Apitzsch | Flexible Beschäftigung, neue Abhängigkeiten | Buch | 978-3-593-39147-2 | sack.de

Buch, Deutsch, Band 69, 256 Seiten, Format (B × H): 141 mm x 219 mm, Gewicht: 348 g

Reihe: Schriften des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung Köln

Apitzsch

Flexible Beschäftigung, neue Abhängigkeiten

Projektarbeitsmärkte und ihre Auswirkungen auf Lebensverläufe
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-593-39147-2
Verlag: Campus Verlag GmbH

Projektarbeitsmärkte und ihre Auswirkungen auf Lebensverläufe

Buch, Deutsch, Band 69, 256 Seiten, Format (B × H): 141 mm x 219 mm, Gewicht: 348 g

Reihe: Schriften des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung Köln

ISBN: 978-3-593-39147-2
Verlag: Campus Verlag GmbH


Von Arbeitnehmern wird auf vielfältige Weise Flexibilität gefordert, besonders in Projektarbeitsmärkten. Diese Flexibilität wirkt sich nicht nur auf die individuelle Lebensplanung und soziale Integration der Beschäftigten aus, sondern auch auf die Handlungsmöglichkeiten kollektiver Akteure, wie Gewerkschaften und Berufsverbände. Am Beispiel der Architektur- und Medienbranche beleuchtet Birgit Apitzsch die historisch gewachsenen Strukturen von Projektarbeitsmärkten, den Zusammenhang zwischen Rekrutierung und Arbeitsorganisation sowie die Folgen der Flexibilisierung für Mitbestimmung und Lebensverläufe. Deutlich wird: Mit zunehmender Bedeutung informeller Netzwerke entstehen neue Formen der Abhängigkeit.

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Inhalt

Vorwort. 9
Einleitung. 11

Teil I
Entwicklung und Funktionsweise von Projektarbeitsmärkten. 29

1 Die Herausbildung der Projektarbeitsmärkte in Architektur und Medien. 32
1.1 Film- und Fernsehindustrie. 32
1.2 Architektur. 44
1.3 Zusammenfassung. 55

2 Rekrutierungspraktiken in Projektarbeitsmärkten. 60
2.1 Qualifi kationskonzepte und Rekrutierungskriterien. 62
2.2 Rekrutierungspraktiken in Architektur und Medien. 67
2.3 Zusammenfassung. 78

Teil II
Koordination und Kontrolle von Projektarbeit. 83

3 Theoretische Perspektiven auf die Koordination von Arbeit. 86
3.1 Koordinationsformen und Grenzen der sozialen Kontrolle. 90
3.2 Koordination und Kontrolle in befristeten Kooperationszusammenhängen. 94
3.3 Zusammenfassung. 98

4 Gierige Projekte? Koordination, Kontrolle und Autonomie in Film- und Architekturprojekten. 101
4.1 Koordination, Kontrolle und Autonomie im Arbeitsprozess. 102
4.2 Autonomie und Kontrolle in Bezug auf die Arbeitsrahmen - bedingungen und die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben. 109
4.3 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse. 115

Teil III
Lebensverläufe und soziale Bindungen
in Projektarbeitsmärkten. 121

5 Perspektiven der Lebensverlaufs- und Netzwerkforschung. 124
5.1 Zum Zusammenhang von Lebensverlauf und Arbeitsmarkt. 124
5.2 Lebensverlauf und soziale Netzwerke. 130
5.3 Annahmen zu Lebensverläufen in Projektarbeitsmärkten. 134

6 Lebensverläufe in Projektarbeitsmärkten. 137
6.1 Film- und Fernsehindustrie. 137
6.2 Architektur. 171
6.3 Lebensverläufe von Architekten und Filmschaffenden: Zusammenfassung und Diskussion. 184

7 Die Entwicklung sozialer Bindungen in Projektarbeitsmärkten. 187
7.1 Soziale Bindungen von Filmschaffenden. 189
7.2 Soziale Bindungen von Architekten. 194
7.3 Zusammenfassung. 196

Ausblick: Artikulation und Organisierbarkeit von Interessen in Projektarbeitsmärkten. 199

Fazit: Informelle Netzwerke, formale Institutionen und soziale Rechte. 217

Anhang: Gesprächsleitfäden. 233
Abbildungen und Tabellen. 240
Abkürzungen. 241
Literatur. 242


Einleitung

In den vergangenen Jahrzehnten zeichnen sich in der Produktionsorganisation
und in den Arbeitsmärkten weitreichende Flexibilisierungstendenzen ab. Die
vorliegende Arbeit möchte zu einem besseren Verständnis dieser Veränderungsprozesse
in der Arbeitswelt beitragen. Im Vordergrund stehen dabei folgende
Fragen: Was sind die sozialen Voraussetzungen und Folgen fl exibler Arbeitsmärkte?
Bedingt eine Flexibilisierung der Produktionsweise auch die der Beschäftigung
und der sozialen Bindungen? Wie wirken sich Flexibilisierungsprozesse
für die Beschäftigten aus; lassen sich Grenzen einer Vermarktlichung,
alternative Stabilisierungsmöglichkeiten oder eine Erweiterung der Handlungsspielräume
feststellen?
Verschiedene Teilaspekte des Wandels wurden in der Arbeitsmarkt-, Organisations-
und Arbeitsforschung sowie in der Lebenslaufforschung behandelt.
Hier stehen repräsentative Untersuchungen zu bundesweiten Trends der Arbeitsmarktfl
exibilisierung und De-Standardisierung der Lebensverläufe vielen
Einzelfallstudien aus der Arbeits- und Organisationsforschung mit häufi g engem
Branchenfokus gegenüber. Der Ausgangspunkt dieser Arbeit ist die Vermutung,
dass Prozesse des Organisationswandels, der Arbeitsmarkt- und der
Lebenslaufstrukturierung einander bedingen. Da es kaum vergleichende Studien
über Arbeitsfl exibilisierung gibt, die Organisations- und Arbeitsmarktebene aufeinander
beziehen, bleiben das Zusammenspiel der Flexibilisierung von Arbeitsorganisation
und von Beschäftigung sowie deren Auswirkungen für die Beschäftigten
unzureichend erforscht. Beispielsweise stehen bislang Forschung zur
Segmentierung von Arbeitsmärkten und Untersuchungen zu Netzwerken in Arbeitsmarktprozessen
eher unverbunden nebeneinander. Zwar legt die bisherige
Forschung zur Beschäftigung in der Medienbranche nahe, dass es Arbeitsmarktsegmente
gibt, in denen soziale Netzwerke bei der Rekrutierung einen besonders
hohen Stellenwert einnehmen. Dennoch weiß man wenig darüber, ob und
warum in einigen Beschäftigungssegmenten informelle Rekrutierungspraktiken
eine wichtige Rolle spielen, und in anderen nicht. Auch weiß man wenig darüber,
wie sich diese informellen Rekrutierungspraktiken zur institutionellen Verfassung des jeweiligen Teilarbeitsmarktes, zur Organisation der Arbeit und zu den
Mobilitätschancen der Beschäftigten verhalten.
Genau diese Zusammenhänge zwischen historisch gewachsenen Arbeitsmarkt
strukturen, Arbeitsorganisation und Lebensverläufen zu verstehen, ist
jedoch Voraussetzung, um die aktuellen Transformationen und Flexibilisierungsprozesse
in der Arbeitswelt zu beurteilen. Dazu möchte die vorliegende
Unter suchung einen Beitrag leisten.
Sie vergleicht am Beispiel von zwei Sektoren, der Architektur und der Medienwirtschaft,
die Bedeutung eines institutionalisierten Berufsprinzips und einer
netzwerkbasierten Strukturierung von Arbeit und Beschäftigung miteinander.
Dieser Vergleich soll auch dazu dienen, die Funktions- und Wirkungsweise
formaler und informeller Arbeitsmarktinstitutionen besser zu verstehen. Es wird
gezeigt, dass die Auswirkungen der Beschäftigungsfl exibilisierung entscheidend
durch die im Arbeitsmarkt bereitgestellten Möglichkeiten der Herausbildung
einer rationalen Herrschaft in den Arbeitsbeziehungen bestimmt werden. Die
Rationalisierung und Begrenzung der Anforderungen des Erwerbssystems entscheiden
schließlich über das Ausmaß, in dem im Erwerbsverlauf von Projektbeschäftigten
Konfl ikte zwischen der berufl ichen und privaten Lebensplanung
auftreten und sich verschärfen. Die Studie weist nach, dass eine Beschäftigungsfl
exibilisierung und Projektifi zierung der Arbeit in wenig professionalisierten
Arbeitsmarktsegmenten zu einer Dominanz informeller Zugangsregulierungen
führt, die für Beschäftigte die Handlungsautonomie bei der berufl ichen und außerberufl
ichen Lebensplanung beschneidet. Die daraus resultierenden Arbeitsmarkt-
und Netzwerkstrukturen sowie Mobilitätsmuster prägen ihrerseits die
Möglichkeiten der Artikulation und Organisation von Interessen von fl exibel
Beschäftigten.
Die Argumentation wird in vier Schritten entwickelt: Zunächst wird die historische
Entwicklung zweier Projektarbeitsmärkte beschrieben, anschließend
werden die netzwerk- und segmentationstheoretischen Ansätze der Arbeitsmarktforschung
auf die Formen der Koordination und Kontrolle in projektund
netzwerkbasierten Arbeitsorganisationen bezogen und in zwei Branchen
empirisch analysiert. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse zum Zusammenhang
zwischen Arbeitsorganisation und Arbeitsmarkt sind der Ausgangspunkt
für die Analyse der Lebensverläufe von Projektbeschäftigten. Zuletzt werden
Schlussfolgerungen für die Organisier- und Vertretungsfähigkeit von Interessen
der fl exibel Beschäftigten gezogen.

Arbeitsmarktstrukturen und Beschäftigung im
'deutschen Modell' und deren Wandel
Am Beginn steht ein kurzer Überblick über die Diskussionen zu den Arbeitsmarktveränderungen,
die den Ausgangspunkt der Untersuchung bilden. Diese
vielfältigen Veränderungen in Wirtschaft und Arbeitswelt werden unter dem
Schlagwort der Abkehr vom fordistischen Produktionsmodell diskutiert. Dieses
zeichnet sich aus durch ein stabiles Zusammenwirken verschiedener Faktoren:

die Produktion von Massengütern in zergliederten und technisierten Arbeitsorganisationen,
den Vorrang der Produktions- über die Marktökonomie und damit
eine vergleichsweise stabile Auslastung und Beschäftigung in den Unternehmen,
eine keynesianische Nachfragesteuerung sowie durch die sozialstaatliche Regulation
und die Arbeitsbeziehungen, die sich an diesen Produktions- und Arbeitsverhältnissen
ausrichten (vgl. Dörre 2001: 10f.; Bernard 1994: 218ff.; Dankbaar
1995: 296ff.). Das fordistische Produktionsmodell fi ndet in verschiedenen
Ländern unterschiedliche Ausprägungen (Boyer/Durand [1993] 1997: 7ff.); die
deutsche Variante wird charakterisiert als:

institutionalized high-wage economy combining high competitiveness in world markets with strong
social cohesion and, in particular, low levels of inequality along a variety of dimensions. This
combination is explained by a unique set of socio-economic institutions, in particular socially instituted
and circumscribed markets, negotiated fi rms commanding long-term attachment of both labor
and capital, a facilitating state relying mainly on indirect means of intervention, widespread associational
self-governance by organized groups in civil society, and institutionalized cultural patterns
that promote long-term commitments and continuity. These institutions are shown to call forth and
support a particular pattern of production, sometimes referred to as diversifi ed quality production,
that has in the 1970s and 1980s made possible both high wages and a low dispersion of wages
and incomes. (Streeck 1995: 2)
Die Beschäftigten verfügen aufgrund ihrer berufsfachlichen Qualifi kationen
über große Autonomiespielräume bei der Arbeit. In diesem 'occupational-professional
model of skill and work organization' (Streeck 1996: 147) wird die
Arbeit weniger durch enge, formal-hierarchische Kontrolle als durch professionelle,
in der einheitlichen, staatlich anerkannten Ausbildung vermittelte Standards,
Fertigkeiten und fachliches Wissen koordiniert. Diese über den einzelnen
Betrieb hinaus transferierbaren Fachqualifi kationen ermöglichen es außerdem,
eine vom Arbeitgeber unabhängige berufl iche Identität zu entwickeln, und erleichtern
Arbeitgeberwechsel ohne Qualifi kationsverlust (Streeck 1996: 164ff.).
Man hat dieses Modell auch als Kombination von berufl ichen und betrieblichen
Arbeitsmärkten beschrieben, die für den deutschen Arbeitsmarkt typisch
ist (Deutschmann 2002: 151; Sengenberger 1987: 318ff.). Der Verbindung berufl
icher und betrieblicher Arbeitsmarktstrukturen, also der unbefristeten Vollzeitbeschäftigung bei gleichzeitiger Verankerung des Berufsprinzips, entspricht
der Erwerbstypus des verberufl ichten Arbeitnehmers (Gottschall/Betzelt 2001).
Insbesondere die stabile Vollzeitbeschäftigung gilt als Normalitätsmaßstab und
lässt sich als Kontrastfolie für fl exible Beschäftigungsverhältnisse in Projekten
verwenden. Osterland defi niert das Normalarbeitsverhältnis als
ein Arbeitsverhältnis in Form einer arbeits- und sozialrechtlich abgesicherten, im Einklang mit
tarifrechtlichen Vereinbarungen stehende, kontinuierliche, auf Dauer angelegte Vollzeitbeschäftigung,
die es erlaubt, über einen hinreichenden Lohn die Reproduktion zu sichern, ohne
daß während der Beschäftigungszeit fi nanzielle Leistungen des Familien- bzw. Haushaltsverbundes
und/oder existenzsichernde Transferzahlungen des Staates in Anspruch genommen
werden müssen. (Osterland 1990: 351)
Dieser Defi nition entsprechend hat das Normalarbeitsverhältnis drei Funktionen,
die sich im Wesentlichen auf seine orientierende und strukturbildende Kraft
für die Erwerbstätigen sowie für die Systeme der Arbeitsregulierung, der sozialen
Sicherung und der berufl ichen Bildung zurückführen lassen. Die 'Antriebsfunktion
' bezeichnet die normative Forderung, das Leben auf eine kontinuierliche
abhängige Erwerbsarbeit auszurichten. Als 'Selektionsfunktion' wird etwa
die Zuteilung sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche in Abhängigkeit von
kontinuierlicher Beschäftigung bezeichnet. Die 'Schutzfunktion' des Normalarbeitsverhältnisses
bezieht sich auf einen Ausgleich des Machtungleichgewichts
im Arbeitsmarkt zugunsten der Arbeitskraftanbieter durch Mindeststandards
oder indem Arbeitnehmer kollektiv an der Gestaltung von Arbeitsbedingungen
beteiligt werden. Beispiele dafür sind gesetzliche Begrenzungen der maximalen
Belastungen im Arbeitsprozess, wie Arbeitsschutzgesetze, und tarifvertragliche
Arbeitszeitregelungen (Mückenberger 1990: 161ff.; Bosch 2004). So unterliegen
die Ansprüche des Erwerbssystems an die Verfügbarkeit der Beschäftigten institutionellen
und kollektiv ausgehandelten Begrenzungen (vgl. Streeck 1996).
Umfang und Richtung eines Wandels in Bezug auf einzelne Aspekte, wie
Beschäftigung, Arbeitsorganisation, soziale Sicherung oder Arbeitsregulierung,
oder der Gesamtheit des 'fordistischen Produktionsmodells' und insbesondere
seiner deutschen Variante, werden intensiv diskutiert. Es wird dabei häufi g die
Rückkopplung von Produktion und Beschäftigung an die Marktbewegungen,
und infolgedessen deren Flexibilisierung, hervorgehoben (Dörre 2001; Kratzer/
Sauer 2005). Die folgenden Ausführungen skizzieren die Hauptlinien der Diskussionen
um gegenwärtige 'postfordistische' Entwicklungstendenzen.
In der empirischen Arbeitsmarktforschung werden Fortbestehen oder Erosion
des Modells der Verbindung berufl icher und betrieblicher Arbeitsmärkte
und des Erwerbstypus des verberufl ichten Arbeitnehmers kontrovers beurteilt.
Vor allem die Stabilität des Normalarbeitsverhältnisses, der Betriebs- und der
Berufszugehörigkeit stehen zur Diskussion. Quantitative Arbeitsmarktstudien kommen dabei zu widersprüchlichen Ergebnissen hinsichtlich der Veränderungen
der Beschäftigungsstabilität (Struck et al. 2007; Erlinghagen/Knuth 2002;
Bosch 2004), setzen diese allerdings kaum zu Arbeitsorganisationscharakteristika
und Rekrutierungsstrategien der Unternehmen in Beziehung (vgl. auch Tünte/
Apitzsch/Shire 2007).
Sowohl Unternehmensstrategien als auch allgemeine wirtschaftsstrukturelle
Veränderungen gelten als Ursachen für Veränderungen von Qualifi kationsangebot
und -nachfrage. In Bezug auf die berufl iche Strukturierung von Bildung,
Erwerbschancen und den Zuschnitt von Arbeitsplätzen wird diskutiert, dass
trotz einer generell hohen Stabilität des dualen Ausbildungssystems insbesondere
mit einer stärkeren Prozess- und Kundenorientierung der Arbeitsorganisation
für Unternehmen eine größere Flexibilität, anspruchsvollere fachliche
sowie kommunikative und soziale Fähigkeiten an Bedeutung gewinnen (Mayer
2000: 401ff.; Baethge/Baethge-Kinsky 1998; Struck 2006). So prognostiziert
auch Daheim (2001) einen Bedeutungsverlust des Modells der Verbindung berufl
icher und interner Arbeitsmärkte. Des Weiteren wird in der Arbeits- und
Industriesoziologie ein Bedeutungsgewinn subjektiver Potenziale der Beschäftigten
konstatiert. Insbesondere infolge von Rationalisierungs- und Reorganisationsprozessen
in Unternehmen steigen etwa Anforderungen an die Fähigkeit
zur Selbstorganisation der Arbeit und der intrinsischen Motivation (Kratzer et
al. 2003; Moldaschl 2003; Pongratz 2004; Voß 1998). In dieser Lesart der Veränderungsprozesse
spielen Ausbildungssysteme jedoch kaum eine Rolle für die
Flexibilisierung; allenfalls erweisen sie sich als zu rigide angesichts sich schnell
wandelnder Qualifi kationsanforderungen (vgl. Baethge/Baethge-Kinsky 1998).
So konstatiert Voß (2001a) eine Ablösung des Erwerbstypus des verberufl ichten
Arbeitnehmers durch den Arbeitskraftunternehmer mit seinem 'Individualberuf
'. In der Folge zeichnen die Beschäftigten selbst für ihre Beschäftigungsfähigkeit
verantwortlich; ihnen obliegt die Vermarktung, Qualifi zierung und Rationalisierung
des eigenen Arbeitsvermögens.
Die Auswirkungen auf die Mobilitätschancen sind ebenfalls umstritten. Sie
werden in der Lebenslaufforschung diskutiert als Erosion des Normalarbeitsverhältnisses
und als Abkehr von Normalbiografi e und institutionalisiertem
Lebenslauf (Kohli 1988) hin zu einer De-Standardisierung und De-Institutionalisierung
von Lebensverläufen (Brückner/Mayer 2005), zur Verbreitung eines
post-fordistischen Lebenslaufregimes (Mayer 2001) oder sogenannter Bastelbiografi
en (Beck/Beck-Gernsheim 1993). In der Folge würden Lebensphasen
weniger voneinander abgrenzbar, die Altersspanne ihres Auftretens würde sich
vergrößern, ihre Abfolge wäre weniger standardisiert. Damit verringern sich für
die Individuen die Erwartungssicherheiten hinsichtlich der eigenen Lebensplanung.
Gleichwohl ist die Reichweite dieser Entwicklung umstritten (Brückner/Mayer 2005) und die Lebensverlaufsforschung bezieht kaum die Ebene der Arbeitsorganisation
in die Analysen ein (vgl. Kapitel 5).
Diese Arbeit trifft keine Aussagen über das quantitative Ausmaß von Flexibilisierung
und Veränderungen von Lebensverläufen. Sie versucht vielmehr, zu
einem qualitativen Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Arbeitsmarktinstitutionen,
Arbeitsorganisation und Beschäftigungsstrategien in Unternehmen
sowie Lebensverläufen in fl exiblen, unterschiedlich professionalisierten
Arbeitsmärkten beizutragen. Im Vordergrund stehen folgende Fragen: Prägt
eine Flexibilisierung der Arbeitsorganisation in Form von Projektarbeit auch die
Ausgestaltung der Beschäftigungsverhältnisse und die Rekrutierungsstrategien
von Unternehmen? Welche Folgen lassen sich für Funktionsweise und Grenzen
von Teilarbeitsmärkten erwarten? Wie beeinfl ussen Beschäftigungsstrategien
von Unternehmen Lebensverläufe? Welche Rolle spielen Arbeitsmarktinstitutionen
für die Organisation sowie für die Mobilität und Planungsperspektiven
der Erwerbstätigen? Die Auswirkungen einer Arbeitsfl exibilisierung sollen also
unter Berücksichtigung mehrerer Ebenen – Arbeitsmarktinstitutionen, Organisation
und Individuum – und ihrer Wechselwirkungen umfassend beurteilt
werden. Es handelt sich somit um eine 'holistische' (vgl. auch Kalleberg 2009)
Untersuchung der Flexibilisierungsprozesse in der Arbeitswelt am Beispiel einer
Extremform von Flexibilisierung, der Projektarbeit.


Birgit Apitzsch, Dipl.-Soz., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie der Universität Duisburg-Essen.



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