E-Book, Deutsch, 204 Seiten
Aysa / Kastenholz / Nietsch Blutgrütze 5
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7487-0744-8
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Unappetitliche Geschichten
E-Book, Deutsch, 204 Seiten
ISBN: 978-3-7487-0744-8
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Und noch immer finden sich in der BLUTGRÜTZE die geilsten, kranksten und - subjektiv - aller-allerbesten unappetitlichen Stories, mit der die Hardboiled-Autorenschaft deutscher Zunge aufwarten kann. Wir nehmen uns nicht so ernst. Aber ihr dürft uns ernst nehmen. Denn wir wollen euch SCHOCKEN, EKELN, ERSCHRECKEN, ENTSETZEN, ANWIDERN und vor allem eines: MEGAMÄSSIG unterhalten! Glaubt ihr nicht? Müsst ihr halt lesen ... INHALT: Vertigo Stray Cat - Das Vermächtnis der Katzenaugen Lothar Nietsch - Susis Herz Mathias Ramtke - Der Gott der Verfressenen Marcel Hill - Dämon Georg Bruckmann - Kommt ein Mann in eine Bar ... Doris E. M. Bulenda - Ganz besonderes Blut Savannah Vincent - Mommy's Boy Markus Kastenholz - Hinter einer blauen Tür David Heine - Fotzenfilet John Aysa - Master and Fucking Commander Alisha Godoy - Viktors Destiny Ralf Kor - Haut
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Vertigo Stray Cat - Das Vermächtnis der Katzenaugen
Vertigo Stray Cat Das Vermächtnis der Katzenaugen Geschwisterkampf Morgendliche Sonnenstrahlen blitzten auf der Stricknadel, mit der Agnes lustlos im dicken, zur Hälfte geöffneten Körper der Riesenkrabbenspinne herumstocherte, die sie vor Stunden auf Marius’ Frühstücksbrett gepinnt hatte. Inzwischen war der Vorderleib – oder Prosoma, wie ihr ach so gebildetes Brüderchen dazu sagen würde – kaum noch zu erkennen. Die Augen lagen auf dem Rand des verschlissenen Holzbrettchens und glotzten Agnes ungläubig an. Den Knubbel selbst hatte sie sorgsam zermatscht und sich wie ein Kind an dem Geräusch erfreut. Mundwerkzeuge und sieben Füße, die sie allesamt mit einer Kuchengabel abgetrennt hatte, rahmten die Spinnenpampe ein. Wo Beinchen Nummer Acht abgeblieben war, konnte sie sich nicht erklären. In den Taschen ihrer geblümten Schürze suchte sie jedenfalls vergebens danach. Den Hinterkörper der Spinne hatte Agnes weniger systematisch behandelt, sondern stattdessen nur in der Mitte aufgestochen, um das Innere nach außen zu schaben. Seit Tagen freute sie sich auf heute, doch ihr Bruder, der kleine Prinz, verschlief natürlich wieder alles. Ungeduldig sah sie sich in der winzigen Küche um. Der weiße Plastiktisch zwischen den beiden Klappstühlen war für zwei gedeckt, und selbst nach einem Jahr fühlte sich das noch falsch an. Die Küchenzeile und selbst der Boden in dem Sieben-Quadratmeter-Stübchen waren so sauber, dass sie gar kein Essgeschirr gebraucht hätten. Schließlich hatte sie die halbe Nacht geputzt und geschrubbt, während Brüderchen sich vergnügte. Angeblich war er noch bis spät im Büro, aber das sagten sie alle, nicht wahr? Endlich vernahm sie das Schleifen der Schlafzimmertür, die für den flauschigen Teppich, auf den Marius bestanden hatte, etwas zu tief hing. Nach wenigen Minuten – Agnes hörte die Klospülung, den Wasserhahn und noch einmal den Wasserhahn – kam das, worauf sie gewartet hatte: Der gellende Schrei ihres Bruders, gefolgt von einem herzzerreißenden Wimmern. Erneut lief das Wasser gurgelnd die Leitungen in den dünnen Wänden hinab, nur diesmal nahm es kein Ende. Brüderchen stellt sich wieder an, mutmaßte Agnes. Es dauerte noch fast zehn Minuten, bis Marius sich an der hässlichen Tapete des Flurs entlang schob, um die Ecke bog und schließlich vor ihr stand. Wie immer war er mit einer spießigen Anzughose und einem kurzärmeligen Poloshirt bekleidet, beides in dezenten Farbtönen und unfassbar durchschnittlich. Er hielt ein Taschentuch unter sein tränendes, linkes Auge, das so rot wie rohes Fleisch war. Marius kreischte sie an: »Was hast du getan, was hast du nur getan?« Agnes brach in dröhnendes Gelächter aus und äffte ihn nach. Dann versetzte sie ihm eine schallende Ohrfeige, in der Hoffnung, dass sein rechtes Auge nun auch wässrig wurde. Als das nicht der Fall war, schlug sie noch einmal mit der Rückhand zu. Ihre Knöchel schmerzten von dem harten Aufprall auf den hohen Wangenknochen ihres gleich nicht mehr so hübschen Brüderchens, das zurücktaumelte und sich im Flur auf den dürren Arsch setzte. Offenbar unschlüssig, ob er seine rote Wange oder doch lieber das mit Nagellackentferner benetzte Auge betatschen sollte, ließ Marius schließlich die Arme auf den Boden sacken und sprach mit ungewohnt tiefer Stimme: »Agnes. Hör auf damit! Das bist nicht du, das ist er!« Und das hätte er besser nicht gesagt, denn niemand schrieb ihr vor, wie sie war, insbesondere nicht ihr verkorkster Bruder, der ihr das Wichtigste in ihrem Leben genommen hatte: ihren Vater. Egal, wie sehr Marius sich selbst und alle anderen betrog - er war ein Mörder. Ein dummes Kind, das bis zuletzt nicht verstehen wollte, welches Geschenk ihm Weinher gemacht hatte. »Hast du etwa nicht gerochen, worin deine Kontaktlinsen die ganze Nacht gebadet haben? Ach, ich vergaß. Das kannst du ja gar nicht. Du warst ja schon immer so ein undankbares Stück Scheiße und hast wenigstens einmal dafür die Quittung bekommen.« Marius wimmerte und schüttelte immerzu den Kopf. Wie gern erinnerte sich Agnes an diese Nacht, in der Papa den Hinterkopf ihres kleinen, süßen Brüderchens gegen die Bettkante geknallt hatte. Damals hatten sie noch ein gemeinsames Kinderzimmer gehabt, sodass sie alles mitansehen konnte. Es war nicht Papas Schuld gewesen, wirklich nicht. Ein paar Tage später behauptete Marius, nicht mehr riechen zu können. Der Arzt sprach von abgerissenen Riechfasern und Anosmie, der Papa von einer längst überfälligen Lektion – wie Recht er doch hatte. Agnes ging in die Hocke und wischte dem kleinen Prinz ein paar Strähnen aus der Stirn. »Hast du etwa vergessen, was heute für ein Tag ist?« Als sich die Augen ihres Gegenübers vor Schreck weiteten, nickte Agnes und grinste, bevor sie ihrem Bruder mit der Faust ins Gesicht schlug. Marius kippte nach hinten und schlug hart mit dem Kopf gegen die Tür zu Agnes’ Schlafzimmer. »Genau, Zahltag. Aber erst sollten wir frühstücken, findest du nicht?« Es dauerte einige Zeit, bis sich Marius’ Sicht soweit klärte, dass er sie wieder fokussieren konnte. Im gleichen Augenblick ranzte Agnes ihn an: »Steh auf und schwing deinen süßen Arsch in die Küche. Ich habe mir so viel Mühe für dich gegeben.« Er wusste aus Erfahrung, dass es in solchen Momenten keinen Sinn hatte, mit ihr zu diskutieren – wenigstens das hatte sie ihm beigebracht - und berappelte sich. Zunächst stand er wacklig auf den Beinen, aber dann schaffte er es einigermaßen unfallfrei, den Fliesen in den kleinsten Raum der Wohnung zu folgen. Erwartungsvoll ging sie hinterdrein, wobei sie sich beherrschen musste, durch ihr Lachen nichts vorwegzunehmen. Ohne seine Kontaktlinsen sah Marius kaum über eine Handlänge hinaus, und an die Ersatzbrille hatte er in all dem morgendlichen Entsetzen offensichtlich nicht gedacht. Daher musste Agnes sich viel zu lange gedulden, bis er endlich nah genug am Tisch stand, um Flipper zu sehen. So einen dämlichen Namen konnte sich auch nur er für eine Riesenkrabbenspinne ausdenken. Sie und Flipper hatten mehr als eine Rechnung offen gehabt. Sie fühlte immer noch seine behaarten Beine an ihrer Muschi, die suchend umher tasteten, als sie betrunken auf dem Klo saß und versuchte, beim Pinkeln nicht von der Schüssel zu fallen. Erst hatte sie gedacht, dass eines ihrer langen schwarzen Haare in ihren Schamlippen hing und nun ziepte, weil ihre Pisse darüber lief und es beschwerte. Da es selbst in ihrem besoffenen Schädel keinen Sinn ergab, wie das Haar so dick sein konnte und sich in ihrer Muschi verkriechen wollte, sah sie nach unten und damit dem Scheißvieh direkt ins Gesicht. Sie hatte geschrien, war aufgesprungen und hatte dabei die Klobürste umgeschmissen, wodurch das billige Metall der Hülle über die Fliesen kratzte. Zwischen ihren Schenkeln lief die Pisse in Strömen runter, und die riesige Spinne verbiss sich in ihrer Klit. Mit beiden Händen versuchte sie, die Kieferklaue von ihrem empfindlichen Fleisch zu lösen. Ihr wurde übel vom Schmerz, alles drehte sich, und so knallte sie halbnackt auf den Boden, immer noch mit der Spinne zwischen den Beinen. Als hätte sie urplötzlich das Interesse an ihrer Muschi verloren, trippelte das Vieh daraufhin weg, als sei nie etwas vorgefallen. Die Welt hielt endlich an, und nachdem sie Marius’ Zahnbürste in der kleinen Pfütze gebadet hatte, nahm Agnes einen Waschlappen, um die Pisse von ihren Beinen und dem Boden wegzuwischen. Mit aller Kraft warf sie ihrem schlafenden Bruder das nasse, stinkende Stück Stoff ins Gesicht, bevor sie fluchend in ihr eigenes Bett fiel. Seine Reaktion wäre ohnehin enttäuschend gewesen. Heute war das anders: Sobald er die Formen auf dem Frühstücksbrett erkannte, schrie er entsetzt auf. Mit zusammengekniffenen Augen kam er Flippers Überresten so nahe, dass er sie hätte einatmen können. Zärtlich fuhr er mit seinen Fingern die Spinnenbeine nach und sah dann zu ihr auf. Agnes hatte mit allem gerechnet, mit Vorwürfen, Geflenne bis zum Heulkrampf oder einer Panikattacke, aber nicht mit dem kalten Blick in dem ansonsten ausdruckslosen Gesicht. »Das wirst du bereuen.« Agnes verfiel in dröhnendes Gelächter, trat näher heran und warf den billigen Tisch mit den Überresten von Flipper um. Dann setzte sie sich, nackt, wie sie unter ihrer Schürze war, und breitbeinig auf Marius’ Schoß. Seine erfolglosen Versuche, sie daran zu hindern, quittierte sie mit einem abfälligen Schmunzeln. »Werde ich das, Brüderchen? Bist du dir da ganz sicher?« Ihre Gesichter waren sich so nahe, dass sie seinen süßen, von der Zahncreme leicht minzigen Atem roch. Das lange Schweigen interpretierte sie als Eingeständnis seiner Schwäche, doch als sie ausholte, um ihn ein weiteres Mal zu ohrfeigen, fasste er sie am Handgelenk und hinderte sie am Schlag. Er hatte nicht genug Kraft, sie von sich zu schubsen, aber sie schaffte es auch nicht, ihren Arm zu...