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E-Book

E-Book, Deutsch, 354 Seiten

Amirpur Khomeini

Der Revolutionär des Islams

E-Book, Deutsch, 354 Seiten

ISBN: 978-3-406-76874-3
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Kein anderer Revolutionär hat die islamische Welt so sehr verändert wie Ruhollah Musawi Khomeini (1902 – 1989). Katajun Amirpur entdeckt in dieser ersten umfassenden Khomeini-Biographie in deutscher Sprache einen im Westen weitgehend unbekannten Gelehrten, Dichter und Mystiker und erklärt, wie es dem charismatischen Asketen gelang, den schiitischen Islam zu politisieren und den übermächtigen Westen in Angst und Schrecken zu versetzen.

Khomeini gibt bis heute Rätsel auf: Der modebewusste Ayatollah besang in eleganten Gedichten den Wein und die Liebe, verband Mystik mit klassischer Gelehrsamkeit und nahm im Pariser Exil Liberale und Linke für sich ein. War er wirklich so vielschichtig? War vieles Verstellung? Oder nahm er innerlich keinen Anteil? Auf die Frage eines Journalisten, was er nach fünfzehn Jahren im Exil bei der Rückkehr nach Iran empfinde, antwortete er schlicht: 'Nichts!' Ähnlich emotionslos verheizte er die Jugend an der Front und ließ politische Gegner hinrichten. Katajun Amirpur erzählt anschaulich und im Kontext der iranischen Geschichte das Leben Khomeinis von der Kindheit in einer Provinzstadt bis zum Tod in Teheran. Sie beschreibt seine frühe Prägung durch den schiitischen Islam, stellt seine wichtigsten Lehrer, Weggefährten und Werke vor und erklärt, wie er eine traditionell unpolitische Glaubenswelt in wenigen Jahren umpolte. Noch über dreißig Jahre nach seinem Tod ist Khomeini in Iran übermächtig: Selbst Oppositionelle reklamieren sein wahres Erbe für sich, wie Katajun Amirpur am Ende ihres fesselnden Buches zeigt.
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Weitere Infos & Material


2 Im Bann des Schiismus:
Erste Sozialisation (1918–1922)
Streit um die Nachfolge:
Die Entstehung der Schia
Die vielen religiösen Feiertage, die den schiitischen Kalender bestimmen, trugen zur Sozialisation des jungen Ruhollah in der Kultur des Schiismus bei. Bevor es Kino und Fernsehen gab, stellten diese in einem Ort wie Khomein die wichtigste Form des Entertainments dar, und die Menschen sahen ihnen mit großer Freude entgegen. Die meisten dieser Feiertage finden zu Ehren der Geburtstage der Imame oder zum Gedenken an ihr Martyrium statt. Den Höhepunkt dieser Feierlichkeiten bildet für Jung und Alt der Monat Muharram, wenn auch Kinder an den bunten Prozessionen, den Passionsspielen und der Rezitation der Klagelieder und den Eulogien der Imame teilnehmen. Der Muharram ist der erste Monat des islamischen Mondkalenders, aber für die Schiiten ist er zudem der Monat, in dem für das Leiden des dritten Imams Husein (625–680), der am 10. Oktober 680 in Kerbela getötet wurde, und die unterlassene Hilfeleistung seitens der Muslime Buße getan wird. In der gesamten schiitischen Welt werden die Ereignisse jenes Tages mit großer Intensität erinnert. Der spätere Ayatollah Khomeini wird sie wirksam in seiner Rhetorik und seinem Kampf gegen den Schah einsetzen. Die Tragödie von Kerbela bildet den Höhepunkt eines lange schwelenden Konflikts über die Nachfolge des Propheten und die Natur der politischen und religiösen Führung im Islam. Sie trennt Schiiten und Sunniten bis heute. Die Schiiten glauben, dass der Prophet Mohammed kurz bevor er starb seinen Cousin und Schwiegersohn Ali ibn Abi Talib (601–661) zum Nachfolger bestimmte. Neben zahlreichen Hinweisen im Koran, auf die sie sich stützen, weisen sie vor allem darauf hin, dass Mohammed auf göttliche Anweisung hin Ali zu seinem Nachfolger bestimmt habe. Schiitischer Überzeugung zufolge soll Mohammed im Anschluss an seine Abschiedswallfahrt, als sie an der Wasserstelle von Chum eine Rast einlegten, gesagt haben: «Der, dessen Herr ich bin, der hat auch Ali zum Herrn.» Ali war somit nach schiitischer Auffassung Gottes eigene Wahl. Da die Sunniten diese Worte jedoch nicht als Designation verstanden, wurde nicht Ali, sondern vielmehr Abu Bakr, der langjährige Gefährte und Schwiegervater des Propheten, zu Mohammeds direktem Nachfolger, das heißt zum Kalifen, auserkoren, und zwar von einer Versammlung, die zur Wahl zusammengekommen war, als Ali und Fatima bint Mohammed (606–632), Alis Frau und das einzige noch lebende Kind des Propheten, mit der Organisation der Beerdigung beschäftigt waren. Ali leistete Abu Bakr den Treueid auch erst deutlich verspätet, nach dem Tod seiner Frau Fatima, die mit Abu Bakr im Streit um das Landgut Fadak gelegen hatte. Bei dem Landgut handelte es sich um ihr einziges Erbe, das Abu Bakr ihr nehmen wollte. Abu Bakr starb 634, nur zwei Jahre nach dem Propheten. Sein Nachfolger wurde Umar (584–644), der wie Abu Bakr ein langjähriger Mitstreiter des Propheten war. Schiiten werfen Abu Bakr vor, Umar eigenmächtig ernannt zu haben. Außerdem sei dieser für den Tod Fatimas und ihres noch ungeborenen Kindes verantwortlich gewesen, habe er doch im Streit eine Tür eingetreten, hinter der die Schwangere stand. Da Ali eine Spaltung der Gemeinde befürchtete, erkannte er Umar nolens volens als zweiten Kalifen an. Diese Befürchtung wird auch als Argument für die Anerkennung Abu Bakrs angeführt, denn natürlich musste die schiitische Hagiographie einen Grund dafür angeben, warum Ali, wenn er überzeugt war, der rechtmäßige, von Gott auserwählte Nachfolger des Propheten zu sein, Abu Bakr und Umar überhaupt anerkannte und sich nicht spätestens dem Kalifat Umars widersetzte. Umar wiederum berief einen Rat von sechs Männern ein, darunter auch Ali, die nach seinem Tod seinen Nachfolger bestimmen sollten. Als Ali, der sich um die Nachfolge beworben hatte, gefragt wurde, ob er bereit sei, gemäß den Geboten Gottes, dem Vorbild des Propheten und dem Vorbild der ersten beiden Kalifen zu regieren, verneinte er Letzteres, woraufhin ihm die Kandidatur entzogen und Uthman zum dritten Kalifen ernannt wurde. Dieser hatte das Amt zwar am längsten inne, war aber äußerst unbeliebt, weil man ihn der Korruption und der Vetternwirtschaft verdächtigte. Nachdem Uthman (geb. 577) 656 umgebracht worden war, wurde Ali, der inzwischen eine beachtliche Gefolgschaft gewonnen hatte, zum vierten Kalifen erklärt. Ali hatte allerdings keine militärischen Meriten erworben und kaum Anhänger unter den Truppen. An den Eroberungskriegen, die in den ersten beiden Jahren nach dem Tod des Propheten begonnen und schnell eine beträchtliche territoriale Erweiterung der islamischen Herrschaft bewirkt hatten, hatte er nämlich nicht teilgenommen, sondern sich stattdessen dem Studium der religiösen Wissenschaften gewidmet. Anders als die meisten anderen Mitglieder der mekkanischen Aristokratie lebte Ali zudem ein sehr asketisches Leben. Obschon längst nicht ohne Hausmacht, sah sich Ali vielen Problemen gegenüber: Die Armeeoberen und die Provinzgouverneure waren nämlich von seinem Vorgänger Uthman ernannt worden, und der mächtigste von ihnen, Muawiya (603–680), weigerte sich, Ali als Kalifen anzuerkennen. Unterstützt wurde Muawiya von der Prophetenwitwe Aischa (613–678), der Tochter Abu Bakrs. In der Gegend von Basra trafen ihre Truppen auf diejenigen des Prophetenschwiegersohns. Ali gewann zwar die Schlacht, aber mit seinen Versuchen, die islamische Gemeinde auf den rechten islamischen Weg zurückzuführen, von dem man in seinen Augen unter seinem Vorgänger abgewichen war, machte er sich viele Feinde. Zwei Jahre später stießen Muawiya und Ali mit ihren Truppen bei Siffin, in der Nähe des heutigen Raqqa, am Ufer des Euphrat aufeinander. Alis Streitkräfte waren schon dem Sieg nahe, als Muawiyas Generäle ihren Soldaten befahlen, Koranexemplare auf ihre Speere zu spießen – als Signal, dass nur Gott den Konflikt entscheiden könne. Es folgte ein Schiedsgericht, das zu Alis Ungunsten ausfiel. Was genau die Vereinbarung beinhaltete, kann aufgrund von widersprüchlichen Überlieferungen nicht mehr rekonstruiert werden. Muawiya jedenfalls legte das Schiedsgericht zu seinen Gunsten aus und ließ sich im Sommer 660 in Jerusalem als Kalif huldigen. Damit war die Spaltung der Gemeinde besiegelt, die sich schon im Kampf Aischas gegen Ali, der sogenannten ersten fitna (meist als Bürgerkrieg übersetzt), angedeutet hatte. Das Schiedsgericht von Siffin hat für die Schiiten eine besondere Bedeutung. So erklärte Ayatollah Khomeini während der Revolution, er habe die Lehre daraus gezogen, dass man sich mit dem politischen Gegner nie auf Verhandlungen und eine Schiedsinstanz einlassen sollte. Als Minderheit sei man zwangsläufig unterlegen, egal wie sehr man auch im Recht sei. Traumatisch für die Gläubigen aber war, dass Ali wenig später in Kufa, wohin er seine Hauptstadt verlegt hatte, von einem Rebellen, der ihm vorwarf, mit dem Schiedsgericht von Siffin die islamische Sache verraten zu haben, ermordet wurde. Alis Grab in Nadschaf nahe der Stadt Kufa entwickelte sich ab dem 8. Jahrhundert zu einem Wallfahrtsort für die Gläubigen. Zudem entstand hier später das geistige Zentrum der Schiiten. Bis heute ist in Nadschaf die wichtigste höhere theologisch-juristische Ausbildungsstätte der Schiiten angesiedelt. Fast alle namhaften Gelehrten der modernen Schia haben hier studiert oder gewirkt. Auch Ayatollah Khomeini kam 1965 hierher. Nachdem die Schiat Ali, die Anhänger oder Parteigänger Alis, mit seinem Tod die Macht verloren hatten, wurde Muawiya zum unangefochtenen Kalifen und Begründer der Dynastie der Umayaden, die von 661 bis 750 die Macht innehaben sollte. Muawiya verlegte die Hauptstadt des islamischen Reiches nach Damaskus. Alis Söhne mit der Prophetentochter Fatima, Hasan (624–678) und Husain zogen sich daraufhin nach Medina zurück, an den Ort, wohin ihr Großvater Mohammed 622 ausgewandert war und bis zu seinem Tod gelebt hatte. Die beiden einzigen Enkel des Propheten, die nach ihrem Vater als der zweite und dritte Imam der Schia gelten, führten zu Muawiyas Lebzeiten ein zurückgezogenes Leben. Hasan, der ältere, gab alle Ansprüche auf die Leitung der islamischen Gemeinde zugunsten des amtierenden Kalifen Muawiya auf und schloss einen Friedensvertrag mit ihm. In der schiitischen Erinnerung geblieben ist Hasan als gelehrter Mann und Erzeuger vieler Kinder. Die meisten Nachkommen des Propheten führen ihre Verwandtschaft über die Hasan-Linie zurück. Bis Muawiya 680 starb, hielt sich der jüngere Sohn Husain ebenfalls an das Stillhalteabkommen. Muawiya hatte zuvor seinen Sohn Yazid (644–683) zum Nachfolger erklärt und...


Katajun Amirpur ist Professorin für Islamwissenschaft an der Universität zu Köln und schreibt regelmäßig für große Zeitungen und Zeitschriften.


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