E-Book, Deutsch, Band 2, 320 Seiten
Reihe: Der große Roman
Autoren E-Book 7-12
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7409-2818-6
Verlag: Blattwerk Handel GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der große Roman Jubiläumsbox 2 - Liebesroman
E-Book, Deutsch, Band 2, 320 Seiten
Reihe: Der große Roman
ISBN: 978-3-7409-2818-6
Verlag: Blattwerk Handel GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das große Zeitalter des Romans lebt. Es kehrt zu uns zurück in Gestalt von Der große Roman. Was man in dieser romantischen, klassischen Ausgabe findet, ist ebenso natürlich wie außergewöhnlich spannend. Schicksale voller Emotionen und Gefühle erwarten die Leserschaft. Meisterhaft erzählt werden die Romane von bestsellerverdächtigen Schriftstellerinnen. Keine Leseprobe vorhanden. E-Book 1: Der Tyrann von Schloss Wildenstein E-Book 2: Die unerwünschte Gräfin E-Book 3: Spritztour ins Glück E-Book 4: Der einsame Baron E-Book 5: Ein Kind braucht Liebe E-Book 6: Dein schönster Tag, Komtess!
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Auf seinen Knotenstock gestützt humpelt Graf Stanislaus von Sanden zu seinem Lieblingsplatz, dem geschnitzten Lehnstuhl. Ächzend läßt er sich nieder. Seine Stirn ist in tiefe Falten gelegt. Unter den buschigen, eisgrauen Brauen hervor mustert er Gregor, seinen ältesten Sohn. Der junge Graf ist hochgewachsen und stattlich. Er ähnelt dem Vater sehr, hat die gleichen ausgeprägten Züge mit dem recht energischen Kinn und den scharfen grauen Augen. Das dunkle Haar fällt ihm etwas ungebärdig in die kantige Stirn. Für sein junges Alter – er hat die Dreißig noch nicht erreicht – wirkt er ein bißchen allzu ernst. Stanislaus von Sanden ist in seiner Jugend für seine Wildheit und seine vielen Liebesabenteuer bekannt gewesen. Darum wundert er sich oft, wie er zu so einem ernsthaften, mehr als pflichtbewußten Sohn kommt. Der Junge muß das von der Mutter haben, die stets mit einem griesgrämigen Gesicht herumgelaufen ist. Graf Stanislaus führte Henriette zum Traualtar, weil die Eltern darauf bestanden. Sein herrliches, ungebundenes Leben hatte er deswegen aber nicht aufgegeben. Und schließlich hatte seine Frau sich zu Tode gegrämt. Allzu traurig ließ sie den Gatten nicht zurück, nur der kleine Gregor weinte ihr viele Tränen nach. Jahre später lernte Stanislaus von Sanden dann Melanie von Ottersberg kennen und empfand zum ersten Male heiße, verzehrende Liebe. Melanie wurde seine zweite Frau und schenkte ihm ebenfalls einen Sohn. Und noch heute wird das lebenslustige, extravagante Geschöpf von dem alternden Grafen sehr verehrt. Daran ändert nichts, daß sie sich um den Kränkelnden herzlich wenig kümmert, sondern ihrer Wege geht. Genau wie Lothar, beider Sohn, der das überschäumende Temperament und den Leichtsinn von der Mutter erbte. Wie unterschiedlich meine Söhne sind, denkt der Graf gerade. Weiß Gott, Lothar ist mir lieber, auch wenn er mein ganzes Geld auf den Kopf haut. Gregor mit seiner Gefühlsduselei und seinem überspannten Ehrgefühl geht mir auf die Nerven. Immer, wenn ich ihn sehe, ist mir, als sähe Henriette mich aus vorwurfsvollen Augen an! »Ist dir auch warm genug, Vater?« fragt ihn Georg besorgt, weil er bemerkte, daß der Graf fröstelnd die mageren Schultern hochgezogen hat. »Hm«, knurrt Stanislaus von Sanden. »Du kannst mir meinen Tabaksbeutel und einen Kognak geben.« »Bitte nicht, Vater – zumindest nicht so dicht vor dem Essen. Erst gestern hat es dir der Arzt verboten.« Wütend stampft der alte Mann mit dem Knotenstock auf die Erde. »Gönnt man mir in diesem Haus denn gar nichts mehr?« In Gregors hohe Stirn ist helle Röte gestiegen. »Ich meine es doch nur gut, Vater.« »Das ist nicht nötig, ich will meine Pfeife und den Kognak. Entweder du gibst mir beides, oder ich muß es mir selber holen.« Mit einem heimlichen Seufzer kommt Gregor der Aufforderung nach. Er kennt den Eigensinn und den Jähzorn des Vaters nur zu gut. Es hat keinen Zweck, ihn zu reizen. »Schenk das Glas voller, wir sind nicht in einem Wirtshaus.« Gregor tut auch das. »Und du? Hältst du nicht mit?« »Danke, Vater, nicht vor dem Abendbrot.« Ein spöttisches Gelächter kommt von Stanislaus von Sandens Lippen. »Als wenn du dir jemals etwas aus Alkohol machtest! Hast du überhaupt schon mal einen Rausch gehabt?« Ernst erwidert Gregor den unfreundlichen Blick. »Nein, Vater. Ist das denn schlimm?« Der Graf brummt etwas vor sich hin, dann stürzt er das goldene Getränk hinunter. Lauschend beugt er den grauen Kopf nach vorn. »War das der Wagen?« Gregor ist ans Fenster getreten und schaut hinaus. Ein winziges Lächeln huscht um seinen Mund, als er sieht, wie Lothar die Mutter aus dem Auto hebt und über den Schnee trägt, damit sie keine nassen Füße kriegt. »Ja, es sind Mutter und Lothar!« »Endlich«, knurrt Graf Stanislaus, doch seine Züge sind längst nicht mehr so griesgrämig wie eben noch. Er ist ja daran gewöhnt, daß die Gattin ihn warten läßt. Und jedesmal ist er wieder froh, wenn ihre helle Stimme dann durch das große stille Haus schallt. Ihr und seinem Jüngsten, dem Lothar, würde er alles verzeihen! Die Tür fliegt auf. Die beiden darauf Eintretenden bringen einen leicht frischen Hauch von kalter Schneeluft mit. Beide eilen sofort auf den Kamin zu und reiben sich die Hände. »Nabend, Alterchen«, sagen sie wie aus einem Mund. Graf Stanislaus hascht nach der Hand seiner Frau und preßt diese an seine eingefallene Wange. »Wo warst du, Melly?« Sie lacht eine ganze Skala von hellen und dunklen Tönen, die sich perlend aneinanderreihen. »Bei der Schneiderin war ich, mein Lieber, und beim Friseur. Und dann hat mich Lothar abgeholt und in die Konditorei eingeladen. Wer uns nicht kennt, hat uns sicher für ein Liebespaar gehalten.« »Jung genug siehst du noch aus, Melly«, sagt Graf Stanislaus mit Stolz. »Aber unser Luftikus« – er blinzelt Lothar zu – »hat sicher doch noch etwas Knusprigeres im Auge, was?« »Vielleicht«, gibt der jüngste Graf von Sanden ungeniert zu. Wie er da so neben seinem Bruder steht, wird der Unterschied zwischen ihnen sehr deutlich. Er hat ein fast zu hübsches und zu weiches Gesicht, zwei strahlend blaue Augen und einen Kopf voll blonder Locken. »Ich bin halb verhungert, wann gibt es endlich etwas zu essen?« »Der Gong hat schon vor einer halben Stunde gerufen«, wirft Gregor seelenruhig ein. Die Mutter wirbelt zu ihm herum. »Keine Vorwürfe, wir haben uns beeilt, so sehr wir konnten, nicht wahr, Lothar?« »Natürlich, Mama.« Fünf Minuten später sitzen sie bei Tisch. Auch hier führen fast ausschließlich Gräfin Melanie und Lothar die Unterhaltung. Stanislaus von Sanden hört der Gattin und dem Lieblingssohn zufrieden zu, während Gregor mit den Gedanken woanders ist. Auf seinen Schultern ruht die ganze Last des großen Gutsbetriebes. Der Vater ist durch sein Rheuma zu körperlicher Arbeit nicht mehr zu gebrauchen, Lothar hat andere Dinge im Kopf als ernsthafte Beschäftigung. Gregor von Sanden schuftet ohne einen Laut der Klage. Er liebt Gut Sanden mit seinen saftigen Wiesen und Ackern, liebt jedes Tier in den blitzblanken Ställen. Und er liebt auch seine Familie – den brummigen Vater, der ihm selten ein gutes Wort gönnt – die hübsche Stiefmutter, die ihn nur zur Kenntnis nimmt, wenn sie einen Auftrag für ihn hart und den jüngeren Bruder, für dessen Streiche er schon als Kind Prügel beziehen mußte. Ach, wenn er so leichtlebig und fröhlich wie der Bruder sein könnte! Gregor wünscht sich oft, es Lothar gleichzutun. Aber er kann nicht über seinen Schatten springen. Und so wird es immer dabei bleiben: Lothar ist der Vorzug der Eltern, er der Sündenbock! Gräfin Melanie scheint wirklich einen angenehmen Nachmittag verbracht zu haben. Nach dem Essen erklärt sie sich bereit, mit dem Gatten eine Partie Schach zu spielen. Stanislaus von Sanden tätschelt dafür zärtlich ihre Hand. Die Brüder schlendern hinüber in die Bibliothek. Hier wirft Lothar sich sogleich mit einem Buch auf den bequemen Diwan. Gregor zieht verwundert die dunklen Augenbrauen in die Höhe. »Nanu, Kleiner, willst du etwa heute zu Hause bleiben?« Lothar gähnt und rekelt sich. »Es ist mir draußen zu kalt, hier drinnen ist es so gemütlich. Na ja, einen Abend werden die süßen, kleinen Mädchen schon ohne mich auskommen, meinst du nicht auch, Großer?« »Hoffen wir, daß keiner das Herz brechen wird. Ich staune sowieso, wie du mit deinem Stundenplan zurechtkommst. Verwechselst du die Mädchen nicht?« »Keineswegs, sie haben alle ihre niedlichen Eigenarten. Wenn du es nicht glaubst, warum kommst du nicht mal mit? Ich trete dir gern einen von den goldigen Käfern ab, Bruderherz.« Lachend winkt Gregor ab. »Nein danke, für Ware aus zweiter Hand bin ich nicht zu haben.« »Die du lieb haben könntest, die müßte wohl noch erst geboren werden?« Darauf gibt Gregor keine Antwort. Aber in seine Züge ist ein so versonnener oder sogar sehnsüchtiger Ausdruck getreten, daß Lothar von Sanden den älteren Bruder verwundert betrachtet. »Nanu, sollte tatsächlich ein Mädchen existieren, das du für würdig befindest, deine Frau zu werden? Du bist ein verdammter Geheimniskrämer, Großer!« »Ach was«, murmelt Gregor und dreht sich so, daß man nicht mehr in sein Antlitz schauen kann. »Viel Spaß bei deinem Buch, ich mache noch meinen allabendlichen Rundgang.« »Was, bei der schneidenden Kälte?« »Die macht mir nichts aus. Bis später, Kleiner.« Gregor zieht sich einen warmen Mantel mit einem Pelzkragen an. Dann geht er in den Zwinger und holt sich die beiden goldbraunen Setter. Jaulend vor Freude springen die Tiere an ihm hoch. »Ist ja gut, Gardy – nicht so wild, Pitter! Ja, ich laß euch von der Leine, ihr sollt euch richtig austoben dürfen!« Der Schnee knirscht unter den Füßen, der Wind schlägt Gregor schneidend ins Gesicht. Aber er hält den Kopf hoch erhoben und freut sich an den Freudensprüngen der Hunde. Immer weiter entfernt er sich von Gut Sanden. Als wüßten sie Bescheid, schlagen Gardy und Pitter den Weg zum Wald hinüber ein. Täglich macht Gregor diese Runde. Und immer verweilt er dann in der Nähe des Försterhauses. Er geht nicht hinein, er starrt nur auf das kleine erleuchtete Fenster, an dem manchmal ein schmaler Schatten vorüberhuscht. Dann seufzt er meistens und überlegt, ob er Förster Seeberg nicht begrüßen soll. Aber noch jedesmal dreht er sich dann um und stapft zurück. Es ist ja nicht der Förster, der...