Aichner | A. Hofer | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 280 Seiten

Aichner A. Hofer

Heldinnengeschichten
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-7099-7433-9
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Heldinnengeschichten

E-Book, Deutsch, 280 Seiten

ISBN: 978-3-7099-7433-9
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Eine Lebensretterin, die über ihre Tat so lange schweigt, bis sie sie selbst vergessen hat; ein Sport-Star, der alles gewinnt, was es zu gewinnen gibt, und doch das Glück verloren hat; die Hauptdarstellerin einer Reality-Show, die nichts anderes tut als auf der Couch zu sitzen und trotzdem von Millionen bewundert wird: Das sind drei von dreizehn Frauen - sie alle tragen den Namen Andrea Hofer, sie alle sind Heldinnen, jede auf ihre ganz besondere Art. Echte oder vermeintliche, von den Medien gemachte oder vergessene Heldinnen, aber auch solche, die in ihrer Tat gescheitert sind.
In ihren Texten und Fotografien spüren Ursula und Bernhard Aichner den Heroinen unserer Zeit nach und geben ihnen ein Gesicht. Ohne Zwang und Vorbehalt rücken sie den traditionellen Heldenkult ins rechte Licht und machen deutlich, dass modernes Heldentum weniger in der Tat, als vielmehr in ihrer mediengerechten Inszenierung besteht.

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A:   Martin hat immer gesagt, er möchte etwas schaffen, etwas, das bleibt. Es geschieht in seinem Namen, ich bin mir sicher, er würde uns unterstützen. F:   Eine Kinderschänderseite in seinem Namen, das hätte ihn sicher gefreut. Hey, Martin, die Kleine sieht aus wie deine Tochter, super, nicht. Ach, und der Mann auf dem Bild, das ist dein bester Freund. A:   Hör auf, dich lustig zu machen. Es wird wirklich eine gute Seite, sie wird ihren Zweck erfüllen, du wirst sehen. Alles animiert und sehr realistisch umgesetzt. Da arbeiten echte Profis dran, die Besten. Zuerst haben sie sich geweigert und die Köpfe geschüttelt, aber am nächsten Tag haben sie mich doch angerufen. Ich habe ihnen erzählt, was für ein wundervoller Mensch du bist und wie sehr du leidest und dass du nicht der Einzige bist, dem es so geht. F:   Andrea, hör zu, bitte, du kannst nicht mit jedem persönlich reden und ihn überzeugen, dass ich ein guter Mensch bin. Das geht nicht. Und hast du an die gedacht, die sich mit so einer Seite nicht zufrieden geben, an die, denen dein virtueller Kindergarten zu wenig real ist? Was ist mit denen, die sich nicht an deiner künstlichen Kinderwelt aufgeilen, mit denen, die sich nicht beherrschen können und hinausgehen und all die schrecklichen Dinge tun? A:   Es gibt solche und solche, das hast du selber gesagt. Allen kann man nicht helfen. Einer von hundert, zwei von tausend, wir werden sehen, wie sich die Sache entwickelt. Du selber hast gesagt, von deiner Sorte gibt es mehr, und wenn es einen legalen Weg gäbe, diese Bedürfnisse auszuleben, dann könnte man vielleicht viel Schmutz verhindern. Wieso glaubst du nicht mehr an deine Worte? Wir brauchen dich, du solltest darüber reden. Mit einer Internetseite allein ist das natürlich nicht getan, aber wir könnten die Menschen sensibilisieren. Denk nach, wie sieht das denn aus bei der Pressekonferenz, wenn niemand anwesend ist, der wirklich weiß, wovon gesprochen wird? Ohne dich … F:   Pressekonferenz, Andrea, bist du jetzt total durchgedreht? Ich gebe sicher keine Pressekonferenz, da bin ich meinen Job los, meine Freunde, mein Leben. A:   Jetzt hör schon auf, ich habe verstanden, um was es geht, und ich habe zwei Kinder. Trau das anderen auch zu. F:   Ist das denn überhaupt legal, so eine Seite? A:   Ich habe mich abgesichert. Es gibt unzählige Computerspiele, die kriminelle Akte nachempfinden. Es wird gemeuchelt, gemordet, geköpft, geschröpft, gekillt und gehängt und das alles legal, frei ab achtzehn und auch darunter. Da ist unsere Seite ja fast schon harmlos dagegen. F:   Nein, Andrea.   Liebes Tagebuch! Heute ist wieder die Susanne da. Sie macht uns Pausenbrot mit Nutella, die Mama nie. Die Mama und der Fritzi arbeiten viel für die Pressekonferenz. Ich weiß nicht, was das ist. Manuela ist jetzt meine Freundin, wir sind eine Bande. Die Nicki mag auch dabei sein. Wir lassen sie nicht, weil sie blöd ist. Ich möchte gerne ein Tattoo, einen Delphin, so einen, wie der Fritzi am Popo hat. Manuela hat mir die Langhaar-Barbie geliehen. Die ist voll super. Deine Leni! PS: Ich wünsche mir auch eine zum Geburtstag.   A:   Du warst großartig! Ich bin sehr stolz auf dich. F:   Ich bin auch stolz auf dich, du hast geredet, als ob du nie etwas anderes getan hättest. Andrea, an dir ist eine große Politikerin verlorengegangen. A:   Ich war so nervös. Hat man das gemerkt? F:   Ich schon, die anderen nicht. A:   Gut. F:   Prost, auf dein Projekt! A:   Unser Projekt, mein Freund, unser Projekt. F:   Bin ich eigentlich wahnsinnig? Morgen ist mein Bild in der Zeitung, Fritz, achtunddreißig, pädophil. Aber weißt du was, eigentlich bin ich glücklich darüber. Ist das nicht komisch? A:   Vor zwei Monaten warst du noch gestört, krank. Wenn wir hier fertig sind, dann haben die Menschen begriffen, du wirst sehen, wir haben dich aus der schmutzigen Ecke geholt. F:   Ja, genau, Prost. A:   Was ist los? F:   Ich habe Angst. A:   Wovor? F:   Vor morgen. A:   Morgen wird schön. Du wirst Fanpost bekommen. F:   Hör auf mit den Witzen. A:   Du bist ein guter Mensch, du hast nie etwas Schlechtes getan. Nur weil du an so etwas denken musst, bist du kein Monster, wie oft soll ich dir das noch sagen. Ich möchte manchmal beim Autofahren einfach am Gas bleiben, wenn ein Fußgänger über die Straße geht. Das macht mich auch nicht zu einer Mörderin. F:   Andrea! A:   Das meine ich ernst. Wir haben heute Großes bewirkt, über vierzig Medien waren da und sie werden alle über unsere Seite berichten. Wir waren großartig, wir haben die Dinge beim Namen genannt. Und du sagst, die Seite ist wundervoll geworden. Was wollen wir mehr? F:   Danke dir. Obwohl ich Angst habe, geht es mir gut, ich fühle mich … ganz … ja genau, ganz. Danke dir. A:   Danke Martin, für sein Geld, eigentlich seinen Eltern. Oh je, wenn die das erfahren, du lieber Gott, das wird lange dauern, bis sie mir das verzeihen. F:   Jetzt sag schon, was hat der Spaß gekostet? A:   Niemals. F:   Ich habe mich erkundigt, so eine Webseite kostet ganz schön viel Geld. Und dann noch die ganzen Animationen, die sehen ja aus wie echt. Dass das überhaupt geht. Muss unglaublich teuer gewesen sein. A:   Noch viel teurer, als du dir vorstellen kannst, aber das ist nicht wichtig. Heute haben wir die Welt verändert. Wir haben Kindern großes Leid erspart und einige Pädophile aus dem kriminellen Eck geholt. Es gibt sicher bald Nachahmer. Damit kann man ja auch Geld verdienen, ist ja nicht jeder so blöd und stellt das alles gratis zur Verfügung. F:   Ich danke dir.   Liebes Tagebuch, in der Schule hat ein Kind auf mich gespuckt. Die Manuela ist jetzt die Freundin von der Nicki, sie sind jetzt eine Bande. Heute war alles komisch. Die Lehrerin auch. Ich glaube, weil der Fritzi und die Mama in der Zeitung waren, aber ich weiß nicht genau. Vielleicht wegen der Pressekonferenz. Die Manuela ist gemein, ich bin so traurig. Heute bin ich ganz allein, nur Mauzi mag mich und der Peter, aber der hat mich gebissen, der ist gefährlich. Deine Leni allein   A:   Fritz, hast du den Bericht im News gelesen? Bitte ruf mich zurück, bitte, wir müssen reden!   Liebes Tagebuch, auf unserer Hausmauer hat einer SCHWEINE geschrieben, und noch etwas, ich kann das nicht lesen. Die Mama weiß nicht, wer das war. Uns geht es schlecht. Die Mama weint viel. Sie geht nicht zur Arbeit, die Susanne kommt auch nicht mehr. Die Mama sagt, der Fritzi ist weg, sie kann ihn nicht erreichen. Er hat ein neues Telefon. Es ist nicht wegen mir, sagt Mama. Ich glaube das nicht, sonst geht er nicht weg. Der Papa hat mich auch nicht lieb, sonst wäre er nicht gestorben. Keiner mag mich mitnehmen. Ich bin traurig, weil die Mama traurig ist. Wenn in der Schule die Kinder weiter mit mir blöd sind, darf ich in eine neue Schule gehen. Ich mag, dass die Nicki und die Manuela wieder eine Bande mit mir sind. Lena   Liebe Andrea! Mein Vermieter hat mir gekündigt, am selben Tag wurde mein Zeichentisch abgebaut und mein Chef hat mir empfohlen, freiwillig zu gehen. Mit so jemandem wie mir will er nichts zu tun haben. Meine Wohnungstüre hat gebrannt und beim Öffnen des Briefkastens bekomme ich Schweißausbrüche. Auf der Straße hat eine Frau einen Stein nach mir geworfen. Du Schwein, sagen sie und drehen sich um. Im Laden werde ich nicht mehr bedient und ein Taxifahrer hat mir die Mitfahrt verweigert. Dann die furchtbaren Anrufe und Ansagen auf meiner Mailbox, ich habe mein Telefon abgemeldet. Sie wollen mich vor Gericht sehen, einige drohen mir, mich umzubringen oder mich zu kastrieren. Jeder, ausnahmslos jeder, den ich kenne, ist mit meinem Problem überfordert. Und als Krönung bekomme ich Post von anderen Pädophilen, die mich als Idioten beschimpfen und mir Vorwürfe machen, sie an die Öffentlichkeit gezerrt zu haben. Jetzt stehe ich wieder alleine da, genau davor habe ich mich gefürchtet. Es tut mir sehr leid, euch alleine zu lassen, besonders Leni, sie wird mir das wohl nie verzeihen. Ich könnte...


Ursula Aichner, geboren 1976 in Klagenfurt, lebt in Innsbruck. Meisterfotografin, spezialisiert auf Werbe- und künstlerische Fotografie. Schreibt Lyrik und Prosa. fotowerk-aichner.at

Bernhard Aichner, geboren 1972, lebt als Schriftsteller und Fotograf in Innsbruck. Mehrere Literaturpreise und -stipendien. Zahlreiche Theaterstücke sowie Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien. Bei Skarabaeus zuletzt: Schnee kommt. Roman (2009). bernhard-aichner.at



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