E-Book, Deutsch, 376 Seiten
Assmann / Maciejewski / Michaels Der Abschied von den Toten
2. Auflage 2011
ISBN: 978-3-8353-2081-9
Verlag: Wallstein Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection
Trauerrituale im Kulturvergleich
E-Book, Deutsch, 376 Seiten
ISBN: 978-3-8353-2081-9
Verlag: Wallstein Verlag
Format: PDF
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Jan Assmann, geb. 1938, Professor em. für Ägyptologie in Heidelberg, Projektleiter im Sonderforschungsbereich (SFB) 'Ritualdynamik - Soziokulturelle Prozesse in historischer und kulturvergleichender Perspektive'. Publikationen u.a.: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen (1992), Tod und Jenseits im Alten Ägypten (2003). Franz Maciejewski, geb. 1946, Dr. phil., Soziologe, leitet im Heidelberger SFB Ritualdynamik das Projekt 'Erinnerungsrituale des Holocaust'. Zuletzt erschienen u.a. Psychoanalytisches Archiv und jüdisches Gedächtnis. Freud, Beschneidung und Monotheismus (2002), Der Kotau der Mächtigen: Zur Globalisierung des Rituals öffentlicher Entschuldigung (2004). Axel Michaels, geb. 1949, Professor für klassische Indologie am Südasieninstitut in Heidelberg, Projektleiter und Sprecher des SFB 'Ritualdynamik'. Publikationen u.a.: Ritual und Gesellschaft in Indien (1986), Klassiker der Religionswissenschaft (1997), Der Hinduismus. Geschichte und Gegenwart (1998), (mit Ulrich Luz) Jesus oder Buddha. Leben und Lehre im Vergleich (2001).
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Inhalt;6
2;Trauer und rituelle Trauer;8
3;Die Lebenden und die Toten;17
4;TRAUERRITUALE IN SÜDASIEN I: INDIEN UND SRI LANKA;38
4.1;Das Totenritual der Sikhs;38
4.2;Zur Rolle des »provisorischen Körpers« für den Verstorbenen in hinduistischen Bestattungen;63
4.3;Die Reise der Seele Bestattungsrituale und orale Texte in Arunachal Pradesh, Indien;83
4.4;Der Tod im vedischen Ritual;111
4.5;Von Göttern, Geistern und Krähen Buddhistische Bestattungsriten in Sri Lanka;126
5;TRAUERRITUALE IN SÜDASIEN II: NEPAL;152
5.1;Totenrituale in Bhaktapur, Nepal Trauer und Klage als Phasen von Reinigung und Reintegration;152
5.2;Gieriger Geist oder verehrter Vorfahr? Das »Doppelleben« des Verstorbenen im newarischen Totenritual;182
5.3;Der nahende Tod Altersrituale bei den Newars;200
5.4;Ujyå – Ein letzter Ritus der Vajråcåryas von Lalitpur;224
6;TRAUERARBEIT IM KULTURELLEN RAUM DES WESTENS;236
6.1;Trauer und Trauma in Israel: Die Totenklage der Überlebenden;236
6.2;Trauer ohne Riten – Riten ohne Trauer. Deutsche Volkstrauer nach 1945;246
6.3;Stadtzerstörung und Gedenken: Hamburg – Dresden – Berlin – New York;268
6.4;Good bye Lenin. Das Orpheusmotiv und das Ende der DDR;295
7;TOD UND TRAUER IN ÄGYPTEN UND IM ALTEN ORIENT;308
7.1;Totenriten als Trauerriten im Alten Ägypten;308
7.2;Trauerrituale im Grab des Osiris in Karnak;327
7.3;Tage – Trauerphasen und Trauerriten in Ägypten;343
7.4;Altorientalische Trauerriten;360
8;Dank;374
9;Die Autorinnen und Autoren;375
(S. 245-246)
Trauer ohne Riten – Riten ohne Trauer
Deutsche Volkstrauer nach 1945
Das Ende des Zweiten Weltkrieges ist das komprimierte Datum traumatischer Schockerfahrungen von Massentod und Zerstörung. Über Deutschland liegt ein Schatten tiefer Trauer, der sich auf mindestens vier Ereigniskomplexe beziehen läßt: (1) den Bombenkrieg mit seinen unzähligen zivilen Toten und der Trümmerlandschaft zerstörter Städte, (2) die militärische Niederlage mit dem Massentod der Soldaten und dem ungewissen Schicksal der Kriegsgefangenen, (3) die Flucht und Vertreibung aus dem Osten mit der Erfahrung von Tod, Vergewaltigung und Verlust der Heimat, sowie (4) den mit der Befreiung der Konzentrations- und Vernichtungslager sichtbar gewordenen Massenmord an Millionen Unschuldiger, also den Holocaustverbrechen.
Es bleibt ein bis heute irritierender Befund, daß Zeitgenossen angesichts dieser Katastrophen übereinstimmend von einem Ausbleiben der Trauer bzw. einer eigentümlich gehemmten Trauerarbeit berichten. So haben schon Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene, die bei der Bergung der Bombenopfer eingesetzt wurden, wiederholt ihre Verwunderung über den Ausfall erwartbaren Trauerverhaltens zum Ausdruck gebracht, etwa darüber, daß die Hinterbliebenen keinerlei Trauerkleidung trugen.
»Am Ärmel ein Flor, der nach acht Tagen entfernt wurde«, war das Äußerste. Hannah Arendt (sicherlich die bekannteste Zeugin) bestätigt bei ihrem Besuch in Deutschland im Jahre 1949, wie der Alptraum von Zerstörung und Schrecken vom Erschrecken über die Apathie der Menschen überlagert wurde: »Überall fällt einem auf, daß es keine Reaktionen auf das Geschehene gibt, aber es ist schwer zu sagen, ob es sich dabei um eine irgendwie absichtliche Weigerung zu trauern oder um den Ausdruck einer echten Gefühlsunfähigkeit handelt. Die Gleichgültigkeit, mit der sich die Deutschen durch die Trümmer bewegen, findet ihre genaue Entsprechung darin, .«