E-Book, Deutsch, 584 Seiten
Arendt / McCarthy Im Vertrauen
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-492-99721-8
Verlag: Piper Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Briefwechsel 1949 - 1975
E-Book, Deutsch, 584 Seiten
ISBN: 978-3-492-99721-8
Verlag: Piper Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Hannah Arendt, am 14. Oktober 1906 im heutigen Hannover geboren und am 4. Dezember 1975 in New York gestorben, studierte unter anderem Philosophie bei Martin Heidegger und Karl Jaspers, bei dem sie 1928 promovierte. 1933 emigrierte Arendt nach Paris, 1941 nach New York. Von 1946 bis 1948 arbeitete sie als Lektorin, danach als freie Autorin. Sie war Gastprofessorin in Princeton und Professorin an der University of Chicago. Ab 1967 lehrte sie an der New School for Social Research in New York.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Vorwort der Herausgeberin
Der Briefwechsel zwischen Hannah Arendt und Mary McCarthy wird hier vollständig vorgelegt, mit Ausnahme einiger Postkarten und Notizen mit Daten und Adressen für Verabredungen und zweier Memoranden.
Das erste Memorandum ist ein von Arendt verfasstes maschinenschriftliches Dokument von vier engzeilig beschriebenen Seiten mit der Überschrift »Ad Lionel Abel’s review in PR«. Als unveröffentlichte Antwort auf die berühmte Breitseite gegen Arendts Eichmann in Jerusalem, die Abel im Frühjahr 1963 in der Partisan Review abfeuerte, ist es von bemerkenswertem geschichtlichen Interesse. Wegen seiner Länge und Detailliertheit jedoch ist es hier nicht aufgenommen worden, zumal der Leser wesentliche Punkte in Arendts Briefen vom 20. September und 20. Oktober 1963 wiederfinden kann. Das Originaldokument befindet sich in der Arendt-McCarthy-Korrespondenz bei den Mary McCarthy Papers im Vassar College.
Das zweite Memorandum, das ich nicht aufgenommen habe, ist eine Notiz über die Etymologie und den Gebrauch des Wortes intellect, die McCarthy für Arendt im Frühjahr 1973 vorbereitete, wahrscheinlich im Zusammenhang mit den ersten Gifford Lectures über »The Life of the Mind«, die Arendt später im selben Jahr in Aberdeen, Schottland, hielt.
Der Briefwechsel enthält zahlreiche Hinweise auf Briefe, meist von Arendt, die anscheinend verloren gegangen sind, und auf diese wird hingewiesen. Es mag mehr gegeben haben, besonders während der Fünfzigerjahre, in denen Arendts Stimme nur mit Unterbrechungen zu hören ist. McCarthy selbst vermutete, dass eine Handvoll Arendt-Briefe aus den frühen Jahren ihrer Freundschaft fehlten. Im Sommer 1989, als ich mit ihr über die Herausgabe der Korrespondenz zu beraten begann, suchte sie danach erfolglos in ihren Unterlagen. (Als Hannah Arendts Nachlassverwalterin, zusammen mit Lotte Köhler, hatte sie bereits Arendts Nachlass in der Library of Congress inventarisiert.)
»Du brauchst Dich bei mir nicht wegen Schreibfaulheit zu entschuldigen«, schrieb McCarthy am 27. Juni 1951 unter Bezug auf einen fehlenden Arendt-Brief oder ein Telefongespräch. »Ich bin selbst eine schreckliche Briefschreiberin, die nie gelernt hat, sich in Kürze mitzuteilen.« McCarthy war natürlich eine leidenschaftliche, man könnte sagen unbezähmbare Briefschreiberin, deren Briefe ihrem autobiografischen Impuls ebenso entsprachen wie auch ihrer Freude am Schreiben als einer Art und Weise, Ordnung in den Ansturm von Erfahrungen zu bringen. Arendt neigte eher dazu, zum Telefonhörer zu greifen, wenn sie das Verlangen nach Kommunikation überkam, oder auf einen von McCarthys häufigen Übernachtungsbesuchen in ihrer New Yorker Wohnung zu warten.
In den wenigen Wochen, in denen wir während des Sommers vor ihrem Tod am 25. Oktober 1989 zusammenarbeiteten, verständigten McCarthy und ich uns über die Regelungen für die editorische Arbeit an den Briefen. Kürzungen sollten minimal gehalten werden, für erlaubte wurden drei Kriterien festgelegt: unklare und/oder unwichtige Hinweise zu tilgen; Wiederholungen, besonders bei Grüßen und Grußformeln, zu reduzieren; und Material zu entfernen, von dem angenommen werden konnte, dass es lebenden Personen Schaden zufügen würde. Alle diese Kürzungen werden im Text durch Auslassungspunkte in Klammern gekennzeichnet. Auslassungspunkte ohne Klammern stammen von den Korrespondentinnen.
Natürlich ist die dritte Kategorie die problematischste. Wie sollte entschieden werden? Es war McCarthys Wunsch, Bemerkungen nicht wiederzugeben, die Leuten, die sie kannte, schadeten. »Wir können nicht in den Druck gehen und sagen, dass Soundso ein Trunkenbold ist«, äußerte sie eines Morgens beim Kaffee an unserem Arbeitsplatz auf der Couch in ihrem Wohnzimmer in Castine, Maine. Doch erstaunlicherweise fand sie in den etwa dreißig Briefblättern aus den Fünfzigerjahren, die wir noch durchsehen konnten, nur eine Bemerkung, von der sie dachte, man solle sie weglassen.
Deshalb habe ich sparsam gekürzt und dabei manchmal dem Impuls widerstanden, jemanden vor einer Bemerkung, die fraglos verletzen wird, zu schützen. Dabei habe ich mich auf das sichere Urteil von Margo Viscusi, einer der literarischen Nachlassverwalterinnen von McCarthy, und Lotte Köhler verlassen, die beide das Manuskript gelesen haben, Fragen beantworteten, Korrekturen anbrachten und editorische Ratschläge gaben. Margo Viscusi insbesondere hat auf meine anfängliche Tendenz, mehr Material als notwendig herauszunehmen, mäßigend eingewirkt. Ich bin ihr dankbar, dass sie sich die Zeit genommen hat, jede Auslassung zurückzuverfolgen und dann in vielen Fällen Gründe vorzubringen, um sie wieder rückgängig zu machen.
Wenn, allgemein gesprochen, eine abfällige Bemerkung eher im Scherz hingeschrieben ist oder mehr über den Autor als über das Objekt sagt oder einen philosophischen oder politischen Gesichtspunkt deutlich macht, dann blieb sie stehen. McCarthy hätte natürlich ihre eher beißenden Charakteristiken als »überschwängliche Analyse« einfach rausgeworfen. Den Austausch von Klatsch und Tratsch betrachtete sie als eine Art Sport und, unter aufgeklärten Geistern, sogar als nützlich. Das gilt z. B. für den »klatschhaften und mondänen« Bericht über den Putsch in Chile in der französischen Presse, über den sie Arendt am 4. Oktober 1973 schrieb: »Aber, wie das bei Klatsch oft ist, bringt er Enthüllungen, die ›seriöse‹ Journalisten nicht kennen oder nicht für erwähnenswert halten.«
Wenn gestrichen wurde, wie im Falle von McCarthys unerbittlicher Kritik an James Wests ehemaliger Frau, von der er sich 1961 scheiden ließ, so habe ich versucht, mit Verständnis vorzugehen, das potenziell Schaden verursachende Material zu entfernen, ohne den Sinn für McCarthys Gefühle (oder Gefühllosigkeit) in Bezug auf ihr Subjekt oder die komplizierte Folge von Ereignissen, die zu der Scheidung führten, zu verlieren. In einigen Fällen wurde Material auf Anraten von Rechtsanwälten entfernt.
McCarthy betrachtete die Briefe als Dokumente, und Dokumente dürfen nicht bearbeitet werden. Darüber hinaus dient der Briefwechsel, als Dialog, nur dann dazu, ihre Beziehung mit Hannah Arendt in Erinnerung zu halten (ihr eigentliches Ziel für die Publikation, meine ich), wenn das Drama, an dem teilzunehmen die Leser nun eingeladen sind, an die wirkliche Sprache gebunden bleibt.
Die Namen von Personen, die in den Briefen erwähnt werden, werden in den Fußnoten kurz identifiziert, gewöhnlich beim ersten Vorkommen. Anspielungen auf geschichtliche Ereignisse und öffentliche Personen werden ebenfalls in den Fußnoten erklärt, die zusätzlich bibliografische Informationen über die in den Briefen zitierten Bücher und Aufsätze enthalten.
Der Briefwechsel ist eher willkürlich in Kapitel unterteilt, um den Lesern eine Pause zum Nachdenken zu gönnen, aber auch, um bedeutende Wendepunkte zu markieren. Kurze einleitende Bemerkungen übermitteln die biografischen Tatsachen, die der Leser braucht, um Zusammenhänge zu erfassen. Ich habe mich bemüht, solch erklärende Passagen – wie auch die Fußnoten – kurz zu halten. So können sie zusammen mit dem Text (und nicht erst am Ende des Buches) vorgelegt werden, ohne den Erzählfluss der Briefe zu unterbrechen.
Das Annotieren wäre eine leichtere Aufgabe gewesen, wenn McCarthy als Ratgeberin noch zur Verfügung gestanden hätte. Nach ihrem Tode legte ich den Briefwechsel erst einmal beiseite, um Writing Dangerously[19] zu beenden, und als ich 1992 den Kopf wieder frei hatte, war mir natürlich der Boden, auf dem sich die Korrespondenz abspielt, schon vertraut. Dennoch waren die Briefe voller Anspielungen auf Personen, Orte, Ereignisse, Bücher, Aufsätze und Manifeste (aus Vergangenheit und Gegenwart), die mir unbekannt waren. Nachdem ich 1987 nach Maine gezogen war, hatte ich zu den New Yorker Bibliotheken oder der New Yorker Gerüchteküche keinen Zugang mehr. Und hier trat die in New York lebende Margo Viscusi auf den Plan. Mit jener peniblen, aufs Detail gerichteten Aufmerksamkeit, die McCarthy so schätzte, recherchierte sie in Bibliotheken, bereitete Memoranden zu geschichtlichen Stichwörtern vor, spürte bibliografische Informationen auf.
Ich bin auch denen dankbar, die mir nicht nur Tatsachenfragen beantworteten, sondern von ihren persönlichen Erfahrungen mit der einen oder der anderen Briefschreiberin berichteten – oder mit beiden, wie im Falle des Verlegers, Herausgebers und Freundes William Jovanovich. Lotte Köhler, Hannah Arendts nahe Freundin, war natürlich die Hauptquelle für Informationen, wenn es um Arendts Briefe ging, und die Einzige, die die manchmal unleserliche Handschrift entziffern konnte. Die Professoren Joan Stambaugh und Jerome Kohn halfen, philosophische Fragen zu klären, und Kohn berichtete mir von der New School for Social Research während der Jahre, in denen Arendt dort unterrichtet hatte. Alfred Kazin wie auch William Phillips lieferten lebendige Schilderungen von Arendts und McCarthys Freundschaft – einer Freundschaft, die sie ebenso verwirrte wie beeindruckte. Elizabeth Hardwick bewegte diese Beziehung ebenfalls, und sie sah sie mehr aus der Nähe; ich bin ihr zu Dank verpflichtet, weil sie mir half, deren romantische Komponente zu verstehen.
Weitere Einsichten, die mir beim Schreiben des einleitenden Essays halfen, erhielt ich von McCarthys guten Freunden Carmen Angleton und Kot Jelenski. Mit Jelenski, der inzwischen gestorben ist, sprach ich 1985 in Paris, als ich für die Biografie recherchierte. Der zweiten literarischen Nachlassverwalterin von McCarthy, Eve Stwertka, gebührt Dank für ihre kritische Lektüre der...




