E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Artmann / Hofmann ich bin abenteurer und nicht dichter
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-903217-71-3
Verlag: Amalthea Signum
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Aus Gesprächen mit Kurt Hofmann
E-Book, Deutsch, 240 Seiten
ISBN: 978-3-903217-71-3
Verlag: Amalthea Signum
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
'Das autobiografische Vermächtnis des literarischen Genies. Hofmann, der schon mit Thomas Bernhard und Friedrich Gulda Gespräche geführt hat, ist es gelungen, Artmann ?packende? und ?originelle? Aussagen zu entlocken. Kunsttheorie und Leben werden in diesem ungewöhnlichen Band kunstvoll miteinander verbunden.'
Frankfurter Allgemeine Zeitung
'Oft räsonierend, manchmal polternd, dann wieder zutiefst bedrückt, nimmt uns Artmann mit in seine unbekannte Welt, in der das Leben und die Poesie, der Überschwang und die schaudernde Angst fest miteinander verschmolzen sind. Kurt Hofmann ist hier etwas Großes gelungen.'
biblio.at
'Hier stimmt die Phrase von der Unersetzlichkeit: Nach ihm kommt keiner mehr.'
Die Welt
Kurt Hofmann, geboren in Hüttenberg/Kärnten, ist seit 1980 Redakteur beim ORF. Zahlreiche Interviews mit Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur. In Buchform erschienen: 'Aus Gesprächen mit Thomas Bernhard' und 'Friedrich Gulda. Mein ganzes Leben ist ein Skandal'.
Autoren/Hrsg.
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was dem einen sein blatt fürs poem ist dem andern sein wisch für den po
Ich habe noch nie über mich Auskunft gegeben. In meinen Büchern nicht, außer ansatzweise in Nachrichten aus Nord und Süd – »ich bin schlecht ich bin einer dem es nicht zusteht ein netter junge von nebenan geheißen zu werden bitte bitte sagt mir doch wer ich bin damit ich mich wenigstens in zukunft danach richten kann« – darüber hinaus schon gar nicht. Ich bin kein Selbstdarsteller, und ich bin kein Erzähler. Auskunft geben über mich bereitet mir Übelkeit und Schmerzen. Bei einfachen Dingen zu meiner Person habe ich schon Schwierigkeiten. Diese Selbst-Zur-Schau-Stellung, wie auf einer Schlachtbank. Da liegen die Kadaver, seht her. Und wer da alles mit dem Messer auf dich zugeht, mit einem stumpfen, damit es ja wehtut. Und dann wird in den Wunden herumgerührt und das Blut spritzt und die Leute begeilen sich daran. Da kann man sich ja nur übergeben. Sich vor Reportern und dem Fernsehen und all dem zu schützen, das ist doch nur Notwehr. Das passiert mir doch ununterbrochen, ich sag’ was und, oh Gott, ich schlag’ über’s Ziel hinaus. Es gibt natürlich Leute, die sagen, egal was der große H. C. macht, das ist was – aber das sind die Senilen. Ich bin natürlich sehr militant. Ein militanter Lyriker, kann ich noch deutlicher werden? Wenn über mich geschrieben wird, dass ich alles wegschmeiße, wenn mir der Papierhaufen auf meinem Schreibtisch zu groß wird – geschrieben ist geschrieben – und ich soll da alles beim Fenster hinauswerfen. »Die Hälfte von dem«, steht dann in der ZEIT, »was zum Besten in der modernen Lyrik gehört, hat er weggeschmissen oder verschlampt«, das ist nicht wahr. Ich schmeiß’ nie was weg. Wie weit mich das dann noch interessiert, das ist etwas anderes. Natürlich ist mir wichtiger, dass ich was schreibe oder geschrieben habe, als das, was damit passiert. Andere sagen im Fernsehen über mich, ich hätte einen Fernseher aus dem Fenster rausgeschmissen, und meine Leitfiguren sind Verrückte und Selbstmörder. Ich habe Angst vor Verrückten, und die Angst vor’m Wahnsinnigwerden, die geht vorüber. Manchmal, manchmal vor dem Einschlafen, da höre ich so eigenartige Stimmen, und dann denke ich mir, so, jetzt ist es so weit, du wirst wahnsinnig. in meinem garten verbluten die drosseln des wahnsinns aus geometrischen fontänen die drosseln des wahnsinns in meinem garten verbluten aus geometrischen fontänen aus geometrischen fontänen verbluten in meinem garten die drosseln des wahnsinns in meinem garten verbluten die fontänen des wahnsinns aus geometrischen drosseln die geometrischen drosseln in meinem garten verbluten aus fontänen des wahnsinns aus geometrischem wahnsinn verbluten in meinem garten deine drosseln zu fontänen — hans carl artmann, verbarium gedichte, Olten, 1966 — Ich bin im Grunde genommen saunormal, für Irrenkunst habe ich nichts übrig. Ich habe keine Sehnsucht nach delirierendem Wahnsinn oder Verrücktheit, im Gegenteil. Ich bin ein geschichtsloser Mensch, in mir bleiben nur Atmosphären. Ich bin ein Gefühlsmensch, habe aber nie geschrieben, was in mir vorgeht. Das Unbewusste schreibt aus mir. l’eliphat ’l qümqüm i’ul assegor thibeta et dü azimount.. vendigot ül iblout et ’l ab ab.. m’elmoth ül iblout et azimout assegor thibeta et dü assegor thibeta et dü m’izrouph.. vendigot ül iblout et l’amghar.. m’elmoth ül iblout et m’izrouph assegor thibeta et dü assegor thibeta et dü fl’aflal.. vendigot ül iblout et m’ta’aroth.. m’elmoth ül iblout et fl’aflal assegor thibeta et dü — ein lilienweißer brief aus lincolnshire,
Frankfurt a. M., 1969 — Ich verhunze die Sprache nicht, ich baue sie eher auf, aber von genial kann bei mir nicht die Rede sein. Ich habe, wen wundert’s bei meinem Alter, einen gewissen Teil geleistet, ich bin schon seit sehr langer Zeit unterwegs mit Dichtung und Literatur, von Genialität will ich aber nichts mehr hören, von niemandem. Wenn ich ein Genie wäre, würde es mir besser gehen, aber ich habe ja nie etwas anderes gemacht, als mich mit Literatur und Sprachwissenschaft befasst, etwas wirr, was ich da spreche. Für mich ist gute Literatur Magie. Eine Welt ohne Feen, Kobolde, Druden wäre für mich keine. Ich bin ein ganz normaler armer fahrender Dichter. Von mir sagen sie auch immer, der ist doch so unernst, das kann man doch so nicht, tiefernst soll man sein, ein Priester der Germanistik, pfui Teufel, sagt der Zauberer aus dem Wald. »warte, warte noch een weilchen, bald kommt Artmann auch zu dir, mit dem kleenen hackebeilchen, und macht schabefleisch aus dir.« — Grammatik der Rosen, Salzburg und Wien, 1979 — Ich komme ja vom Surrealismus her, ursprünglich. Surrealismus ist für mich etwas ziemlich Verrücktes. Und Romantiker bin ich auch. Also, ein surrealer Romantiker oder ein abstrakter Romantiker, oberflächlich betrachtet, denn meine Herkunft ist überall: bei den Surrealisten und Dadaisten, bei Villon und dem Wiener Vorstadtdialekt, Lorca, Gómez de la Serna, in der Artusepik, in barocker Schäferpoesie, in Irland, im England des Sherlock Holmes, in den finsteren Wäldern von Transsylvanien, den lieblichen Gefilden von Sussex, in orientalischer Liebeslyrik, in den Detektivheftchen der Zwanzigerjahre, den Comicstrips von damals bis heute usw. Wenn ich schreibe, dann kommt das aus mir raus, wie ein Dämon. Und dann, wenn’s am Platz steht, feil ich das durch, das schon und mit Raffinesse. Ich bin sehr sprunghaft und deshalb kann ich auch keine längeren Texte schreiben. Mein längster Text hat nicht einmal 200 Seiten und groß gedruckt. Ich würde das gerne machen, wie andere, so jeden Vormittag zehn Zeilen, aber ich bleibe nie auf derselben Idee sitzen, ich bin hudelig. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sich ein abstrakter Maler vorstellt, so muss das ausschauen. Der baut’s einfach auf, insofern bin ich ein abstrakter Dichter. tom du tümmel tom tom tom tümmel tom du tom und tom o tom du lederne cappen tom du tom tom du tom tom am himmel tom dreh tom dreh dreh deine cappen tom tom du tümmel dreh du canonen tümmel tom du tom — Die Wiener Gruppe, Reinbek bei Hamburg, 1985 — Wenn sich dieser innere Dämon nicht rührt, kann ich gar nichts machen, nichts. Ich kann dann nicht schreiben. Dann wiederhole ich halt ein paar Grammatiken oder les’ in Handbüchern oder Sachbüchern, höre Schallplatten, geh’ mit Freunden fort, was heutzutage weniger geschieht, mach’ wieder eine Lesung, jedenfalls bin ich mit mir unzufrieden, und solange man unzufrieden ist, ist man noch am Leben. Es gibt sehr viele Leute, die sagen, ja wo kann man Sie denn anrufen und immer diese wiederkehrenden Scheißhausparolen, dass ich eine Managerin hätte, was soll ich mit einer Managerin, die Leute rufen mich an, H. C. willst bei uns lesen, hast Zeit, sag’ ich, ja o. k. oder na. Ich kann doch von niemandem abhängig sein. Das ist doch kein Geschäft wie jedes andere. Ich hab’ da eine mystische Haltung. Wenn ich begnadet bin, ohne Glorienschein so etwas zu machen, dann kann ich mich doch nicht vermarkten, da bin ich zu gläubig dazu. Was machen denn dann meine Feen da unten, die da im Gebüsch sitzen, die würden mir schön was hinten rein hauen. Ich glaube daran, sonst würde ich es ja nicht so machen, sonst würde mich ja schon längst der Teufel geholt haben. Ich glaube absolut an diese Vorbestimmung, ich habe so viel erlebt und bin bei so ungeheuren Sachen durchgerutscht und durchgekommen, ich muss in einer Glückshaut geboren worden sein. Ich habe immer Glück, dass ich nicht das Unglück hinterher hab’, sonst...