- Neu
E-Book, Deutsch, 1284 Seiten
Reihe: Reclam Taschenbuch
Austen Jane Austen: Drei Romane in einem E-Book (3-in-1-Bundle). Mansfield Park, Kloster Northanger, Überredung
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-15-962435-8
Verlag: Reclam Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 1284 Seiten
Reihe: Reclam Taschenbuch
ISBN: 978-3-15-962435-8
Verlag: Reclam Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Jane Austen (1775-1817) gehört zu den bedeutendsten Schriftstellerinnen aller Zeiten, ihre Romane zählen zu den großen Klassikern der englischen Literatur. Im Mittelpunkt ihres Werks steht vielfach die Zerrissenheit junger adliger Damen, die zwischen den gesellschaftlichen Erwartungen und ihren eigenen Träumen stehen. Ursula und Christian Grawe haben mit ihren inzwischen klassischen Übersetzungen wesentlich dazu beigetragen, Jane Austen im deutschsprachigen Raum populär zu machen. Darüber hinaus gilt Christian Grawe als einer der besten deutschsprachigen Austen-Kenner.
Weitere Infos & Material
Kapitel 1
Vor ungefähr dreißig Jahren hatte Miss Maria Ward aus Huntingdon mit nur siebentausend Pfund Vermögen das große Glück, Sir Thomas Bertram von Mansfield Park in der Grafschaft Northampton zu erobern und dadurch mit all den Annehmlichkeiten und gesellschaftlichen Vorteilen eines stattlichen Hauses und eines ansehnlichen Einkommens in den Rang einer Baronin aufzusteigen. Ganz Huntingdon wusste sich über diese großartige Partie nicht zu lassen, und sogar ihr eigener Onkel, der Rechtsanwalt, gab zu, dass ihr mindestens dreitausend Pfund fehlten, um solche Ansprüche stellen zu können. Sie hatte zwei Schwestern, denen diese Standeserhöhung nur zugutekommen konnte, und alle die Bekannten, die Miss Ward und Miss Frances für mindestens so hübsch wie Miss Maria hielten, scheuten sich nicht, ihnen eine beinahe ebenso vorteilhafte Heirat vorauszusagen. Aber natürlich gibt es auf der Welt nicht so viele Männer mit ansehnlichem Vermögen, wie es hübsche Frauen gibt, die sie verdienen. Miss Ward sah sich deshalb nach einem halben Dutzend Jahren genötigt, sich mit dem Pastor Mr. Norris zu verbinden, einem Freund ihres Schwagers, fast ohne eigenes Vermögen, und Miss Frances erging es noch schlechter. Ja, Miss Wards Verbindung erwies sich, als es soweit war, als durchaus nicht zu verachten, da Sir Thomas zum Glück imstande war, seinen Freund durch die Pfarre von Mansfield mit einem Einkommen zu versorgen, und so begannen Mr. und Mrs. Norris den Werdegang ihres ehelichen Glücks mit kaum weniger als tausend Pfund im Jahr. Aber Miss Frances enttäuschte durch ihre Heirat – wie man so schön sagt – die Erwartungen ihrer Familie, und sie tat das, indem sie einen Marineleutnant ohne Erziehung, Vermögen oder Verbindungen wählte, ausgesprochen gründlich. Sie hätte kaum eine unvorteilhaftere Wahl treffen können.
Sir Thomas hatte Beziehungen, die er ebenso aus Prinzip wie aus Ehrgefühl, aus einem generellen Wunsch, das Rechte zu tun, und aus dem Bedürfnis, alle, die mit ihm verwandt waren, in angemessenen Positionen zu sehen, gerne zugunsten von Lady Bertrams Schwester hätte spielen lassen, aber bei dem Beruf ihres Mannes war mit seinen Beziehungen nichts zu erreichen; und bevor er Zeit hatte, sich andere Möglichkeiten der Unterstützung auszudenken, hatte ein endgültiges Zerwürfnis zwischen den Schwestern stattgefunden. Es ergab sich ganz zwangsläufig aus dem Verhalten beider Parteien und war bei einer so unklugen Heirat auch kaum anders zu erwarten. Um sich unnötige Vorwürfe zu ersparen, erwähnte Mrs. Price in den Briefen an ihre Familie das Thema nie, bevor die Heirat tatsächlich stattgefunden hatte. Lady Bertram, die eine Frau von ausgesprochen friedfertigem Naturell und bemerkenswert ausgeglichenem Temperament war, hätte sich damit begnügt, ihre Schwester einfach aufzugeben und nicht weiter an die Sache zu denken; aber Mrs. Norris hatte viel Unternehmungsgeist, der ihr keine Ruhe ließ, bis sie Frances einen langen und empörten Brief geschrieben hatte, um ihr die Torheit ihres Schrittes vor Augen zu führen und ihr alle seine möglichen üblen Folgen anzudrohen. Mrs. Price ihrerseits war gekränkt und empört; und ihre Antwort, die beide Schwestern mit Vorwürfen bedachte und so ausgesprochen abfällige Bemerkungen über Sir Thomas’ Ehrgefühl enthielt, dass Mrs. Norris sie auf keinen Fall für sich behalten konnte, machte allem Umgang zwischen ihnen auf Jahre hinaus ein Ende.
Sie wohnten so weit auseinander und bewegten sich in so verschiedenen Kreisen, dass während der folgenden elf Jahre jede Möglichkeit, voneinander zu hören, beinahe ausgeschlossen war oder es jedenfalls Sir Thomas als ein Wunder erscheinen ließ, dass Mrs. Norris überhaupt imstande war, ihnen von Zeit zu Zeit mit empörter Stimme zu erzählen, dass Frances schon wieder ein Kind bekommen habe. Nach Ablauf von elf Jahren allerdings konnte Mrs. Price es sich nicht länger leisten, sich Stolz oder Gekränktheit hinzugeben oder auf eine Verbindung zu verzichten, von der sie womöglich Hilfe zu erwarten hatte. Eine große und immer noch wachsende Familie, ein Ehemann, untauglich zu aktivem Dienst, aber Gesellschaft und teurem Alkohol durchaus nicht abgeneigt, und ein zu geringes Einkommen, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen, ließen es ihr geraten erscheinen, die Freunde wiederzugewinnen, die sie so unbekümmert geopfert hatte, und sie wandte sich in einem Brief an Lady Bertram, aus dem so viel Zerknirschung und Verzweiflung sprach, ein solcher Überfluss an Kindern und ein solcher Mangel an fast allem anderen, dass eine Versöhnung ihnen allen unerlässlich erschien. Ihr neuntes Kindbett stand bevor, und als sie darüber gejammert und sie um ihre Unterstützung bei der Erziehung des erwarteten Kindes gebeten hatte, ließ sie durchblicken, wie unentbehrlich sie ihr in Zukunft beim Unterhalt ihrer acht schon vorhandenen Kinder waren. Ihr Ältester war ein Junge von zehn Jahren, ein vielversprechender, lebhafter Bursche, der unbedingt in die Welt hinaus wollte – aber was konnte sie tun? Bestand die Möglichkeit, dass er sich Sir Thomas bei der Verwaltung seiner Besitzungen in der Karibik nützlich machen konnte? Er wäre sich für keine Arbeit zu schade. Oder was hielt Sir Thomas von Woolwich? Oder wie fing man es an, einen Jungen in den Orient zu schicken?
Der Brief verfehlte seine Wirkung nicht. Er stellte Frieden und Einvernehmen wieder her. Sir Thomas sandte gutgemeinte Ratschläge und Versicherungen, Lady Bertram schickte Geld und Babywäsche, und Mrs. Norris schrieb die Briefe.
Darin bestand der unmittelbare Erfolg, und innerhalb eines Jahres ergab sich daraus ein noch wesentlicherer Vorteil für Mrs. Price. Mrs. Norris bemerkte oft zu den anderen, dass ihr ihre arme Schwester und deren Familie nicht aus dem Kopf ging; soviel sie alle auch für sie getan hatten, sie wollte anscheinend noch mehr tun; und zu guter Letzt konnte sie nicht umhin, offen zuzugeben, dass es ihr Wunsch war, die arme Mrs. Price von der Verantwortung und den Kosten für eines aus der großen Schar ihrer Kinder gänzlich zu befreien. Wie nun, wenn sie gemeinsam die Sorge für die Erziehung ihrer ältesten Tochter übernähmen, eines Mädchens von jetzt neun Jahren, einem Alter also, in dem sie mehr Aufmerksamkeit erfordere, als ihre Mutter ihr auch beim besten Willen geben könne? Die Mühe und die Kosten für sie fielen im Verhältnis zu der dadurch bewirkten Wohltat gar nicht ins Gewicht. Lady Bertram stimmte ihr auf der Stelle zu: »Ich finde, wir können nichts Besseres tun«, sagte sie. »Wir wollen das Kind holen lassen.«
Sir Thomas konnte seine Zustimmung nicht so spontan und ohne weiteres geben. Er widersprach und zögerte. Es sei eine schwere Verantwortung; wenn man ein Mädchen aufziehe, müsse man auch später angemessen für sie sorgen, sonst wäre es Grausamkeit und nicht Freundlichkeit, sie ihrer Familie wegzunehmen. Er denke an seine eigenen vier Kinder, an seine beiden Söhne, an verliebte Vettern usw. Aber kaum hatte er begonnen, seine Einwände im Einzelnen vorzutragen, da unterbrach ihn Mrs. Norris mit einer Antwort, die alle seine Argumente widerlegte – unabhängig davon, ob er sie vorgetragen hatte oder nicht.
»Mein lieber Sir Thomas, ich verstehe Sie vollkommen und ehre die Großzügigkeit und das Zartgefühl ihrer Empfindungen, die ja auch ganz Ihren sonstigen Einstellungen entsprechen, und ich stimme in der Hauptsache völlig mit Ihnen überein, dass es nämlich angebracht ist, alles zu tun, was man kann, um für ein Kind zu sorgen, für das man auf diese Weise die Verantwortung übernommen hat, und ich bin gewiss die Letzte, die bei solcher Gelegenheit nicht ihr Scherflein beisteuern würde. Da ich selbst keine Kinder habe, wem soll ich denn das Bisschen hinterlassen, das ich eines Tages zu vererben habe, wenn nicht den Kindern meiner Schwestern? Und Mr. Norris ist bestimmt zu großzügig … aber Sie wissen ja, ich bin eine Frau, die nicht gern große Worte und Bekenntnisse macht. Wir wollen uns nicht durch eine Kleinigkeit von einer guten Sache abschrecken lassen. Geben Sie einem Mädchen eine Erziehung und führen Sie sie richtig in die Gesellschaft ein, und ich wette zehn zu eins, dass sie die besten Voraussetzungen hat, sich gut zu verheiraten, ohne irgendjemandem weitere Ausgaben zu machen. Eine Nichte von uns, Sir Thomas, das darf ich wohl sagen, oder wenigstens von Ihnen, würde nicht ohne wesentliche Vorteile in unserer Gegend aufwachsen … Ich behaupte ja nicht, dass sie so vollkommen würde wie ihre Kusinen. Das will ich denn doch nicht behaupten, aber sie würde unter so ungewöhnlich günstigen Umständen in das gesellschaftliche Leben unserer Nachbarschaft eingeführt, dass sie nach menschlichem Ermessen dadurch eine passende Verbindung finden müsste. Sie denken an Ihre Söhne … aber wissen Sie denn nicht, dass das von allen Möglichkeiten die unwahrscheinlichste ist – so wie sie aufwachsen würden, immer zusammen wie Geschwister? Es ist nahezu ausgeschlossen. So etwas habe ich noch nie gehört. Ja, es ist die einzig sichere Methode, die Verbindung zu verhindern. Angenommen, sie ist ein hübsches Mädchen, und Tom oder Edmund würden sie in sieben Jahren zum ersten Mal sehen, dann gäbe es bestimmt Ärger. Der bloße Gedanke, dass sie so weit entfernt von uns allen arm und vernachlässigt aufwachsen musste, würde schon genügen, um einen der beiden lieben, zartfühlenden Jungen für sie entflammen zu lassen. Aber sorgen Sie dafür, dass sie mit ihnen gemeinsam aufwächst, und angenommen sogar, sie ist schön wie ein Engel, dann wird sie ihnen niemals mehr sein als eine Schwester.«
»Es steckt viel...