Altenberg | Wie ich es sehe | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 195 Seiten

Reihe: Fischer Klassik Plus

Altenberg Wie ich es sehe

In der Fassung des Erstdrucks
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-10-401904-8
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

In der Fassung des Erstdrucks

E-Book, Deutsch, 195 Seiten

Reihe: Fischer Klassik Plus

ISBN: 978-3-10-401904-8
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon.
Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Autoren.
Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK.

Die Kurzprosa, die der überzeugte Bohemien Peter Altenberg in Wiener Kaffeehäusern schrieb, entzieht sich den üblichen Erwartungen an ›ordentliche‹ Literatur. Vom Wechsel der Tages- und Jahreszeiten,von Kindheitserinnerungen und zufälligen Beobachtungen geprägt, nehmen sich Altenbergs Texte, die er selber als 'Extrakte des Lebens' verstand, jede nur denkbare Freiheit. Der vorliegende Band basiert auf der Originalfassung von Altenbergs Buch, das erstmals 1896 im Berliner S. Fischer Verlag erschien.

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Zwei, die nicht zusammenkamen.


Frau Bankdirektor von H.


Skizzen-Reihe.

Ein poetischer Abend.


Vor jedem Teller stand ein Kelchglas mit glänzend rothen Zwerg-Georginen. Auf dem Tische lag ein Tischläufer, der mit rother Seide reich bestickt war. In zwei tiefen rothen Glasschüsseln lagen ganz rothe Blutorangen und die kleinen Bäckereien auf den silbernen Aufsätzen waren Alle mit rother Himbeer-Glasur überzogen.

Der Lieutenant hatte rothe Aufschläge, das Fräulein neben ihm hatte rothe Wangen, die Braut erröthete, so oft der Bräutigam sie küsste und der rothseidene Lampenschirm überfluthete den Raum mit rothem feurigem Dunste. Nur die junge Hausfrau war bleich. Sie hatte diese ganze »Symphonie in Roth« componirt zu Ehren des Brautpaares und war wie alle Dichternaturen nervös und bleich.

Nach dem Souper kam Maitrank in schönen grünen Gläsern und die junge Hausfrau gruppirte Alle um sich und las mit einer wunderbar zarten Betonung ein liebliches Gedicht vor, das sie auf das Brautpaar verfasst hatte.

Sie musste es noch einmal vortragen und wieder las sie es mit dieser wunderbar zarten Betonung.

Das Ganze klang wie eine Stelle aus dem Septett Beethoven’s. Das Cello singt da in ganz reiner Freude vor sich hin, es tanzt fast, ja es tanzt wie die kleinen Mädchen, die sich die Schürzen halten, auf den Wiesen tanzen. Dann aber breitet das Cello pötzlich ein Paar Flügel aus und schwingt sich in die Sterne – – –.

Ganz so machte es das Gedicht. Es tanzte – – –. Dann breitete es ein Paar Flügel aus und flog in den Himmel!

Später sagte die Hausfrau: »Macht Musik – – –!«

Der rothe Lieutenant und das rosige Fräulein spielten à quatre mains den Clavier-Auszug aus »Bajazzo.«

Weil Alle es bei den »Italienern« gehört hatten, machte es einen riesigen Eindruck.

Einer sagte: »Die sind auf einander eingespielt – – –.«

Besonders das Lied »povre Bajazzo« zündete. Die Herren sangen es im Chore mit, obzwar es ein Solo ist. Sogar der junge Englischman sagte: »allright –.« Und das war das Höchste!

Dieses Lied klingt wirklich wie »gemordete Liebe.«

Die blühende Liebe aber, die wachsende, lehnte Hand in Hand am offenen Fenster und starrte in die milde Nacht hinaus und athmete die Luft, die vom Kahlengebirge herzog und Düfte brachte von Gras, auf dem der Schnee zerrinnt – – –.

Das war ein poetischer Abend.

Als Alle fort waren, sagte der Hausherr: »Anita, Alles regt dich so auf, Gesellschaften sind Nichts für dich, du gehst in den Sachen auf – – –. Wozu?!«

Die Dame nahm die rothen Zwerggeorginen aus den Kelchgläsern, schnitt ein Stückchen Stengel bei jeder unten ab, damit sie besser Wasser saugen könnten, legte Alle in eine flache Wasserschüssel, stellte dieselbe vor das Fenster.

»Komm’ – – «, sagte der Hausherr, »es ist spät und du bist müde – – –.«

»Nächstens mache ich Alles in Blau«, sagte sie, »einen blauseidenen Lampenschirm, blaue Hyazinthen, oh, giebt es eine blaue Zuckerglasur?! Vielleicht Heidelbeersaft – – –?!«

»Kindskopf – – «, sagte der Hausherr und küsste sie.

Die Dienstboten.


Das Kindermädchen.

Das Kindermädchen mit den hellblonden seidenen Haaren öffnete die Hausthüre. »Oh – – «, sagte sie »Niemand ist zu Hause, die gnädige Frau und der gnädige Herr sind mit dem Bubi ausgefahren.«

»Ich werde sie erwarten«, sagte der junge Mann.

Er setzte sich in die Küche auf einen Holzsessel.

Alles schimmerte, die blaugrauen Kacheln, der dicke Messinghahn der Wasserleitung, der rothbraune Mosaikboden mit den matten weissen und blauen Fleckchen – – – – und die seidenen Haare des Mädchens.

An dem offenen Fenster hiengen an Bast gelbgrüne Muskatellertrauben.

Das junge Mädchen stand an die Thüre gelehnt.

»Wie war es am Land, Emilie – –?!«

Er wusste, das sie das Landleben liebte und sich hinaussehnte – – –.

Dann sagte er: »Es ist heute ein schöner Herbstabend – – –!«

»Oh, in der Stadt – – –?!«, sagte sie.

Es wurde ganz still.

Nur die Wassertropfen an dem glänzenden Messinghahne schlugen auf die Marmorschale auf – – – pláp, pláp, pláp.

»Haben Sie nie Ausgang?!«, sagte er.

»Wozu?! Zu Wem sollte ich geh’n?! Ich habe Niemanden – – –.«

»Sie haben es hier sehr gut,« sagte er, »Sie haben das Buberl sehr gern und ihre Herrschaft ist edel und gut, besonders die Frau Bankdirektor.«

»Ja«, sagte sie.

Sie war achtzehn Jahre alt, hatte einen rosigen Teint, eine ideale Gestalt. Alle um sie herum hatten sie lieb, besonders das Buberl, oh, der – – –! Deshalb, wenn man zu ihr sagte »Sie haben es sehr gut«, sagte sie »o ja«.

Der junge Mann dachte: »Zehn tausend ungeborene Wünsche kreisen in so einem jungen Organismus – – –!«

Er sagte: »Was machen Sie Abends, wenn der Kleine schläft?!«

»Nichts – – – «, sagte sie.

»Der Kleine schläft doch schon um acht Uhr ein – – –?!«, sagte er.

Sie schwieg.

Dann sagte sie und senkte die Augen: »Wenn ich die Zeitungen der Herrschaft hätte vom vorigen Tage – – –! Aber es kostet auch Licht – – –.«

Am nächsten Tage sagte ihre junge Herrin zu ihr: »Emilie, Sie können immer Abends die Zeitung in ihr Zimmer nehmen – – –. Ich habe einen hohen japanischen Wandschirm gekauft, damit das Buberl nicht vom Lichte ihrer Lampe gestört werde.«

»Meiner Lampe – – –?!«

»Ja; ich habe Ihnen eine Leselampe gekauft.«

»Oh, gnädige Frau – – – «, sagte das junge Mädchen und erbleichte.

Aber der junge Mann von gestern dachte: »Zehntausend ungeborene Wünsche kreisen in so einem jungen Organismus. Bringe Einen zur Geburt, zur Erfüllung – – – und es bleiben nur mehr Neun Tausend Neun Hundert Neun und Neunzig!«

Das Stubenmädchen.

Die junge Frau mit den goldbraunen Haaren hatte sie von der Mama übernommen. Unter den wunderschönen Hochzeitsgeschenken war jedenfalls das Werthvollste »Marianne, Stubenmädchen.«

»Sie hat schon ihre kleinen Fehler – – – «, sagte die Mama.

Aber sie wusste selbst nicht welche.

Es war mehr so eine Ahnung von der Unvollkommenheit alles Irdischen – – –. Jedenfalls war es ein Mädchen mit »tiefem Takt«, wie der Bruder der jungen Frau sich ausdrückte.

»Sie sieht Einem Alles an den Augen ab – – «, sagte einst eine Dame, welche zu Besuch war.

»Sie hat schon ihre kleinen Fehler – – «, sagte die Mama.

»Nein, sie hat keine – –,« sagte die goldbraune Tochter und machte ein ganz gerührtes Gesicht.

Dieses Mädchen bekam sie als Hochzeitsgeschenk mit.

»Da ist dein Zimmer, Marianne – – – «, sagte sie und öffnete ein kleines Paradies und lächelte. Sogar Blumen waren darin.

»Oh gnädige Frau – – – «, sagte das arme Mädchen.

Die Verwandten sagten: »Die ist wie das Kind im Haus – –. Aber sie verdient es.«

Marianne war gut, edel, still und fleissig – –.

Sie kochte sogar. Aber nur als »Fleiss-Aufgabe«.

Hie und da las sie, pflegte ihre Blumen, nähte – –.

Oder sie sah in den grossen Hof hinab, wo Equipagen gewaschen wurden und hinauf, über die Dächer, wo ein feiner weisser Thurm war und der blaue Himmel – – –.

Im zweiten Jahre dachte die junge goldbraune Frau: »Marianne verändert sich. Sie beginnt zu denken. Kann man davon leben »Ich bin wie das Kind im Hause«?! Sie hat ein liebes kleines Zimmer, guten Lohn, Kleider – –. Was ist es?! Wozu ist man geboren?! Wir nützen sie aus! Vielleicht liebt sie meinen Bruder oder einen anderen Feinen, Edelgeborenen – –? Vielleicht weint sie in den Nächten in ihrem kleinen Paradiese. Vielleicht zieht sich ihr Herz zusammen, wenn sie mein Glück sieht, meinen Frieden?!«

Jedenfalls begann Marianne zu denken – – –.

Sie beneidete einen Menschen – – die Friseurin.

»Friseurin sein, frei, selbständig – – –!«

Sie betrachtete dieses Wesen wie die Göttin der Freiheit – – –.

Von wo kam sie?! Wohin eilte sie – –?!

Sie läutete, stürzte herein, frisirte, erzählte, plauderte ganz familiär, nahm Geld und stürzte ab – – –.

»Die hat keine Zeit zum Denken – – «, dachte Marianne.

Wenigstens lag darin das Reizende für sie – – –.

Es war ein Schwung in diesem Leben, ein Kampf mit der galoppirenden Zeit, mit den mysteriösen Damenhaaren, mit dem Leben – – –!

Marianne sah in den Hof hinab, wo die Equipagen...



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