Artkämper / Floren / Schilling | Vernehmungen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 632 Seiten

Artkämper / Floren / Schilling Vernehmungen

Taktik, Psychologie, Recht

E-Book, Deutsch, 632 Seiten

ISBN: 978-3-8011-0902-8
Verlag: Verlag Deutsche Polizeiliteratur
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



In der Praxis der Strafverfolgung führen Polizeibeamte regelmäßig eigenverantwortlich Vernehmungen von Zeugen und Beschuldigten im Ermittlungsverfahren durch. Die Vernehmung selbst ist ein höchst vielschichtiger Vorgang, der beim Vernehmenden psychologische, kriminalistische und juristische Fachkenntnisse erfordert.
Wie man polizeiliche Vernehmungen professionell und erfolgreich meistert, zeigt dieses Buch in verständlicher Weise auf. Jedes Kapitel ist in sich eigenständig gehalten und informiert umfassend zum jeweiligen Themenkomplex.
Angereichert mit zahlreichen Praxistipps und Grafiken bietet dieses Handbuch Polizeibeamten Handlungssicherheit in den vielfältigsten Vernehmungssituationen.
Die vorliegende Neuauflage wurde umfassend überarbeitet und ergänzt. So wurden u.a. Kapitel zur Anhörung von Kindern und zu unternehmensinternen Befragungen und Vernehmungen neu aufgenommen. Ferner wurden Gesetzesänderungen sowie die aktuelle Rechtsprechung und Literatur berücksichtigt.
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Weitere Infos & Material


Vorwort zur sechsten Auflage
Aus dem Vorwort zur fünften Auflage (2018) 
Aus dem Vorwort zur vierten Auflage (2017)
Aus dem Vorwort zur dritten Auflage (2014)
Aus dem Vorwort zur ersten Auflage (2010)
Übersichten/Schaubilder
1Vernehmungen im Kontext von menschlicher Erinnerung, Irrtum und Lüge
2Vernehmungen und andere Arten der Informationsgewinnung
3Ziele und Aufgaben einer Vernehmung
4Transfer von Vernehmungen in die Hauptverhandlung
5Vernehmungsmodelle
6Kommunikationsprozess und Fragetechniken
7Erscheinenspflichten und Anwesenheitsrechte
8Vorbereitung der Vernehmung 
9Vernehmungsfähigkeit und Vernehmungen von Personen, die der (hoch-)deutschen Sprache nicht – hinreichend – mächtig sind
10Verbotene und erlaubte Vernehmungsmethoden
11Auswirkungen verbotener Vernehmungs­methoden, fehlender und falscher Belehrungen
12Zeugenvernehmungen allgemein
13Vernehmung "besonderer" Zeugen
14Anhörung von Kindern
15Beschuldigtenvernehmung allgemein
16Vernehmung "besonderer" Beschuldigter
17Vernehmungen bei besonderen Verfahrensgegenständen
18Lichtbildvorlagen und Identifizierungsmaßnahmen
19Dokumentation der Vernehmung
20Audiovisuelle Vernehmungen
21Vernehmungen in besonderen Verfahrensarten
22Das Risiko unzuverlässiger Informationen in unternehmensinternen Befragungen und Vernehmungen:
eine psychologische Perspektive (von Dr. Lennart May)
23Anhang: Vernehmungstraining
Literaturverzeichnis 
Zu den Autoren
Übersichten/Schaubilder


1Vernehmungen im Kontext von menschlicher Erinnerung, Irrtum und Lüge
1Vernehmungen sind Kommunikationsprozesse, deren Ziel es ist, möglichst umfassende Informationen über einen Sachverhalt zu gewinnen. Selbst bei optimaler Professionalität des Vernehmenden sind ihnen gewichtige Unsicherheitsfaktoren immanent: Die bewussten oder unbewussten Fehlleistungen des Faktors „Mensch“ und seiner Erinnerung.1   Praxistipp: 2 Die nachfolgenden Ausführungen zeigen weniger juristische Probleme auf, sondern beschäftigen sich mit naturwissenschaftlichen Fragestellungen. 3Das menschliche Gehirn speichert Informationen nicht gebündelt und unveränderbar gesichert wie ein Computer ab; die Signalverwertung ist einerseits bedeutend komplexer, andererseits aber anfälliger gegen Umgestaltungen, Änderungen, Auffüllungen, Blockaden bis hin zu Löschungen. Informationen, also Reizungen der Sinnesorgane, gelangen in das sog. limbische System und werden von dort an unterschiedlichen Stellen kurz- oder langfristig gespeichert. 4Wissen und Wahrgenommenes sind keine Computerdateien; es werden keine historischen Vorgänge und Wahrheiten gespeichert. Vielmehr bleiben Informationen nur für kurze Zeit – maximal zwei Minuten – in einer Art „Arbeitsspeicher“ und werden dann in einem „Zwischenspeicher“ – dem Hippocampus – abgelegt. Die hier angehäuften Tagesreste werden in der Nacht während des Schlafes weiter verarbeitet, indem das Gehirn diese neuen (Er-)Kenntnisse mit bereits vorhandenen Informationen assoziiert, also clustert. Beispiel: 5Wer einen Vortrag hört, speichert die Veranstaltung nicht als Datei „Vortrag vom …“. Vielmehr werden interessante Informationen an unterschiedlichen Stellen gespeichert. Das Gesamtbild „Vortrag vom …“ kann nur durch Assoziationsketten – eine Auslösung durch sog. Trigger-Reize – hervorgerufen werden. 6Diese Assoziationsketten sind von Person zu Person unterschiedlich und von einer persönlichen (emotionalen) Betroffenheit und gewissen Einmaligkeiten des Wahrgenommenen abhängig; sie funktionieren beispielsweise bei traumatisierten Zeugen nicht oder nicht vollständig.2 7Zur Beurteilung der Qualität und Aussagekraft einer Äußerung bzw. Vernehmung ist es erforderlich, die Grundzüge der Informationsaufnahme, -speicherung und -wiedergabe zu kennen.3 Das ernüchternde Ergebnis sei vorangestellt: Etwa zwei Drittel der vorhandenen und wahrnehmbaren Informationen werden auch tatsächlich wahrgenommen und nur ein Drittel kann später noch reproduziert werden.   Praxistipp: 8 (Zeugen-)Aussagen sind zwar das häufigste, aber zugleich auch das unzuverlässigste Beweismittel im Strafverfahren; ihr Zustandekommen und ihre Leistungsgrenzen muss der Vernehmende kennen und sich stets vor Augen halten. Dieser Unsicherheit muss daher – soweit wie möglich – mit einer ständigen Objektivierung der Aussage begegnet werden.4 1.1Menschliches Erinnern: Grundzüge von Wahrnehmung, Codierung, Speicherung und Wiedergabe
9Anders als bei einer Filmdokumentation, die authentisch den wahrnehmbaren, wirklichen Sachverhalt aufnimmt, abspeichert und später reproduziert, vollzieht sich menschliches Erinnern subtiler: Informationen müssen –wahrgenommen, –codiert, –gespeichert und sodann –wiedergeben werden. 10Jede dieser vier Phasen ist – wenn auch in unterschiedlichem Maße – fehleranfällig. Neben diese Fehlerquellen tritt das Phänomen der Lüge, einer bewusst falschen Wiedergabe vorhandener Informationen. Begrifflich ist zwischen der Glaubwürdigkeit einer Person und der Glaubhaftigkeit einer Aussage zu differenzieren.5   Praxistipp: 11 Der Vernehmende muss sich stets vor Augen halten, dass Fehler im Sinne von Irrtümern –bei der Wahrnehmung, –bei der Codierung, –bei der Speicherung, –bei der Wiedergabe auftreten können. Er muss zudem die Möglichkeit einer Lüge einkalkulieren. 1.1.1Fehlerquellen bei der Wahrnehmung 12Bei der Wahrnehmung bedarf es zunächst eines Auslöseanreizes, der überhaupt dazu führt, dass (irgend-)etwas wahrgenommen wird. Hier sind zunächst insbesondere die biologischen Möglichkeiten unserer Sinnesorgane zu berücksichtigen, die einer Wahrnehmungsmöglichkeit natürliche Grenzen setzen. Hierzu zählen neben sensorischen, physikalischen und sozialen Wahrnehmungsbedingungen insbesondere die Wahrnehmungsdauer, die vorhandene Aufmerksamkeit und der Wahrnehmungskontext.6 Beispiel: 13Wird ein Zeuge mit einer Waffe bedroht oder gar angegriffen, fokussiert sich seine Wahrnehmung auf die (Mündung der) Waffe. Er wird selten in der Lage sein, eine brauchbare Personenbeschreibung abzugeben oder ein vernünftiges Phantombild erstellen zu lassen. Aber selbst eine taugliche Beschreibung der Waffe (Pistole/Revolver/Farbe/Lauflänge) wird häufig nicht möglich sein, da sich die Wahrnehmung auf das abstrakte Bedrohungspotenzial verengt hat. 14Darüber hinaus ist die Wahrnehmung bzw. sind die etwa 60 %, die wir von einem tatsächlichen Geschehen aufnehmen, höchst individuell und selektiv.7 Auch wenn es schwerfällt, muss man sich vor Augen führen, dass niemand etwas wahrgenommen haben muss. Beispiel: 15Ein Polizeibeamter, der zu einem Verstorbenen kommt, achtet auf völlig andere Dinge – Hinweise auf ein Fremdverschulden/Tatgeschehen/Opfer/Tatwerkzeug/Täter – als etwa die trauernden Hinterbliebenen oder der später eintreffende Bestatter. 16Bereits bei der Wahrnehmung wird die Information selektiert, interpretiert und nach gewissen Schemata aufgenommen. Der Leser sollte versuchen, sich auf den nachfolgenden Text einzulassen und ihn zu lesen: Beispiel: 17Kroretke Rehctshreibnug ist üerbflsüsig. Uensr Gihren tcikt adnres; Wesinsachsltefr heban fstegllestet, wroan das liget. Ncah irehr Stidue ist es eagl, in wlehcer Reiehnfogle Bchusteban in Woeretrn vomrokomen. Es ist nur withcig, dsas der ertse und lettze Bchusatbe an der ricthgien Stlele snid. Der Rset knan tatol falcsh sein und knan onhe Porbelme gleesen wreden. 18Entscheidend für die flüssige Aufnahme der Information ist nur, dass sämtliche Buchstaben eines Wortes vorhanden sind und der erste und der letzte Buchstabe „stimmen“; den Rest macht das Gehirn selbst. Bei einer Einteilung beispielsweise in Buchstabengruppen funktioniert dies selbst dann kaum, wenn „an sich“ eine korrekte Rechtschreibung verwendet wird: Beispiel: 19Korre kteRe chtsc hreib ungistüb erflü ssig. Un serGe hirnt ickta nders. Wisse nscha ftler haben festge stell t, wora ndasl iegt.N achih rerStu dieis teseg al, inw elche rReih enfolg eBuch stabe ninWo erter nvork ommen. Esist nurw ichti g, wasd erers teund letzt eBuch stabe ander richti genSt elles ind.D erRest kannt otalf alsch seinu ndkan nohne Probl emeg elese nwerd en. 20Die Information wird aufgenommen, sofern die Buchstaben eines Wortes vollständig vorhanden und zutreffend gruppiert sind und der erste und der letzte Buchstabe an der richtigen Stelle stehen; den Rest (er)schafft unser Gehirn. Die Interpretation, die hier deutlich wird, ist eine Leistung des Gehirns und nicht steuerbar. Informationsaufnahme und Interpretation gehen daher unbewusst Hand in Hand. 1.1.2Fehlerquellen bei der Codierung 21Eine weitere Fehlerquelle kann in einer nicht stattfindenden Codierung liegen: Gemeint sind damit Sachverhalte, in denen ein bestimmtes Geschehen zwar wahrgenommen, dann aber nicht im Gehirn codiert wurde, also keine entsprechende Repräsentation dort erhält;8 völlig emotionslose (subjektiv belanglose) Wahrnehmungen werden zwar gemacht, dann aber schlagartig...


Dr. Heiko Artkämper, Staatsanwalt als Gruppenleiter bei der Staatsanwaltschaft Dortmund und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kriminalistik e.V.
Thorsten Floren, Kriminalhauptkommissar, Lehrbeauftragter an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW und stellv. Leiter des Kriminalkommissariats 1 beim Landrat Höxter.
Karsten Schilling, Kriminalhauptkommissar a.D., ehemaliger Leiter des Kriminalkommissariat 1 der Direktion Kriminalität beim Landrat Unna.


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