E-Book, Deutsch, Band 2, 446 Seiten
Reihe: Foxworth - Saga
Andrews Wie Blüten im Wind
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-95530-850-6
Verlag: Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 2, 446 Seiten
Reihe: Foxworth - Saga
ISBN: 978-3-95530-850-6
Verlag: Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Wie Blüten im Wind sind die Geschwister Cathy, Chris und Carrie, als sie ihrem Gefängnis, einem dunklen Dachboden, entfliehen und den ersten Schritt in die Außenwelt wagen. Bei dem Arzt Dr. Sheffield finden sie ein neues Zuhause, und Cathy wird zum gefeierten Ballettstar. Doch sie verfolgt nur ein Ziel: Rache an ihrer Mutter...
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Ein neues Zuhause
So hat es also angefangen. Wir zogen in das große Haus des Doktor Paul Sheffield ein und in sein Leben. Heute weiß ich, daß wir im Grunde jemand waren, auf den er schon immer gewartet hatte. Wir wurden sein Lebensinhalt, als hätte er überhaupt kein eigenes Leben gehabt, bevor wir zu ihm gekommen waren. Aber er vermittelte uns den Eindruck, daß wir ihm einen Gefallen taten, sein Leben mit ihm zu teilen, daß wir ihm etwas schenkten. Und wir brauchten so sehr jemanden, an den wir glauben konnten. Doch im Grunde hatten wir ihn in jener ersten halben Stunde einfach überrumpelt. Das weiß ich inzwischen auch.
Er gab Carrie und mir ein großes Schlafzimmer mit zwei Betten und vier hohen, nach Süden blickenden Fenstern, durch die der Raum immer hell und freundlich war, und zwei kleinen Fenstern nach Osten. Chris und ich sahen uns an und fühlten einen Schmerz, dessen Gemeinsamkeit furchtbar und erschreckend war. Zum erstenmal nach so langer Zeit würden wir in getrennten Schlafzimmern schlafen müssen. Ich wollte mich nicht von ihm trennen und die Nacht nur noch mit Carrie verbringen, die mich niemals vor meinen Alpträumen schützen konnte, wie er es getan hatte. Ich glaube, unser guter Doktor spürte etwas, das ihm sagte, es wäre besser für ihn, sich jetzt zurückzuziehen, denn er entschuldigte sich und verschwand den Flur hinunter. Erst danach begann Chris zu sprechen: »Wir müssen vorsichtig sein, Cathy. Wir wollen doch nicht, daß er Verdacht schöpft ...«
»Es gibt gar nichts, weswegen er Verdacht schöpfen könnte. Es ist vorbei«, antwortete ich, aber ich sah ihm dabei nicht in die Augen, denn ich fühlte schon damals, daß es niemals vorbei sein würde. Oh, Mammi, was hast du angerichtet, uns vier in einem Zimmer eingeschlossen aufwachsen zu lassen! Von allen Menschen hättest du am besten wissen müssen, was daraus entstehen mußte! »Nie«, flüsterte Chris. »Gib mir einen Gutenachtkuß. Hier gibt es keine bösen Träume, die dich in der Nacht quälen.«
Er küßte mich, ich küßte ihn, wir sagten gute Nacht. Mit Tränen in den Augen sah ich meinem Bruder nach, als er aus dem Zimmer ging und mir schnell noch einen Blick über die Schulter zuwarf.
Kaum hatte sich die Tür geschlossen, begann Carrie laut zu weinen. »Ich kann nicht ganz alleine in einem Bett schlafen«, schluchzte sie, »dann falle ich doch raus! Cathy, warum ist dieses Bett so klein?«
Es endete damit, daß Chris und der Doktor zurückkommen mußten und die beiden Betten zu einem großen Doppelbett zusammenschoben. So gefiel es Carrie schon wesentlich besser, doch blieb zwischen den Betten ein Spalt, und ich merkte im Laufe der Nacht, daß immer einer von uns beiden genau zwischen den Matratzen lag.
Ich liebte das Zimmer, das Dr. Sheffield uns gegeben hatte. Es war wunderschön mit seiner hellblauen Tapete und den farblich darauf abgestimmten Vorhängen. Jede von uns hatte einen bequemen Stuhl mit zitronengelbem Polster, und die Möbel waren alle beige. Genau die Art von Zimmer, die ein junges Mädchen gerne hat, nichts Düsteres, keine Bilder mit Höllendarstellungen an den Wänden. Die Hölle war nur noch in meinen Gedanken, weil ich zu oft an das denken mußte, was hinter uns lag. Mammi hätte eine andere Lösung finden können, wenn sie es nur wirklich gewollt hätte!
»Sie mußte uns nicht in diesem furchtbaren Zimmer einschließen! Es war die Gier nach diesem verdammten Vermögen, das Verlangen nach dem Leben im Reichtum, pure Habgier ... und Cory liegt deshalb jetzt unter der Erde!«
»Vergiß es, Cathy«, meinte Chris, als wir uns zum zweitenmal gute Nacht sagten.
Ich hatte furchtbare Angst, ihm zu erzählen, was ich zu fühlen glaubte. Ich drückte meinen Kopf an seine Brust, so daß ich ihm nicht in die Augen sehen mußte. »Chris, es war Sünde, was wir getan haben, nicht wahr?«
»Es wird nie wieder geschehen«, erwiderte er steif, dann riß er sich von mir los und rannte aus dem Zimmer, als würde ich ihn verfolgen. Ich wollte gut sein, ein gutes Leben führen und niemanden verletzen, besonders nicht Chris. Und trotzdem mußte ich mitten in der Nacht aus meinem Bett kriechen und zu Chris schleichen. Er schlief, und ohne ihn aufzuwecken kuschelte ich mich neben ihn. Aber er wurde wach, als er die Bettfedern quietschen hörte. »Cathy, was, zum Teufel, machst du denn hier?«
»Es stürmt draußen so«, flüsterte ich, »laß mich nur einen kleinen Augenblick neben dir liegen, dann verschwinde ich wieder.« Keiner von uns bewegte sich. Wir wagten nicht einmal zu atmen. Und dann, ohne überhaupt zu begreifen, wie es geschah, lagen wir uns in den Armen, und er küßte mich. Küßte mich mit solcher Leidenschaft, daß ich den Kuß beantwortete, auch wenn ich es eigentlich gar nicht wollte. Es war schlecht und böse! Und doch wollte ich nicht wirklich, daß er aufhörte. Die schlafende Frau in mir erwachte und bestimmte meine Gefühle. Ich wollte das, was er auch so sehr wünschte. Aber ich – der denkende, abwägende Teil meiner Persönlichkeit jedenfalls – stieß ihn zurück. »Was machst du? Ich dachte, du hättest versprochen, daß so etwas nie wieder passieren würde.«
»Du bist zu mir gekommen ...«, sagte er mit rauher Stimme.
»Aber nicht dafür!«
»Wofür hältst du mich, Cathy? Du darfst das nie wieder tun!«
Ich verließ ihn und weinte in meinem eigenen Bett, denn er war weit weg und konnte mich nicht trösten, wenn meine Alpträume kamen. Niemand war hier, der mich in den Arm nehmen konnte, niemand gab mir etwas von seiner Stärke ab. Dann erinnerte ich mich an die Worte meiner Mutter, die mich mit quälenden Gedanken verfolgten – glich ich ihr wirklich so sehr? War ich dabei, die gleiche Art schwache, anschmiegsame Frau zu werden, die immer einen Mann zu ihrem Schutz brauchen würde? Nein! Ich würde selbst mit allem fertig werden, auch mit meinen Alpträumen.
Ich glaube, es war am nächsten Tag, als Dr. Sheffield mir die vier Bilder brachte, damit ich etwas für die Wände in unserem Zimmer hatte, Ballerinas in vier verschiedenen Positionen. Für Carrie brachte er eine Vase aus Milchglas mit vier entzückenden Veilchen. Er hatte bereits Carries Leidenschaft für alles bemerkt, was rosa und purpur war. »Ihr könnt alles tun, um euch in diesem Zimmer zu Hause zu fühlen«, erklärte er uns. »Wenn euch die Tapeten nicht gefallen, lassen wir das Zimmer im Frühjahr renovieren.« Ich starrte ihn an. Im Frühjahr würden wir doch gar nicht mehr hier sein.
Carrie saß auf ihrem Bett und hielt begeistert die Vase in der Hand, während ich mich mühsam aufraffte, das zu sagen, was ich sagen mußte. »Wir werden im Frühjahr nicht mehr hier sein. Wir können es uns nicht leisten, uns in Zimmern zu sehr zu Hause zu fühlen, die wir bald wieder verlassen müssen, auch wenn Sie es uns hier so schön wie möglich machen wollen.
Er stand schon in der Türe, drehte sich aber bei diesen Worten zu mir um und sah mich lange schweigend an. Er war groß, gut 1,80 m, und seine Schultern waren so breit, daß sie den ganzen Türrahmen ausfüllten.
»Ich dachte, es würde dir hier gefallen«, sagte er schließlich in einem herausfordernden Ton, einen eigenartigen Blick in den dunklen Augen.
»Mir gefällt es hier ja auch!«, antwortete ich schnell. »Uns allen gefällt es hier, aber wir können Ihre Hilfsbereitschaft schließlich nicht für immer ausnutzen.« Er nickte, ohne mir zu erwidern, und ging, und ich wandte mich Carrie zu, die mich mißbilligend anfunkelte.
Jeden Tag nahm Dr. Sheffield Carrie mit ins Krankenhaus. Zunächst weinte sie jedesmal und weigerte sich mitzugehen, solange ich nicht auch dabei war. Sie erzählte uns phantastische Geschichten, was man im Krankenhaus alles mit ihr anstellte, und beklagte sich wegen all der bohrenden Fragen, mit denen man sie dort überhäufte.
»Carrie, wir erzählen nie Lügen, das weißt du. Wir drei sagen uns gegenseitig immer die Wahrheit. Aber wir laufen nicht herum und erzählen jedem von dem Leben, das wir auf dem Dachboden geführt haben – verstanden?«
Sie starrte mich mit ihren großen, gequälten Augen an. »Ich erzähle niemandem, daß Cory in den Himmel gegangen ist und mich allein gelassen hat. Ich erzähle niemandem davon, nur Dr. Sheffield.«
»Du hast ihm davon erzählt?«
»Ich konnte doch gar nicht anders.« Carrie vergrub den Kopf in ihrem Kissen und begann zu weinen.
Nun wußte er also von Cory und davon, daß Carries Zwillingsbruder in einem Krankenhaus an Lungenentzündung gestorben sein sollte. Mit traurigen Augen fragte er Chris und mich an diesem Abend nach den Einzelheiten von Corys Krankheit und wollte die näheren Umstände seines Todes wissen.
Wir drängten uns Schulter an Schulter in eine Ecke des Sofas im Wohnzimmer, als er uns erklärte: »Ich freue mich, euch mitteilen zu können, daß durch das Arsen keine bleibenden Schäden an Carries inneren Organen entstanden sind, wie wir alle ja zunächst befürchtet haben. Schaut mich nicht so an. Ich habe nichts von eurem Geheimnis verraten, aber ich mußte dem Krankenhauslabor schließlich sagen, wonach sie suchen sollten. Ich habe ihnen eine Geschichte erzählt, daß ihr das Gift versehentlich zu euch genommen hättet, ein Unfall. Und eure Eltern wären gute Freunde von mir, und ich hätte euch bei mir aufgenommen, um euch behandeln zu können und vielleicht auch zu adoptieren, weil eure Eltern ins Ausland gegangen sind.«
»Carrie wird es also überleben?« flüsterte ich und verging fast vor Erleichterung.
»Ja, sie wird leben – wenn niemand versucht, sie am Trapez zu trainieren.« Er lächelte wieder. »Ich habe für euch...