die würde wortwörtlich ins Rohr schauen. MELLER Natürlich kenne ich mich auch mit Wasser aus. Die meisten meiner Heißgetränke bereite ich mir mit diesem Stoff zu, und ich nutze es auch zur Reinigung meiner Hautoberfläche. In meiner Wohnung gibt es mehr als drei verschiedene Wasserzugriffspunkte. Aber als Hobby? POLKE Sie müssen sich nur darauf einlassen! Wasser ist ein Spaß, der niemals endet. Ist Ihnen klar, dass es ohne Wasser auch den Klimawandel nicht geben würde? Denn Eis ist ja nichts als gefrorenes Wasser. MELLER Ja, worin man sich so alles vertiefen kann. POLKE Ich sage Ihnen: Wasser ist ein Hobby, das Sie um die ganze Welt führt, das Berührungspunkte mit so vielen Menschen schafft. Was ich mich schon mit Anglern und Kaffeeliebhabern unterhalten habe! MELLER Aber deswegen sind Sie gar nicht hier. POLKE Nein. Nur indirekt. Aber doch hängt alles mit allem zusammen. Panta rhei, wie der Grieche sagt, alles fließt, und er – der Grieche – meint ja damit das Wasser. MELLER Ich will Sie da wirklich nicht unterbrechen, aber der eine oder andere der hinter Ihnen stehenden Kunden scheint langsam die Geduld mit unserem Gespräch zu verlieren. POLKE Ja, die Zeiten sind sehr schnelllebig geworden. Mit drei »l«, manchmal kommt es einem schon vor wie vier »l«. Verstehen Sie? Vier »l«? Sage ich oft zu Andrea. MELLER Wegen Ihrer Laminiermaschine. POLKE Ja. Der Laminator. Es ging ja los mit dem Artikel aus der Landeszeitung, und dann wurde ich mutiger. Habe Eintrittskarten laminiert, Münzen teilweise. Schmetterlinge. MELLER Schmetterlinge? POLKE Ja. Das ging wunderbar! Die Schmetterlinge behalten ihre Form und Natürlichkeit in der Laminierung auf unvergleichliche Art. Sie müssen sie nur lebend in den Laminator bringen. MELLER Das klingt ja grausam. POLKE Nun ja. Wenn der Schmetterling gesammelt werden will, muss er Opfer bringen. MELLER Die meisten wollen das gar nicht. POLKE Ich sage Ihnen: Ich bin richtig in einen Laminierungsrausch verfallen. Ich habe Toaststullen laminiert. MELLER Toaststullen!?! POLKE Man glaubt das gar nicht: Zwei Scheiben Toastbrot, dazwischen bisschen Butter, Vorderhufschinken und eine Scheiblette – das machen Sie schön flach zwischen zwei Folien, und dann ab durch den Laminator. Weil das ja auf 89,5 Grad erhitzt wird, ist das automatisch getoastet und verpackt. Wenn Sie das dann auf dem Picknickplatz öffnen und der konservierte Duft des frischeversiegelten Toasts nur so herausströmt – Sie können sich des Neids Ihrer Nachbarn sicher sein. MELLER Sie haben Toast laminiert. POLKE Das ist noch nicht alles, aber muss ich ja vielleicht auch nicht alles aufzählen. Schnitzel natürlich und frischen Fisch. Ich habe schon zu...