E-Book, Deutsch, Band 350, 238 Seiten
Reihe: Leben Lernen
Altmeyer Systemische Therapie trifft EMDR (Leben Lernen, Bd. 350)
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-608-12432-3
Verlag: Klett-Cotta
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Theorie und Praxis einer Synthese
E-Book, Deutsch, Band 350, 238 Seiten
Reihe: Leben Lernen
ISBN: 978-3-608-12432-3
Verlag: Klett-Cotta
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Susanne Altmeyer, Dr. med., ist Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Neurologin, Systemikerin und EMDR-Therapeutin. Sie leitet als Chefärztin die Klinik und die Tagesklinik für Psychosomatische Medizin, Psychotraumatologie und EMDR des Gezeiten Hauses Schloss Eichholz bei Köln.
Zielgruppe
Ärztliche und psychologische Psychotherapeut:innen, systemische Therapeut:innen, EMDR-Therapeut:innen, Traumtherapeut:innen
Weitere Infos & Material
Vorwort im Dialog
von Björn Enno Hermans und Sebastian Baumann
Enno Hermans (EH): Wir haben uns sehr darüber gefreut, für ein Vorwort zu diesem Buch angefragt worden zu sein. Was war dein erster Gedanke, als du von dem Titel des Buchs erstmals gehört hast?
Sebastian Baumann (SB): Ich war gleich bei den anderen Büchern, die Susanne zu dem Thema geschrieben hat, und habe gedacht: Jetzt geht es noch mal eine Runde tiefer und umfassender. Bei Schreibprozessen wird man ja immer feiner und kommt immer mehr auf den Punkt.
EH: Ich habe mit einem ähnlichen Blick darauf geschaut, und trotzdem merkte ich auch direkt, wie ich so ein ganz kleines neugierig interessiertes Störgefühl hatte, weil ich selber ja auch mal EMDR lernen durfte und da immer noch Fragezeichen geblieben sind. Vor allem, wie das gut zusammengeht mit Systemischer Therapie, und deswegen war ich neugierig, weil ich dachte: toll, das jetzt mal explizit so anzuschauen.
SB: Vielleicht können wir da direkt weitermachen, weil diese Irritation, die du gespürt hast, die ist bei mir auch gekommen. Ich mache es mal in zwei Punkten fest: Irritation ist etwas, mit dem wir Systemiker:innen sehr gerne arbeiten. Wir irritieren. Und im Traumabereich sollte man vorsichtiger mit Irritationen sein, zumindest mit sehr unmittelbaren.
Die Strukturiertheit von EMDR versus das Freigeistige der Systemischen Therapie ist das Zweite, was mir direkt aufgefallen ist. Vorgehen anhand von Protokollen/Manualen ist ja nicht das Erste, was einem zu Systemischer Therpapie einfällt. Deswegen fand ich dieses Bild von Madame Systema und Herrn EMDR (vgl. Kap. 3) so interessant. Sie scheinen sich richtig gut zu ergänzen.
Was ging dir denn durch den Kopf, als du die beiden da zusammen gesehen hast?
EH: Ich fand es erst mal total beeindruckend, wie es Susanne gelungen ist, so viele passende und treffende Metaphern zu nutzen in diesem Buch. Der Garten und die Wurzeln zum Beispiel, also auch eine Dialektik oder scheinbare Gegensätze in ihrer Ergänzung. Ressourcen-Trüffelschwein und Bergführerin hat mir auch sehr gefallen oder dann, wie von dir angesprochen: Madame Systema und Herr EMDR. Das sind starke Metaphern, die ich als sehr hilfreich empfunden habe. Und als ich die beiden kennengelernt habe im Buch, habe ich gedacht: Wenn man nur das eine oder das andere betrachtet, also Systemische Therapie oder EMDR, ist es spannend, wo sie jeweils auch ein bisschen ihre Lücken oder blinden Flecken oder noch nicht ausgefüllten Stellen haben, die vielleicht in der Tat durch das andere ergänzt werden.
SB: Die beiden können wirklich viel voneinander lernen, und wahrscheinlich besteht die traumatherapeutische Kunst darin, zu entscheiden: Wo braucht es gerade mehr strukturierte Sicherheit und wo sollte es gerade freier, adaptierter, unkontrollierter zugehen? Und ich finde die Beschreibung von dir gerade gut, dass sie wahrscheinlich auch auf ein paar Lücken des jeweils anderen hinweisen, wo es einer Ergänzung bedarf.
EH: Genau. Ich empfand den größten Widerspruch darin, dass es die Systemiker:innen nicht so sehr haben mit irgendwelchen linearen Kausalkonstruktionen und Zuschreibungen. Weder mit Blick auf die Entstehung von Phänomenen und genauso wenig im Umgang damit dann zu sagen: Das machen wir jetzt genau so und haben eine linear-kausale Ergebniserwartung. Das ist ja etwas, was nicht ganz typisch systemisch ist, was aber in der Traumatherapie insgesamt, vor allem aber auch bei so einer Methode wie EMDR, doch deutlich stärker gegeben ist. Ich habe mich auch selber damals in der traumatherapeutischen Weiterbildung und auch in der Forschung dazu immer ein wenig innerlich damit gerettet, dass ich mir gedacht habe: Okay, das ist aber auch eine der wenigen Symptomkonstellationen, bei der es eine innere Kausalitätskette gibt. Denn ohne potenzielle traumatische Ereignisse keine entsprechenden Folgen davon.
Susanne ist es sehr gut gelungen, den Leserinnen und Lesern in beiden Bereichen erst mal eine gute Grundlage zu verschaffen. Grundlage und Grundverständnis sowie Grundhaltung der Systemischen Therapie werden ebenso vermittelt wie auf der anderen Seite auch sehr praxisnah die Entwicklung, Entstehung und Weiterentwicklung von EMDR. Und dann kommt eben dieser sehr spannende dritte Teil, wie denn jetzt eine Integration dessen sinnvoll aussehen kann. Wie war es bei dir?
SB: Sehr bedeutsam finde ich, und da erinnere ich gleich Beispiele aus meiner therapeutischen Praxis, dass die Reaktion anderer auf das traumatische Ereignis ja einen großen Einfluss darauf hat, wie es verarbeitet wird. Reagieren Bezugspersonen auf das traumatische Erlebnis ernstnehmend unterstützend oder nicht beachtend, leugnend, feindselig? Auch das beschreibt Susanne ja sehr fein, dass es primär um die Verarbeitung des Erlebten geht. Wie mein Umfeld darauf reagiert, hat einen immensen Einfluss; also ob mich danach jemand in den Arm nimmt und mich tröstet und etwas von dem mit mir macht, was dann als Beispiel dafür gelten kann, wie ich selber mit mir umgehen könnte.
Ich hatte auch den Eindruck: Wer einen Schnelldurchgang in Systemischer Therapie und einen Schnelldurchgang in EMDR haben möchte, der ist mit den ersten Kapiteln richtig gut bedient, weil sie das Kondensat der beiden Verfahren oder Methoden zusammenfassen.
Gleichzeitig wird eine systemische Fallkonzeption angeboten mit der Systemmodellierung und den generischen Prinzipien, die ich als Meta-Framework super gut passend finde. Ganz besonders mag ich auch die ständige Verbindung zwischen Theorie und Praxis im Buch. Da ist jetzt nicht jemand, die irgendwo abstrakt im stillen Kämmerlein ihr Buch geschrieben hat, sondern das ist alles verifiziert und erprobt in der Arbeit mit Klientinnen und Klienten, sogar in einem stationären Setting, das sie als Chefärztin hat. Man merkt diesem Buch sehr an, dass es von der Praxis her kommt.
EH: Total, gerade auch in der Ausdifferenzierung, also bei diesen Verbindungen zwischen Systemischer Therapie und EMDR.
Gedanken, die mich besonders angesprochen haben, sind Themen wie die Unterstützung der Selbstorganisation, aber auch methodische Ähnlichkeiten zwischen den Ansätzen, wie das Arbeiten mit Symbolisierung, Externalisierung, Zeitlinien und Traumalandkarten und, was du auch schon angesprochen hast, der Bezug der generischen Prinzipien zu EMDR.
Da hat es bei mir dann auch manchmal »Klick« gemacht im Sinne von: Wie lässt es sich nochmal anders integrativ denken? Und auch die wichtige Erkenntnis, dass es bei beidem um eine Idee von Selbstheilung und Selbstorganisation geht. Also Unterbrechungen zu nutzen, die vielleicht sonst gar nicht so üblich sind und dass bei beiden Konzeptionen Informationen eher nicht von außen kommen, sondern im Klienten(system) entstehen.
SB: Weißt du, ich hatte so ein Bild im Kopf, dass Susanne da auf einem Schaukelstuhl neben uns sitzt, es brennt das Feuer eines Kamins und sie erzählt einfach aus ihrem therapeutischen Alltag.
EH: Ein super Bild, finde ich, und diese Atmosphäre prägt das ganze Buch.
SB: Ich finde auch sehr schön, dass es von der Sprache her immer verständlich ist und auch komplexe Sachverhalte so runtergebrochen werden, dass sie nachvollziehbar gemacht werden, auch für jemanden ohne Medizinstudium.
EH: Gab es etwas in dem Buch, wo du gedacht hast: Das würde ich gern mal ausprobieren? Du bist ja jetzt auch viel therapeutisch unterwegs, und Traumakonstellationen werden ja immer mal wieder auftauchen.
SB: Ich komme ja mehr von der hypnotherapeutischen Traumaarbeit und fand es direkt einleuchtend, den Körper noch stärker einzubeziehen, über Augenbewegungen, über Tapping. Ich habe direkt Lust gekriegt, mich weiterzubilden, Dinge auszuprobieren und in mein Repertoire zu übernehmen – auch eine stärker strukturierte Vorgehensweise. Vielleicht, um sie dann, wenn man sie erlernt hat, wieder individueller anzupassen und einzusetzen.
EH: Ich habe ja auch mal EMDR gelernt und gelegentlich genutzt, es aber nicht konsequent angewandt, wahrscheinlich auch wegen dieses leichten Störgefühls, das ich am Anfang beschrieben habe. Aber jetzt habe ich richtig Lust bekommen, mich damit wieder stärker zu befassen und es mit einer anderen Brille zu nutzen.
SB: Und wenn du jetzt ein Fazit ziehen würdest zu dem Buch? Was gibt es, was du den Leserinnen und Lesern noch mit auf den Weg geben möchtest?
EH: Ich glaube, alle, die sich für Systemische Therapie und Trauma interessieren oder in dem Bereich arbeiten, können von diesem Buch profitieren. Vor allem, wenn sie auch schon Grundlagenwissen dazu haben. Dann ist es eine Pflichtlektüre.
Gerade auch für diejenigen, die so ähnlich wie ich beides bisher nicht so gut zusammendenken konnten, gibt es damit eine gute Chance, das für sich nochmal anders zu erschließen und ganz viele praktische Anregungen zu bekommen. Das wäre so mein Fazit. Und deines?
SB: Ein wichtiges Fazit für mich ist, bei verschiedenen Störungsbildern, die eben nicht nur die PTBS sind, sondern auch z. B. Angststörungen und Depression, diesen Traumablick mitlaufen zu lassen. Es ist auch für Klient:innen relevant, die Ablehnungserfahrungen, wie etwa Mobbing in der Schule, erlebt haben. Wer im Gesundheitssystem arbeitet, kommt um das Thema Trauma ja gar nicht herum. Da mit Angeboten ausgestattet zu sein, das finde ich sehr hilfreich.
EH: Bleibt noch...