E-Book, Deutsch, 124 Seiten
Allstadt / Clauss / Serfas Neurofinancial Engineering
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-347-77255-7
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eine interdisziplinäre Betrachtung neuronal bedingter Effekte im Investmentprozess und möglicher Korrektive bei der Prozessgestaltung
E-Book, Deutsch, 124 Seiten
ISBN: 978-3-347-77255-7
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Finanzielle Entscheidungen sind vielschichtig und komplex. Dabei spielen neben rationalen Überlegungen (klassische ökonomische Modelle) und psychologischen Aspekten (Behavioral Finance) jedoch auch zahlreiche neuronale Einflussfaktoren eine wichtige Rolle. Mit diesen beschäftigt sich die sog. Neurofinance, die neuroökonomische Methoden speziell auf Fragestellungen finanzieller Entscheidungen anwendet und die im Zentrum dieses Buches steht. Dessen übergeordnetes Ziel ist die Gestaltung eines ganzheitlichen, anwendungsorientierten, neuronal modifizierten Decision Frameworks zur Verbesserung der Entscheidungsfindung im Investmentprozess von Privatanlegern mithilfe der Methodik des hierfür neuentwickelten Neurofinancial Engineerings. Letzteres wird dabei als systematisches Konstruieren eines normativen, neuroökonomisch modifizierten Entscheidungsrahmens im Kontext finanzieller Entscheidungen verstanden. Dazu werden für alle wichtigen Schritte und Aktivitäten im Investmentprozess verschiedene relevante neuronale Effekte und deren mögliche negative Auswirkungen beschrieben und anschließend potenzielle Korrektivmaßnahmen zur Verringerung derselben diskutiert.
Prof. Dr. Sebastian Serfas ist stellv. wissenschaftlicher Gesamtstudienleiter der FOM Hochschule in Nürnberg. Er lehrt und forscht mit Schwerpunkt im Bereich Finance & Accounting, beschäftigt sich seit längerem intensiv mit verschiedenen Aspekten der Digitalisierung und berät Unternehmen bei strategischen und operativen Fragestellungen.
Autoren/Hrsg.
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Kapitel 2 – Grundlagen des Portfoliomanagements und der Entscheidungstheorie Das nachfolgende Kapitel besitzt einführenden Charakter und soll finanzwirtschaftliche, sowie entscheidungstheoretische Grundlagen für das Verständnis der nachfolgenden Kapitel vermitteln. Das Kapitel beginnt mit den Grundlagen des Portfoliomanagements und der Entscheidungstheorie, indem wichtige Zusammenhänge und Begrifflichkeiten definiert werden. In Unterkapitel drei werden die Rollen verschiedener Marktteilnehmer im Investmentprozess der Kapitalanlage beschrieben. Das vierte Unterkapitel beinhaltet eine ausführliche Gegenüberstellung wichtiger Schritte der klassischen und neoklassischen Kapitalmarktforschung, inklusive der Annahmen, Funktionsmechanismen und empirischen Validität. Diese Annahmen der klassischen Theorien wiederum dienen als Ansatzpunkt zur späteren Erweiterung durch die Neurofinance. 2.1 Einführung in Portfoliomanagement und Kapitalmarktforschung Zunächst ist der Begriff Portfoliomanagement zu definieren, der sich aus den zwei Komponenten Portfolio und Management zusammensetzt. Das Wort Portfolio findet seinen Ursprung im französischen "portefeuille" und bedeutet Brieftasche. Konkret ist hiermit die gedankliche Zusammenfassung von Ressourcen, ursprünglich Wertpapieren, gemeint, um dadurch leichter eine optimale Kombination selbiger verfolgen zu können.30 Das Wort Management kann mit Führung oder Steuerung übersetzt werden, wobei in der Finanzwirtschaft das steuernde als das gestaltende Element ausschlaggebend ist.31 Somit kann Portfoliomanagement32 vereinfacht bezeichnet werden, als die systematische Selektion, Steuerung und Kontrolle verschiedener zu einem Portfolio zusammengefasster Wertpapiere.33 Vom Begriff des Portfoliomanagements kann abgrenzend der Terminus Asset Management erwähnt werden. Asset wird hierbei übersetzt mit Vermögensgegenstand. Eine exakte Trennschärfe von Portfolio- zu Asset Management existiert nicht, da die Begriffe oftmals synonym verwendet werden, wobei Asset Management tendenziell als ein institutionalisierter Prozess verstanden wird. Oftmals agieren hier Kunde und Berater einer Finanzinstitution (Bank, oder Vermögensverwaltung) gemeinsam.34 Wie erwähnt, fokussiert sich dieses Buch auf die prozessuale Ebene von Investments und hier auf (selbstentscheidende) Privatanleger, die durch Entscheidungshilfen unterstützt werden können, weshalb in dieser Arbeit der Begriff Portfoliomanagement verwendet wird.35 Ob Anleger als Selbstentscheider oder mit einem Berater agieren, das theoretische Grundprinzip des Portfoliomanagements beruht im Kern auf der sog. Portfoliotheorie, und deren Modifizierungen, die sich auf die Portfolio Selection nach Markowitz36 stützt. Das Ziel des Portfoliomanagements ist hierbei die Zusammenstellung eines optimalen Portfolios, welches die Rendite-Risiko-Erwartung des Investors zufriedenstellend und das Rendite-Risiko-Verhältnis effizient erfüllt. Effizient bedeutet, dass keine andere Kombination mit vorteilhafteren Parametern existiert. Vorteilhaft heißt konkret, dass keine höhere Rendite bei gleichem Risiko, oder kein geringeres Risiko bei gleicher Rendite erzielbar ist. Dies wird u.a. durch Diversifikation erreicht, also durch Streuung des Vermögens auf mehrere Anlageklassen und Titel und deren bestmögliche Allokation. Die Streuung hilft, Risiken zu senken und das Portfolio robuster zu gestalten. Die zentralen Bewertungsgrößen des Portfolios sind dabei nicht nur die Rendite eines Wertpapiers, sondern auch dessen Risiko (Standardabweichung der Renditen) 37. Ebenfalls wichtig für die Portfoliokonstruktion sind die Korrelationen der Wertpapiere untereinander, mit denen Gleichläufigkeit, oder Gegenläufigkeit der Anlagen gemessen und die Streuung reguliert wird.38 Denn je geringer die Korrelationen der Investments untereinander, desto größer ist die Effizienzsteigerung durch Diversifikationseffekte.39 Abbildung 1 stellt den Prozess und eine typische Unterscheidung der Ebenen der Portfoliokonstruktion grafisch dar. Abbildung 1: Typische Ebenen der Asset Allocation (Auswahl) Quelle: Eigene Darstellung in inhaltlicher Anlehnung an Steiner, M. et al., Wertpapiermanagement, 2012, S. 92. Dieser mehrstufige Prozess, welcher in Abbildung 1 dargestellt wird, wird systematisch durchgeführt und als sog. Asset Allocation bezeichnet, also als Vermögensallokation. Das zu investierende Vermögen wird hierbei auf verschiedene Anlageklassen und darin befindliche Anlagen aufgeteilt (d.h. allokiert). Methodisch kann dieser Prozess in zwei Stufen unterteilt werden, nämlich in die strategische und die taktische Asset Allocation. Die strategische Asset Allocation bildet als Makro-Ebene die grundsätzliche Ausrichtung des Portfolios und definiert die Gewichtung der Anlageklassen, der Länder und der Währungen. Die Quoten richten sich dabei nach der Risikotragfähigkeit (finanzielle Faktoren) und der persönlichen Risikotoleranz (psychologische Faktoren) des Investors. Damit ist sie tendenziell als langfristig anzusehen. Die taktische Asset Allocation als Mikro-Ebene steuert die Investments innerhalb der zuvor festgelegten Anlageklassen. Sie regelt die finale Titelauswahl, Branchenstreuung, Laufzeitenaufteilung und Ratings. Diese Ausrichtung ist eher mittel- bis kurzfristig.40 Der Prozess der Asset Allocation kann dabei unterschiedliche Ausgangspunkte und somit Ansätze haben. Wenn sie von den Assetklassen und deren Gewichtung ausgeht, also von der Makroebene kommend, wird sie als Top-Down-Ansatz bezeichnet. Beginnt der Prozess jedoch mit einzelnen Investments, die die Assetklassen bedingen, bezeichnet man sie meist als Bottom-Up-Ansatz.41 Kritisch sei ergänzt, dass der Bottom-Up-Ansatz aus zwei Gründen Herausforderungen birgt. Zum einen sorgt der initiale Anlagefokus dafür, dass die Gesamtstruktur des Portfolios schwieriger systematisch zu beurteilen ist. Zweitens gilt die strategische Asset Allocation als eine wichtige42 Erfolgsdeterminante im Portfoliomanagement, deren Stärken bei einem Bottom-Up-Ansatz oft nicht angemessen zum Tragen kommen.43 2.2 Einführung in die Entscheidungstheorie Laut Bamberg et al. behandelt die Disziplin der Entscheidungstheorie die logische Analyse von Entscheidungsverhalten.44 Resnik definiert Entscheidungstheorie weitläufiger, da sie mathematische, logische und philosophische Komponenten umfasse und Entscheidungssituationen eines Individuums oder einer Gruppe erklärt, die miteinander oder gegeneinander entscheiden.45 Als eigenständiger Teilbereich der Entscheidungstheorie kann abgrenzend die Disziplin der Spieltheorie genannt werden, die erstmalig um 1928 aufkam. Die Spieltheorie modelliert mittels mathematischer Formulierungen interaktive Entscheidungssituationen mehrerer Teilnehmer, die in Konkurrenzsituation stehen können, inklusive der jeweiligen Abhängigkeiten und Wechselwirkungen einer Entscheidung.46 Die klassische Entscheidungstheorie kann in zwei Gattungen unterteilt werden: in präskriptive und deskriptive Entscheidungstheorien.47 Die präskriptive oder auch normative Theorie fokussiert sich auf Entscheidungslogik und damit auf abgeleitete Regeln für rationales Entscheiden. Sie gibt vor, wie Entscheidungen rational getroffen werden sollten. Die deskriptive Entscheidungstheorie fokussiert sich auf die Klärung beobachteter Entscheidungsergebnisse und deren Motive sowie das damit verbundene Verhalten von Entscheidungsträgern. Sie agiert somit eher empirisch und beschreibt, wie Entscheidungen in der Realität getroffen werden.48 Eine Entscheidung kann dabei vereinfacht definiert werden als die Auswahl eines Individuums zwischen mindestens zwei Möglichkeiten.49 Ausführlicher definiert ist eine Entscheidung ein Selektionsprozess eines oder mehrerer Entscheidungsträger, die innerhalb einer Entscheidungssituation, die Rahmenbedingungen, Aktionen und Zielsetzung beinhaltet, zwischen Handlungsalternativen auswählen.50 Zur Hilfestellung bei mehr als zwei Alternativen dienen Entscheidungsmodelle. Ein einfaches Entscheidungsmodell wiederum beinhaltet mehrere Basiselemente. Die Basiselemente sind u.a. eine Entscheidungsregel und ein Entscheidungsfeld.51 Eine Entscheidungsregel hilft bei rationalen Entscheidungen durch Festlegung einer Selektionslogik, um diejenige Alternative mit der größtmöglichen Bedürfnisbefriedigung zu erlangen.52 Das Entscheidungsfeld setzt sich aus Handlungsalternativen, Ergebnissen sowie Umweltzuständen zusammen. Zur Beurteilung der Handlungsalternativen nutzt der Entscheidungsträger Ergebnisse in Form der Konsequenzen einer Entscheidung. Die Konsequenzen wiederum bewertet er durch sein subjektives Zielsystem und deren Zielgrößen, wie z.B. Gewinn oder Einkommen. Des Weiteren existieren im Entscheidungsfeld Umweltzustände. Umweltzustände sind definiert als Ausprägungen der Entscheidungsergebnisse, die durch die Erwartung des Entscheidungsträgers hinsichtlich deren Eintrittsmöglichkeit bewertet sind. Eine Entscheidung kann beispielsweise unter Sicherheit oder unter Unsicherheit53 des eintretenden Zustandes stattfinden. Sicherheit bedeutet, dass der Entscheider den eintretenden Zustand der Entscheidung definitiv kennt. Konträr hierzu bedeutet Unsicherheit, dass der...