Aubert | Sein anderes Gesicht | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 261 Seiten

Aubert Sein anderes Gesicht

Roman
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-95824-993-6
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Roman

E-Book, Deutsch, 261 Seiten

ISBN: 978-3-95824-993-6
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Schaurig, fesselnd und nichts für zarte Gemüter: Der französische Kriminalroman 'Sein anderes Gesicht' von Brigitte Aubert als eBook bei dotbooks. Bo weiß, was Schmerz ist: Seine Mutter beging Selbstmord, sein Vater hat ihn geprügelt und die Gewissheit, im falschen Körper zu leben, quält ihn jeden Tag ... Als Transvestit im Rotlichtmilieu von Nizza träumt er von einem Neuanfang, doch wieder wendet sich das Schicksal gegen ihn. Ein Frauenmörder versetzt die glamouröse Stadt an der Côte d'Azur in Angst und Schrecken, und Bo gerät ins Visier der Ermittler. Als ausgerechnet seine Freundin Maeva das Opfer des grausamen Mörders wird, schreibt sie Bos Namen mit ihrem Blut an die Wand - für die Kripo eine klare Identifizierung des Täters. Für Bo hingegen beginnt ein Kampf um seine Freiheit, seine Unschuld ... und sein Leben! Jetzt als eBook kaufen und genießen: 'Sein anderes Gesicht' von Brigitte Aubert. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks - der eBook-Verlag.

Brigitte Aubert gehört zu Frankreichs profiliertesten Spannungsautorinnen. Neben Kriminalromanen und Thrillern schreibt sie Drehbücher und war Fernsehproduzentin der erfolgreichen »Série noire«. Heute lebt sie in Cannes und führt ein altes Kino, das sie von ihren Eltern übernommen hat. Bei dotbooks veröffentlichte Brigitte Aubert ihre Krimireihe um Marcel Blanc mit den Bänden »Tödliche Riviera« und »Mörderische Riviera« (auch als Sammelband erschienen). Außerdem ihre Reihe um Élise Andrioli mit den Bänden »Im Dunkel der Wälder« und »Tod im Schnee« sowie ihre Frankreich-Thriller »Die vier Söhne des Doktor March«, »Marthas Geheimnis«, »Sein anderes Gesicht«, »Schneewittchens Tod«.
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KAPITEL 1


»Johnny, kann ich mitkommen?«

»Hau ab.«

»Bitte, nimm mich mit!«

Er seufzt und sieht mich an, als wäre ich der letzte Dreck. Ich möchte über seine unrasierten Wangen streichen, aber ich weiß, wenn ich die Hand nach ihm ausstrecke, wird er mich schlagen.

»Johnny, nur eine Stunde oder zwei, dann setzt du mich ab, wo du willst.«

»Verflucht noch mal, Bo! Hast du nichts anderes zu tun?!«

Seufzend öffnet er die Wagentür. Ich schmiege mich in den Sitz, halte mich am Türgriff fest und stütze mich mit meinen Luftkissenturnschuhen am Armaturenbrett ab. Der Toyota fährt mit quietschenden Reifen an. Ich atme den Geruch seines Wagens ein – Johnnys Geruch: Aftershave, Zigaretten, Leder, Cheeseburger, Metall.

Johnny fährt schweigend. Aus den Augenwinkeln sehe ich ihn an. Gerne würde ich mit meinen rot lackierten Nägeln über seinen geraden Nasenrücken fahren, über die dunklen Ringe unter seinen hellen Augen, ich möchte die tiefen Falten um seinen vollen Mund auslöschen, durch sein blondes, kurz geschnittenes Haar streichen. Johnny. Im Geist flüstere ich seinen Namen: Johnny, Johnny …

Er streckt die Hand zum Radio aus, ein mit hellem Flaum überzogenes Handgelenk, lange, schlanke Pianistenfinger, die jetzt auf den Knopf drücken, dann dröhnt diese widerwärtige Musik von Metallica durch den Wagen. Er dreht den Ton lauter.

Ich hasse Hardrock. Ich hasse Lärm. Ich möchte am Meer entlangfahren und Erroll Garner hören. Er fährt über die Schnellstraße, die an der Bahnlinie entlang und mitten durchs Industriegebiet führt. Superromantisch. Er bremst, und wir kommen in der Nähe einer Bushaltestelle zum Stehen. Johnny kurbelt die Scheibe runter. Dieses Miststück Ida mit dem dicken Hintern kommt angewackelt. Ich bete, dass Johnny nur hergekommen ist, um Stoff zu besorgen. Er wedelt mit einem Geldschein herum. Sie beugt sich zu ihm hinunter, nimmt den Schein und reicht ihm einen Beutel. Er tätschelt ihr die Wange, vielleicht etwas zu fest. Wir fahren weiter.

Wir halten auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums. Er zieht seine Linie, während ich aufpasse. Mir bietet er nichts an. Er wartet, dass ich frage. Ich werde nicht fragen. Er schnieft mit einem widerwärtigen kleinen Lächeln und schiebt die Zunge zwischen die Lippen. Ich wende den Kopf ab. Er packt mich bei den Haaren, ich widersetze mich absichtlich, er zieht noch heftiger, ich widersetze mich noch mehr. Er legt die Lippen an mein Ohr, ich erschaudere.

»Weißt du was, Bo?«, sagt er. »Ich glaube, du wirst aussteigen.«

»Nein, bitte.«

»Ich glaube, du wirst aussteigen und zu den Typen da hinten gehen.«

Er drückt den ausgestreckten Zeigefinger an meine Wange und zwingt mich, den Kopf zu drehen. Neben einem blauweiß gestrichenen Lagerschuppen steht eine Gruppe Halbstarker, um sich herum haben sie ihre Mofas aufgebaut, hinter denen sie sich verschanzen wie einst die Pioniere hinter ihren Wagen. Der Widerhall ihrer großen Ghettoblaster und ihres albernen Gelächters dringt zu uns herüber.

»Du wirst sie für mich um eine Zigarette bitten.«

»Johnny! Die machen mich fertig.«

»Willst du den Abend mit mir verbringen? Willst du?«

Er öffnet die Tür und stößt mich hinaus. Ich falle auf die Knie. Die Jungen drehen sich um. Einer ruft mir zu:

»He, komm her, Kleine.«

Johnny zündet sich in aller Seelenruhe eine Zigarette an. Er hat eine Knarre im Handschuhfach, eine Pistole. Mit der Hand scheucht er mich in ihre Richtung. Ich stehe auf, zupfe mein ausgeschnittenes T-Shirt unter der Jeansjacke zurecht und bewege mich mit wiegenden Hüften auf sie zu. Die Jungs kichern. Das lange braune Haar fällt mir ins Gesicht, ich werfe es mit einer Bewegung zurück, die Johnny rasend macht.

Jetzt bin ich ganz in der Nähe der Gören: vierzehn bis sechzehn Jahre alt sind sie, ein Alter, in dem blinde Leidenschaft jegliches Mitgefühl auslöscht. Ich sehe ihre erheiterten Mienen, sie sind voll wie die Haubitzen, stockbesoffen. Ein Geruch nach Leim, Ausdünstungen von Bier.

Ein kleiner Kerl von ungefähr sechzehn Jahren, die Arme, die an Baseballschläger erinnern, in die Hüften gestemmt, kommt auf mich zu. Sicherlich ihr Anführer.

»Na, was will die Kleine? Hat sie sich verlaufen?«, bellt ein großer Dunkelhaariger mit aknevernarbtem Gesicht.

Dummes Gelächter. Ich wende mich an den Mini-Chef, der mir gegenübersteht:

»Könnte ich bitte eine Zigarette haben?«

Angesichts solcher Kühnheit sprachlos, sehen sie sich an. Der Anführer kommt einen Schritt auf mich zu und lässt seinen Bizeps spielen. Er hat O-Beine wie ein Kind, das zu früh mit dem Laufen angefangen hat.

Er zieht ein zerdrücktes Päckchen Zigaretten aus der Gesäßtasche seiner Jeans, klopft eine heraus und schiebt sie mir unter dem Gefeixe der anderen zwischen die Lippen. »Brauchst du auch Feuer?«

Dreckiges Gelächter.

»Ja, bitte …«, sage ich und befeuchte meine Lippen.

Das Gelächter erstirbt. Er fragt sich, ob das heute sein Glückstag ist. Unter den gespannten Blicken der ganzen Truppe zieht er sein Feuerzeug hervor und dreht mit dem Daumen das Rädchen. Verheißungsvoll schießt die Flamme empor. Er presst seinen Unterleib gegen meinen.

Ein leichter Stoß. Unsere Blicke begegnen sich. Ich sehe, wie sich seine Augen weiten, während er zurückspringt und schreit:

»Scheiße! Das gibt’s doch nicht!«

Die anderen sehen ihn verständnislos an.

»Aber das ist ein Kerl!«

Rufe werden laut. Eine Bierdose scheppert auf den Boden. Wütend, weil er auf mich hereingefallen ist, packt er mich beim Revers meiner Jacke, lässt aber sofort angewidert wieder los.

»Was glaubste denn?«, schreit er und benetzt mich mit Speicheltröpfchen. »Hältst uns wohl für Schwuchteln, was? Ist es das?«

Ich sehe die Schweißperlen auf seiner Oberlippe, die Nasenlöcher, die sich weiten. Eine gewisse Erregung in seinen glasigen Augen. Ich sehe ihn an und antworte:

»Danke für die Zigarette …«

Ich weiß, was jetzt geschehen wird. Sie wissen, was jetzt geschehen wird. Er amüsiert sich wahrscheinlich köstlich in seinem Auto. Weil ich jetzt bestraft werde. Dafür bestraft, dass ich ihn liebe.

Ein eiserner Griff umschließt meinen Arm: Einer der Jungen zwingt mich niederzuknien. Ein anderer reißt meinen Kopf an den Haaren nach hinten. Ich protestiere nicht. Ich wehre mich nicht. Ein Dritter öffnet den Reißverschluss meiner Jeans und zieht sie herunter. Der Anblick meines roten Stringtangas löst hämisches Gekicher aus, Getuschel und Beleidigungen. Ungeschickte, brutale Hände reißen ihn mir vom Körper.

Geruch nach Schweiß, schlecht kontrollierter Erregung und Turnschuhen. Ich zähle sechs Paar mit Luftkissensohlen. Sie drängen sich um mich herum wie die Schweine um einen wohlgefüllten Trog. Ich knie halb nackt auf dem Parkplatz, aus dem Radio dröhnt ein Gangsta-Rap.

Der Anführer packt mich bei den Haaren.

»Sag, dass du ein Dreckstück bist! Sag, dass du kein Mann bist«, brüllt er.

Es ist immer dasselbe. Die Leute schreien entsetzt auf, wenn sie merken, dass ich ein Mann bin, und werfen mir sogleich vor, keiner zu sein.

»Ja, ich bin ein Miststück. Nein, ich bin kein Mann«, wiederhole ich gefügig, den Blick starr auf die Ölflecken auf seiner Jeans gerichtet.

Durch meine Passivität aufgebracht, ohrfeigt er mich heftig und schreit:

»Du willst uns provozieren, was? Du willst uns provozieren!«

Aus den Augenwinkeln vergewissere ich mich, dass sie nur Bierdosen dabei haben und keine Glasflaschen, ehe ich mit anmutigem Lächeln sage:

»Ich ficke deinen Vater, mein Kleiner!«

Tiefes Schweigen.

Das verbessert natürlich nicht gerade die Stimmung. Aber ich tue es für Johnny, der mich beobachtet.

In eben diesem Augenblick schlägt eine Autotür zu, und der Motor springt an. Johnny. Nein! Ich habe gehorcht. Nein! Der Toyota verschwindet.

Sogleich bricht der Sturm los. Schneewittchen und die sechs Zwerge. Sie schlagen ungeschickt zu. Ich falle, werde wieder aufgehoben, man schleudert mich nach rechts, nach links, eine stumme Puppe. Fußtritte in den Rücken, in den Bauch, ich erbreche mich. Gott sei Dank sind es Amateure. Sie schlagen zu wie Kinder, und genau das sind sie auch. Ein letzter Fußtritt auf den Kopf, ich verliere das Bewusstsein.

Ich liege auf dem Zement in einer kalten Pfütze. Es stinkt nach Pisse, Öl und Bier. Langsam richte ich mich auf. Offenbar ist nichts gebrochen. Die Sonne geht auf, eine orangefarbene Scheibe hinter der Burgerking-Reklame. Ich rappele mich auf, schwanke, finde mein Gleichgewicht. Alles tut mir weh. Meine Jeans liegt zusammengeknüllt in einer Ecke, voller Kotze und anderem Zeug. Ich schüttele sie aus und ziehe sie an. Sie ist nass und kalt.

Als ich mit der Hand durch mein Haar fahre, wird sie klebrig. Meine rote Perlenkette ist zerrissen, die Perlen sind auf dem Boden verstreut. Ich habe nur noch einen Ohrclip, der andere hat sein Ende unter einem aufgeregten Nike-Turnschuh gefunden.

Ich setzte mich in Bewegung, folge der gelben Linie auf dem Boden. Sie führt mich zu gläsernen Schiebetüren. Als ich mein Spiegelbild betrachte, stelle ich fest, dass ich Glück hatte: kein blaues Auge. Sie haben auf der Herzseite zugeschlagen – linke Augenbraue aufgeplatzt, großes Hämatom an der Schläfe, Unterlippe aufgesprungen. Der Boxer nach der Niederlage. Ich trete einen Schritt zurück, um mich ganz zu begutachten.

Ich bin achtundzwanzig Jahre alt. Ich heiße Bo. Mein volles dunkles Haar fällt in Locken bis zur Taille. Ich bin klein und schlank. Ich sehe aus wie ein Mädchen. Und ich liebe Johnny. Aber Johnny liebt...



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