E-Book, Deutsch, 384 Seiten
Babitz Eve’s Hollywood
Erscheinungsjahr 2018
ISBN: 978-3-641-22644-2
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 384 Seiten
ISBN: 978-3-641-22644-2
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Journalistin, Partygirl, Künstlerin, Muse: Bis zu ihrem dreißigsten Lebensjahr hatte Eve Babitz bereits jede dieser Rollen inne. Schon als Kind war sie Teil der kulturellen Bohème Kaliforniens. Zu erster Berühmtheit gelangte sie als nackte Schönheit am Schachtisch mit Marcel Duchamps und als eine von Ed Ruschas Five 1965 Girlfriends. Doch ihr erstes Buch zeigt Babitz als Schriftstellerin mit eigener Stimme und eigenen Geschichten. So erzählt sie von entzückenden Highschool-Schönheiten, beneidenswert tätowierten Chicanas und Rockstars, die ihren Rausch im Chateau Marmont ausschlafen. In ihren scheinbar beiläufigen Anekdoten verdichten sich Glamour, Witz und Tragik auf einzigartige Weise. Hier lernen wir die wahre Schönheit von Los Angeles kennen: Zitrusbäume wiegen sich im Wind, immer bis zum nächsten Erdbeben.
Eve Babitz wurde 1943 in Hollywood geboren. Ihre Mutter war Künstlerin, ihr Vater der Violinist Sol Babitz. Sie schrieb für Zeitschriften wie Ms. und Esquire und gestaltete Albencover für The Byrds, Buffalo Springfield und Linda Ronstadt. Eve’s Hollywood ist das erste von sieben semi-autobiografischen Büchern, in denen sie die kulturelle Bohéme von Los Angeles beschreibt.
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EINFÜHRUNG
Für jene von uns, die in den 1960ern im Nordosten der USA aufwuchsen, war Kalifornien ein fremdes Land und Los Angeles seine Hauptstadt. Die echten Hauptstädte fremder Länder wie London oder Paris wirkten vertrauter. An der Wurzel unseres tiefen Misstrauens lag die Überzeugung der Yankees, dass das Wetter eine definierende Wirkung auf die Bildung des menschlichen Charakters hat – die rauen Winter impfen jenen, die ihnen standhalten müssen, calvinistische Härte ein, während ewige Sommer unweigerlich die Moral und den Arbeitswillen angreifen. All die in Flammen stehenden Hügelketten und die Erdbeben, die das Geschirr klirren ließen, waren uns biblische Mahnungen, dass in L.A. von Anfang an keine Menschen leben sollten – Mahnungen, die von den dortigen Bewohnern unbeachtet blieben, einem Haufen eingefleischter Hedonisten, die nur für den Moment lebten und Europa und der Vergangenheit den Rücken zugekehrt hatten, während sie in den Sonnenuntergang blickten und aufs Meer.
Um es kurz zu machen: Nichts von dem, was wir über L.A. wussten, ließ uns glauben, dass an diesem Ort ernsthafte Literatur entstehen könnte. Bis jemand das Gegenteil bewies und zu Ruhm gelangte mit der vollendeten Ausführung des einfallsreichen, hochpersönlichen Journalismus, der die 70er dominierte. Das war Joan Didion, deren Name neben dem ihres Ehemannes in der ausführlichen Widmung auftaucht, mit der Eve Babitz ihr Buch beginnt: »Für die Didion-Dunnes, weil sie sein müssen, was ich nicht bin.« Didion hatte sich mit John Gregory Dunne nach New York verdrückt, und von diesem entfernten Beobachtungspunkt aus schrieb sie über Los Angeles auf eine Art, die uns im Nordosten schmeichelhaft glauben ließ, dass wir von Anfang an recht gehabt hatten.
Es war Eve Babitz, die schließlich – ohne sich dafür zu entschuldigen – eine Sprache fand für L.A.s einzigartige Anziehungskraft und die mittlerweile fade gewordene Idee von der Stadt als kultureller Ödnis beerdigte. Dafür war sie im höchsten Maße qualifiziert. Mit einem Vater, der ein Musikologe war und ein bei Twentieth Century Fox unter Vertrag stehender Violonist, einer Mutter, die Künstlerin war, und mit Igor Strawinsky als Patenonkel wuchs Eve Babitz von einem illustren Kreis familiärer Freunde umgeben auf, zu dem Edward James gehörten, Joseph Szigeti, Eugene Berman, Marilyn Horne, Kenneth Roxroth und Kenneth Patchett, mit Dichterlesungen im Wohnzimmer und Premieren von Arnold-Schönberg-Stücken unter Palmen.
Doch diese Tochter von Bohemiens war auch ein Kind dieses Hollywoods in all seiner damaligen schillernden Großartigkeit, bevor eine Shopping Mall das Garden of Allah Hotel ersetzte, in das Eve und ihre Freundin Sally, zwei Jungfrauen mit gefälschten Personalausweisen, zum Trinken gingen, und um ihre Reize an Männern auszuprobieren, die doppelt so alt waren wie sie. Die Illusion – ein Palmenwald aus Pappmaschee in einem Nachtclub, ein Restaurateur, der behauptete, mit dem letzten russischen Zar verwandt zu sein – wurde Realität, wenn ein Quorum daran glaubte. Und man musste einfach die Kühnheit bewundern, die Fantasie, den Glanz der Verkleidung. An der Hollywood High, Babitz’ Alma Mater, war das Maskottchen kein für seine Kampfkraft bekanntes Tier, wie es der Tradition von Sportmannschaften entsprach, sondern die Hauptfigur des Rudolph-Valentino-Films Der Scheich – ein arabisches Stammesoberhaupt, gespielt von einem zwitterhaften italienischen Schauspieler. Die Verführung und der Glamour waren in Eve Babitz’ tägliches Leben eingewoben und haben sie geprägt.
Sie verehrte Marilyn Monroe, mischte sich unter die Menge, die zusah, als sie ihre Hände in den nassen Zement vor dem Grauman’s Chinese Theatre drückte, und war wütend, wenn mal wieder Arthur Millers Genie gepriesen wurde und alle Marilyns Intelligenz ignorierten. Wie die Monroe muss auch Eve Babitz ihr Kontingent an Männern gehabt haben, die zu ihrem Busen sprachen. Wenig wussten sie von dem Hirn, das sich nur ein Stück weiter nördlich von diesen prächtigen Brüsten befand und das Hirn einer zukünftigen Schriftstellerin war, die von ihren Kolleginnen und Kollegen bewundert werden würde. »Ich war hübsch und klug und voller Verachtung und Ungeduld«, sagt sie über ihr Teenager-Selbst. Das sind, wie sich herausstellen sollte, gute Voraussetzungen für das Schreiben, wie auch ihr Aussehen, mit dem sie »eine Spionin im Land der Privilegierten« sein konnte, Mitglied einer Elite, zu der sie, darauf besteht sie, nie wirklich gehört hat.
Die Monroe mag ihr Vorbild gewesen sein, aber es war Brigitte Bardot, der sie ähnelte. Man sieht es auf dem Foto aus ihrem Highschool-Jahrbuch – das blonde, zerzauste Haar, das herzförmige Gesicht, die schwarz umrahmten Augen. Während die meisten Teenager der Welt frontal begegnen und erwartungsvoll in die Zukunft blicken, geht Babitz’ Blick zur Seite, wo sie ein stummes, komplizenhaftes Lächeln austauscht mit jemandem, der sich außerhalb des Rahmens befindet. Das passt zu dem vertraulichen Ton, der Eve’s Hollywood wie eine Serie aus Selbstgesprächen wirken lässt, vorgetragen von einer Freundin bei fruchtigen Drinks in einer dunklen Ecke des Luau, eines polynesischen Restaurants, das Strawinskys liebstes war.
Niemand schreibt besser über die Highschool und den schwach beleuchteten Übergang von der Unschuld zum Erwachsensein als Babitz. Gewissenhaft, unsentimental, aber mitfühlend mit ihrem alten Ich, dokumentiert sie jenen kurzen Abschnitt weniger Jahre, wenn flügge gewordene Geister versuchen, sich einen Reim auf Autoritäten zu machen, auf soziale Hierarchien, Ungerechtigkeiten – und Sex. Vor dem Hintergrund ihrer eigenen bourgeoisen Klaustrophobie sind es die Outlaws (James Dean als der Prototyp und ihr Held), die Babitz faszinieren und Respekt einflößen. Angezogen von dem Kraftfeld, das Aces Butler umgab, einen Problemschüler mit falschem Namen, mangelhafter Einstellung und einem stratosphärischen IQ, macht sie sich daran, sein Charisma zu vermessen: »Wer in unserer ausgehungerten Kolonie hätte der Art widerstehen können, mit der er seinen Kopf zurückwarf und sich mit unerhörter Ausgelassenheit auf den Oberschenkel schlug? Er trug Schwarz, schwarze Motorradjacke, schwarze Hemden, schwarze Levi’s und schwarze Boots, seine von schwarzen Wimpern umrahmten stechenden Augen funkelten all jene Konzepte mit purem Hass an, die irgendwas mit ›nur zu deinem Besten‹ zu tun hatten oder mit Menschen, ›die es besser wissen‹.«
Babitz interessiert sich für Macht und lernt von Aces, dass Selbstbeherrschung eine ihrer Quellen ist. Schönheit ist eine andere. Die Mädchen an der Hollywood High waren schön, »außerordentlich schön. Und es gab ungefähr 20 von ihnen, die dich einzeln um den Verstand bringen würden. Zusammen aber – und sie blieben meistens zusammen – waren sie der Untergang jeder ernsthaften schulischen Bestrebung im konventionellen Sinne, und jeder wusste das. Sie waren zu schön für eine Highschool …« Für diejenigen unter uns, die sich schon immer darüber gewundert haben, warum es in Südkalifornien einen so überproportional hohen Anteil an hinreißenden Frauen gibt, hat Babitz eine höchst logische Erklärung: »Dies waren die Töchter von schönen, mutigen und leichtsinnigen Menschen, die ihr Zuhause verlassen hatten und zu den Filmträumen gereist waren. Während der Großen Depression, als die meisten von ihnen hierhergekommen waren, gingen die Leute mit Hirn nach New York und die mit dem Aussehen in den Westen.« Los Angeles wurde also zu einem Experiment in genetischer Selbst-Selektion – einer Brutstätte für körperliche Perfektion, wo sich die Schönen mit den Hübschen paarten und zukünftige Generationen zeugten, die exponentiell besser aussehen als die davor.
Und hier ist Babitz und staunt über die unerträgliche Unaufrichtigkeit, die endemisch zu sein scheint für diese Superrasse: »Die Besitzer von Schönheit sind wortkarg, was ihre Privilegien angeht, oder tun so, als sei es reines Glück gewesen, dass ihnen der Polizist keinen Strafzettel gegeben hat, als habe sie nur irgendein ›netter Herr‹ an der Zollkontrolle einfach durchgewinkt, ohne dass sie Schlange stehen mussten. Schönheit scheint anders als Reichtum nicht in der Lage zu sein, die Quelle ihrer Macht zu erkennen. Sogar Talent weiß, dass es besonders ist und warum es auf die Party eingeladen wurde.«
Ihre Reflexionen über Schönheit und die damit verbundenen Vorrechte mögen einige Leser und Kritiker dazu verleitet haben, Babitz fälschlicherweise für ein Leichtgewicht zu halten, für eine Autorin, die über sogenannte Frauenthemen wie Diäten, Aussehen, Mode, Make-up, Freundschaft und Liebe schreibt. Zuweilen wurde behauptet, sie habe das Schreiben nicht ernst genommen, als hätte sie die Jacaranda in ihrem 1979er-Roman Sex and Rage nach sich selbst modelliert, eine Hauptfigur, die nur schreibt, damit sie tagsüber was zu tun hat.
Wie Didion, die weiterhin über Politik schreibt und andere Themen, die »seriösen« Journalismus ausmachen, zog auch Babitz nach New York, wo sie Yvette Mimieux begegnete – an die sie sich aus den Mittagspausen in der Kantine der Junior High erinnerte. Selbst damals, schreibt Babitz, »wussten alle, dass sie das Zeug zum Filmstar hatte«. Dieses schöne Mädchen »war der geborene Star«. Und da waren sie nun, Jahre später, nachdem »Yvette entdeckt worden war und ich andere Leben entdeckt hatte, die es auszuprobieren galt«.
Einige dieser Leben werden hier angedeutet, auch wenn Babitz vage bleibt. Für weitere Informationen wenden wir uns anderen Quellen zu. Jeder Artikel über sie kommt früher...