E-Book, Deutsch, 291 Seiten
Anderson Mord im Alpenpanorama
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7549-8232-7
Verlag: neobooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 291 Seiten
ISBN: 978-3-7549-8232-7
Verlag: neobooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Begleiten Sie die Jungjournalistin Destiny-Grace Nahodil von ihrer großstädtischen Heimat in die ferne Welt des Berglandes. In ein Tal, in dem Raffgier, Täuschung und sogar Mord an der Tagesordnung stehen. Was mit einem Artikel über das Rinder-Abtriebsfest beginnt, führt sie immer tiefer in die verworrene Günstlingswirtschaft der bergigen Provinz, in welcher ein eigenes Gefühl für Ehrbarkeit und Gesetz zu herrschen scheint.
Stephan Anderson, ein Pseudonym, wurde 1986 im Waldviertel geboren. Das Studium der Politikwissenschaft an der Universität Wien schloss er mit Bachelor of Arts (BA) und jenes der Volkswirtschaft mit Master of Business Administration (MBA).ab. Er lebt in Horn, in Niederösterreich, ist verheiratet und hat zwei Töchter.
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2 Animalische Prozession
„Heil dir Farbenbruder Bärli!“ „Heil dir Cicero! Grüß Gott!“ „Kann ich dich schon so früh am Morgen telefonisch stören?“ „Gerne lieber Farbenbruder. Geht es um…?“ „Ja, es geht um die Angelegenheit in der ich dich gebeten habe nicht nur an unsere couleurstudentische Brüderlichkeit, sondern auch im Sinne der Landespartei zu intervenieren.“ „Wohl war Cicero, ich habe gestern Abend tatsächlich den Bescheid der Landesstaatsanwaltschaft bekommen.“ „Und, was steht da?“ „Keine Anklage.“ „Was für ein Glück, ich danke dir!“ „Gerne lieber Farbenbruder! Aber eines darf ich dir und deinem kleinen Tale noch mit auf dem Weg geben. Im Landtag sieht man es nicht gerne und schon gar nicht in diesem Zusammenhang, weil es nicht nur dem Tourismus und damit den Steuereinnahmen, sondern auch allen Kooperationen schadet, dass so etwas passiert!“ „Freilich Bärli, freilich.“ „Viele fragen sich, wie so etwas passieren konnte? Ich meine dieses Mädchen wurde sexuell missbraucht und ist an einer Überdosis gestorben. Wenn deine drei Aktiven auch Opfer sind, dann läuft bei euch noch ein mörderischer Triebtäter herum. Ein Mann oder eine Frau. Mittlerweile gab es so etwas auch in der Hauptstadt, nämlich, dass ein anderes Weib solche Spuren hinterlässt.“ „Nein, nein! Unsere Krügeler Weiber sind brave Geschöpfe. Keine würde sowas machen. Sie halten ihren Männern den Rücken frei und ich lege meine Hand ins Feuer, dass kein Krügeler Mann zu solch einer Tat fähig ist!“ „Lieber Cicero! Räum auf und halte dein Tal rein. In einem Jahr sind Wahlen und ich lese nur von Mord und Totschlag, von Drogen und Vergewaltigung in Krügerl am See! Das wird sich auch in den Nächtigungszahlen widerspiegeln!“ „Freilich lieber Bärli, freilich! Heil dir, vielen Dank nochmals! Auf Wiederhören.“
Eskalierend klopften die leptosomen Fingerknöchel des unnachgiebigen Schlafunterbrechers unaufhörlich gegen die dünnwandige Sperrholztür mit aufgebügelter Furnierbeschichtung in Fichtenholzoptik. Erst einmal, dann zweimal und bei jedem eskalierenden Einschlag wurde Daisy immer mehr aus ihrem Tiefschlaf gerissen. Endlich fand die Neoreisende etwas Ruhe, da wurde sie auch schon wieder in die Realität zurückgeholt. Es war eine Nacht mit schnellem Wegdämmern und einem gemütsraubenden Turnus an Albträumen und schweißgebadetem Aufschrecken. Gleich drei ihrer heilsbringenden Pillen hatte sie über die finstere Tageszeit verteilt eingeworfen und selbst als draußen bereits die Hähne zu krähen begannen und die versteckte, aber dennoch aufgehende Sonne allmählich über den Gipfeln der Weißhauptgruppe das Tal erwachen ließ, fand sie einigermaßen Ruhe. Daisy war zwangsweise ein Nachtmensch. Sie scheute den Schlaf, weil er ihr nur Kummer und Angst brachte. Wenn alle anderen einnickten, hatte sie ihre produktivste Hochphase und mit höchstem Bedacht und penibelster Vorkehr versuchte sie für den heutigen Tag mit vollen Akkus den Grundstein für eine erfolgreiche Journalistinnenkarriere zu legen. Aber außer den rotunterlaufenen Augen und dem medikamentös-lapidarem Schwindelgefühl nahm sie nichts aus der ersten extern verbrachten Nacht ihres jungen Lebens mit. Völlig losgelöst von Tageszeitgefühl und Orientierungssinn presste sie ihr verschwitztes Gesicht in die Matratze des Gästebettes und den beigen, bauschigen Polster auf die Dreadlocks ihres Hinterkopfes. „Hallo? Jemand da?“ erkundigte sich eine ungut in den Ohren liegende, krächzende Männerstimme in einem Dialekt, welcher bei Flachländern nur Unverständnis hervorbrachte. Zuerst dachte die schlappe Mittzwanzigerin es wäre wieder eine unfreiwillige Séance, wie es womöglich Jean-Philippe Roy genannt hätte, mit ihrem Schreckgespenst Albtraum, dann aber gingen plötzlich die geschmacklosen aber erschwinglichen LED-Paneel an der Fichtenholz vertäfelten Decke an und die Ruhestörung entpuppte sich als Silhouette eines schlaksigen Mannes, der Körperhaltung nach Mitte-Ende zwanzig, mit einem Bodenwischerstiel in der Hand. „Die Zeit ist abgelaufen! Das was Sie machen ist unsozial und unvernünftig“ teilte die unbequem anmutende Stimme mit und brach dabei beim letzten Wort. „Guten Morgen?“ quälte sich die Neoreisende nun doch aus ihrem hybriden, zwischenweltlichen Dämmerzustand auf und versteckte sich, sowohl ob der Charme im Nachtgewand überrumpelt worden zu sein, als auch um das Photoneneinprasseln des Lichtes abzuwehren, vollends unter der Decke. Ohne weiteres Zögern, fuhr der Mann mit seiner Prozedur fort und soweit das Knarren des federnden Untergrunds es zuließ, hörte es sich an, als würde er fortwährend an einem Dauerlutscher schlecken. Routiniert zog er sich, unter zur Hilfenahme des jeweiligen anderen Fußes, seine Pantoffeln aus und stampfte inventarerschütternd über den schnarrenden Rautenmuster-Holzboden. Rücksichtlos riss er die weißen Rüschenvorhänge des einzigen Fensters zur Seite und öffnete dieses bis zum Anschlag. Sofort bahnte sich die kalte Bergluft den Weg durch das übermäßig beheizte Zimmer, welches sich nach dieser Aufrissaktion nur wenig mehr erhellte. Dem nicht ausreichend stellte sich der Eindringling, noch immer mit dem Wisch-Mopp in der Hand, unverhohlen vor das Gästebett und versuchte einen Eindruck des, sich unter der Decke versteckenden Gastes, zu erhaschen. „Hast gestern gesoffen, Mädel? Aprés-Ski kommt erst mit der Skisaison. Jetzt aber raus, oder du zahlst nochmals das volle Nächtigungsgeld!“ schimpfte der hagere Tagwächter in kryptischem Berglanddialekt. Mit dieser aggressiv vorgetragenen Sprachvariation gestand sich Daisy ein, sie war dem Traumland endgültig entschwunden. „Wer sind Sie nochmals?“ fragte sie in aufhellend-dämmrigem Zustand nach und zog den behelfsmäßigen Paravent in Form einer beigen Bettwäsche unter ihr putziges Kinn. „Ich?“, ätzte die brüchige Stimme so schroff nach, wie der moosige Felsenhang außerhalb des sperrangelweit geöffneten Fensters, „ich bin Kasimir Pfabigan. Und, weißt du was Osmose ist?“ Umso lauter und kantiger die Satzenden wurden, desto mehr zog Daisy die Decke vor die Dreadlocks. Eigentlich ließ sie sich so einen Umgang mit ihr nicht gefallen und schlug für gewöhnlich wortgewaltig zurück, aber vor dem schmalen, welschen Singlebett in einer fremden Stadt und einer Ausnahmelage, welche Schlaflosigkeit, Aufgeregtheit und eine kräftige Melange an Malaise implementierte, war ihre Standardreaktion gewissermaßen schaumgebremst. Der übermäßige Pillenmix in ihrer nervösen Nervatur schwankte von beschwipst aufgeregt bis schlaftrunken. „Was? Osmose? Ähm …“, zog die Neoakademikerin die besprochene Denkzeitaufschiebung in die Länge, „das ist doch dieser Konzentrationsaustausch bei den Pflanzen. Eben wie Pflanzen essen.“ „Halbwegs vernünftig. Bitte checke dann im Foyer aus“, nickte der Friedenstörer beifallend, schlüpfte, ohne weiteres Wort, aber heftig scheitelrichtend, in seine grünen Krokodil-Kunststoff-Pantoffeln und schloss die dünnwandige Sperrholztür mit aufgebügelter Furnierbeschichtung in Fichtenholzoptik mit jener Zärtlichkeit, welche er beim Eintritt missen ließ, hinter sich. Perplex aber durch diesen unorthodoxen Überfall aufgerüttelt, sprang Daisy auf und kleidete sich in Rekordtempo an. War das in Hotels und Pensionen Standard? Die Neoreisende wusste es nicht. Verdutzt und zugleich erbost stopfte sie all ihre Habseligkeiten in den Rucksack, hing sich die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Spiegelreflexkamera um den kurzen Hals und für gewöhnlich stand nun, wie an jedem Morgen, ein prüfender Blick auf ihre Social-Media-Accounts auf dem Programm. Dafür war heute keine Zeit. „Was nach zehn Uhr schon?“ stockte der Jungjournalistin der kalte Atem im überbelüfteten Zimmer. Da bekam sie die große Chance eine ausgefallene Kolumnistin zu ersetzen und nun verschlief und vertrödelte sie die Gelegenheit auf die Story ihres bisherigen kurzen Berufslebens. Ihre Handgriffe wurden mit jedem Griff panischen und unkoordinierter. Destiny Grace Nahodil gehörte zu jenem Taxon Personen, die ihren Tag perfekt planten, diesen terminlichen Pfad aber bei der geringsten Imponderbilität über Bord warf und wenn unter indirekter Anwendung von Emotionen nicht ganz genau ersichtlich war, was ihr Gegenüber nun fühlte, dann war sie aufgeschmissen. Auf nichts anderes war ihr Gehirn getrimmt, als das Kategorisieren und die Rekognoszierung anhand von Emojis und nach oben zeigende Daumen. Selbst über ihre eigene vakuumierte Gefühlslage schwelgte oft eine Käseglocke der reflektieren Unbedarftheit. Nachdem die medikamentöse Gemütsaufputschung massenhaft aus dem untersetzten Körper transpiriert wurde, legte sich allmählich die synthetisch herbeigeführte Freuden- und Nihilismus-Wirkung des zwiespältigen Gemüts und es näherte sich wieder dem melancholischen Standardmodus an. Sich diese Behandlung gefallen lassen? Lauthals dagegen demonstrieren? Dafür hatte die wasserscheue Daisy keine Zeit und Nerven. Ungewaschen und hektisch stürmte sie die knarrenden Holztreppen hinunter, wo der ruhestörende Kasimir Steininger schon auf seinen Aus-Check-überziehenden Gast wartete. Als wäre er mit dem Wisch-Mopp verwachsen, so fest hielt er diesen noch immer in seinen dürren Händen. Zwar konnte man in der Pension ´Gamsige Geiß´ auch ohne Zutun von Personal die Abreiseformalitäten erledigen, es reichte ein Einwurf des Schlüssels in den versperrten Sammelbehälter, aber niemand hatte hier die zustehende und bezahlte Ruhezeit zu stören oder...