Assion / Brieger / Hautzinger | Bipolare Störungen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 430 Seiten

Assion / Brieger / Hautzinger Bipolare Störungen

Das Praxishandbuch

E-Book, Deutsch, 430 Seiten

ISBN: 978-3-17-037879-7
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Die vollständig überarbeitete 2. Auflage informiert umfassend und aktuell über die Hintergründe, Grundlagen, Diagnostik und Differenzialdiagnostik, den Verlauf und die therapeutischen Möglichkeiten bipolarer Störungen. Kapitel u. a. zu neuen psychotherapeutischen und psychoedukativen Verfahren, Begleiterkrankungen, Neuropsychologie und zur pharmakologischen Therapie runden das praxisorientierte Werk ab. Fundierte Kenntnisse über den Krankheitsverlauf und einen wirksamen Umgang mit ihren Besonderheiten machen zusammen mit evidenzbasierten Behandlungsmöglichkeiten die bipolaren Störungen beherrschbar. Die Praxis des Trialogs, die die Sicht von Betroffenen und Angehörigen integriert, wird als Teil moderner Behandlung gleichermaßen berücksichtigt.
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1          Bipolare Störungen im historischen Überblick1
Andreas Marneros
Kapitelübersicht 1.1   Einführende Übersicht 1.2   Von der griechischen Antike bis zur Neuzeit 1.3   Das »manisch-depressive Irresein« vs. »unipolar-bipolar« 1.4   Die neue Epoche Literatur 1.1       Einführende Übersicht
Das Konzept der bipolaren und unipolaren bzw. depressiven Erkrankungen hat eine jahrhundertelange Geschichte und somit auch eine über Jahrhunderte währende Evolution. Die Geburtsstunde der psychiatrischen Konzepte – vor allem jene der affektiven Störungen – ist mit der Geburt der Medizin als Wissenschaft durch Hippokrates und die Hippokratiker gleichzusetzen. Die Konzepte der affektiven Störungen erfuhren durch Aretäus von Kappadokien und andere eine ganz besondere Entwicklung. Nach einer Fortsetzung durch die klassischen griechischen und später auch römischen Ärzte geriet dieses Gebiet jedoch in Vergessenheit. Während der langen, dunklen, mittelalterlichen Nacht, aber auch später, nach der Renaissance und dem Zeitalter der Aufklärung, geschah wenig oder gar nichts. Die Wiederentdeckung der affektiven Störungen ging auch nicht unmittelbar mit der Gründung der Psychiatrie als wissenschaftliche Disziplin am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts einher, sondern setzte erst ein halbes Jahrhundert später ein. Es waren die Arbeiten von Falret (1854) über die Folie circulaire und die seines Rivalen Baillarger (1854) über die folie à double forme, die den neuen Anstoß gaben. Weitere neue Impulse kamen von Kraepelin, der im letzten Jahr des ausklingenden 19. Jahrhunderts das manisch-depressive Irresein konzeptualisierte. Schon bald bemerkten Wernicke, Kleist, später auch Leonhard sowie deren Schüler, dass die Idee der Vereinheitlichung aller affektiven Erkrankungen unter dem »Kraepelin’schen Dach« des manisch-depressiven Irreseins eine unzulässige Simplifizierung ist. Trotz der richtigen Ansätze der »drei Karls« setzte sich das klarere, einfachere und nachvollziehbarere Konzept Kraepelins durch. Die Wende kam nach der Entdeckung der modernen Psychopharmakotherapie mit ihren ungeheuren Auswirkungen auf alle Gebiete der Psychiatrie. Im Jahre 1966 wurden von Angst und Perris zwei wichtige, voneinander unabhängige Studien vorgelegt: »Zur Ätiologie und Nosologie endogener depressiver Psychosen« (Angst 1966) und »A study of bipolar (manic-depressive) and unipolar recurrent depressive psychoses« (Perris 1966). Beide Arbeiten belegten die nosologische Differenzierung unipolarer und bipolarer Erkrankungen. Damit wurden wesentliche Ansichten von Kleist, Leonhard u. a. bestätigt und ergänzt. Gleichzeitig wurden auch die Ansichten von Falret und Baillarger, den ungleichen und miteinander verfeindeten Vätern des Konzepts der unipolaren und bipolaren Erkrankungen, in der neuen Zeit »rehabilitiert«. Obwohl die Wernicke-Kleist-Leonhard-Schule schon früher Wesentliches dazu beigetragen hat, kann man dennoch das Jahr 1966 als einen Einschnitt oder, wie es Pichot (1995) ausdrückte, als »das Wiedergeburtsjahr« der bipolaren Erkrankungen betrachten. Während seiner 150-jährigen Entwicklung war das neuzeitliche Konzept der unipolaren und bipolaren Erkrankungen nicht immer durch Klarheit gekennzeichnet (Pichot 1995; Marneros 2004b). Insbesondere die Ansichten der Schule von Wernicke, Kleist und Leonhard erreichten teilweise für manche Kliniker und Forscher nicht immer nachvollziehbare Dimensionen, so etwa die Konzepte der »reinen Melancholie« vs. der »reinen Depression« bzw. der »reinen Manie« vs. der »reinen Euphorie« oder durch die Plethora von Aufspaltungen der sogenannten endogenen (autochthonen) (Auto-)Psychosen (Marneros und Pillmann 2004). Daher wurden viele Aspekte, die sich später als richtig erwiesen, nicht wahrgenommen. Durch die beiden erwähnten empirischen Studien von Angst und Perris sowie die kurz darauf folgenden Arbeiten der Gruppe um Winokur konnten sich jedoch wesentliche Aspekte der Ansichten von Falret und Baillarger, von Kleist, Leonhard und anderen in klarerer Form durchsetzen. Es wurde eine Basis geschaffen, auf der sich eine operationale und empirische klinische sowie paraklinische Forschung entwickelte (Marneros 2004b; Goodwin und Jamison 2007). 1.2       Von der griechischen Antike bis zur Neuzeit
Zustände von Depression und Exaltation wurden zwar erstmalig von Hippokrates und den Hippokratikern wissenschaftlich beschrieben, sie waren aber bereits den prähippokratischen Ärzten, Philosophen und Dichtern des Altertums bekannt. Hippokrates (ca. 460–370 v. Chr.) beschrieb jedoch als Erster systematisch die beiden Zustände und führte sie vor allem auf körperliche Ursachen zurück. Seine Schilderungen von Melancholie und Manie unterscheiden sich nicht so deutlich von den heutigen, wie manche Autoren meinen, sondern sie stellen eher eine breitere Gruppe von Erkrankungen dar als die aktuellen. Auch andere antike Ärzte, wie Galenos von Pergamon, Soranus von Ephesos oder Aurelianus, ergänzten und bereicherten die hippokratischen Beschreibungen. Eine ganz besondere Stellung in der Reihe der Gründer der wissenschaftlichen Medizin nimmt Aretäus von Kappadokien ein. Aretäus, ein berühmter griechischer Arzt der Antike in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts, war der Erste, der ein Alternieren von Melancholie und Manie annahm. Somit hat er erstmals bipolare Erkrankungen beschrieben (Marneros 2004b). Es ist verwunderlich, dass manche Autoren, so etwa Berrios (1988) oder Fischer-Homberger (1968), ihn nicht als den Erstbeschreiber der bipolaren Erkrankungen sehen. Das Studium der entsprechenden Kapitel seines Buches »Über Ursachen und Symptome der chronischen Krankheiten« (1. Buch, Kap. V und VI) lässt jedoch keinen Zweifel daran. Das Argument, die Begriffe Manie und Melancholie meinten damals etwas anderes als das, was wir heute darunter verstehen, ist unserer Meinung nach nicht haltbar. Sie definierten etwas Breiteres und Umfassenderes, aber nicht etwas grundsätzlich anderes. Das Aufeinanderfolgen von Manie und Melancholie wurde auch von späteren Autoren vor allem im 17., 18. und 19. Jahrhundert beschrieben. Repräsentativ seien hier Willis (1672), Esquirol (1820), Heinroth (1818), Griesinger (1845) sowie andere europäische Psychiater (vgl. Stone 1977) erwähnt. Griesinger (1845) beschrieb nicht nur den Übergang der Melancholie zur Manie, den er als gewöhnlich bezeichnete, sondern er vertrat auch die Auffassung, dass die Erkrankung aus einem Zyklus beider Formen besteht, mit regelmäßigem Alternieren. Wie Haugsten (1995) in seiner Darstellung der Geschichte der bipolaren Erkrankungen schreibt, erkannten Willis (1672), Morgagni (1761) und Lorry (1765) bereits im 17. und 18. Jahrhundert die longitudinale Verbindung von Manie und Melancholie. Stone (1977) berichtete, dass Mead (1673–1754) in England – genau wie Aretäus von Kappadokien – vermutete, Manie und Melancholie seien unterschiedliche Erscheinungsformen ein und desselben Prozesses. Chiarugi (1759–1820) aus der Toskana notierte: »Der Maniker ist wie ein Tiger oder wie ein Löwe, und man kann annehmen, dass die Manie das Gegenteil zu echter Melancholie ist.« Im Frankreich des 19. Jahrhunderts, wie Pichot (1995) schreibt, florierte eine exakte deskriptive Psychopathologie, die jedoch traditionalistisch war, und so vertraten prominente Psychiater der damaligen Zeit, wie Pinel oder Esquirol, noch die Auffassung, dass melancholische und manische Episoden Erscheinungsformen unterschiedlicher psychischer Störungen seien. Die Autoren des 17. und 18. Jahrhunderts, die ein Alternieren der beiden Formen berichteten, zogen jedoch nicht die Schlussfolgerung, dass es sich hierbei um eigene Entitäten handelt. Dieser Schritt wurde erst mit Falret (1851) vollzogen. Im Jahr 1851 erschien in der Gazette des Hôpitaux ein dreizehnzeiliger kurzer Absatz (»De la folie circulaire ou forme de maladie mentale characterisée par l’alternative régulière de la manie et de la mélancholie«), in welchem Falret (1794–1870) erstmals eine eigene Form der psychischen Erkrankung, also eine nosologische Entität, beschrieb, die er folie circulaire (im Deutschen als zirkuläres...


Prof. Dr. med. Hans-Jörg Assion, Ärztlicher Direktor der LWL-Klinik für Psychiatrie in Dortmund, Lehrauftrag an der Ruhr-Universität Bochum. Prof. Dr. med. Peter Brieger, Ärztlicher Direktor, kbo-Isar-Amper-Klinikum Region München, apl.-Professor LMU München. Prof. Dr. phil. Martin Hautzinger, Seniorprofessor für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Tübingen. Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Michael Bauer, Lehrstuhl für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum der TU Dresden, Projektleitung S3-Leitlinie "Diagnostik und Therapie Bipolarer Störungen".

Mit Beiträgen von:
Hans-Jörg Assion, Peter Brieger, Martin Hautzinger, Michael Bauer, Thomas Aubel, Matthias Backenstraß, Fabrice Beier, Dominik KE Beyer, Tom Bschor, Caterina del Mar Bonnin, Michael Deuschle, Katharina Domschke, Markus Donix, Barbara Drüke, Nadja Freund, Heinz Grunze, Ulfert Hapke, Robert Haußmann, Martin Holtmann, Georg Juckel, Sarah Kittel-Schneider, Farahnaz Klöhn-Sagatholislam, Vivien Kraft, Michael Landgrebe, Elisabeth J. Leehr, Ute Lewitzka, Claudia Lex, Vera Miriam Ludwig, Andreas Marneros, Anabel Martínez-Arán, Tina Meller, Thomas D. Meyer, Esther Mühlbauer, Igor Nenadic, Christoph Neumann, Andrea Pfennig, Ronny Redlich, Andreas Reif, Philipp Ritter, Katja Salkow, Martin Schäfer, Thomas G. Schulze, Florian Seemüller, Emanuel Severus, Brisa Solé, Lene-Marie Sondergeld, Thomas Stamm, Carla Torrent und Julia C. Zwick.


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