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E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 272 Seiten

Reihe: Kommissar Brandner

Baecker Irrwege

Schwaben Krimi
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-86358-671-3
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Schwaben Krimi

E-Book, Deutsch, Band 1, 272 Seiten

Reihe: Kommissar Brandner

ISBN: 978-3-86358-671-3
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Kommissar Branders freies Osterwochenende ist mit dem Fund einer Leiche definitiv vorbei. Ein Jogger wurde mit zwölf Messerstichen brutal ermordet. Doch Brander und sein Team von der Tübinger Kriminalpolizei finden in dem soliden Leben des Ermordeten weder ein Motiv für die Tat noch eine Spur zum Täter. Die einzige mögliche Zeugin steht unter Schock, und der Trainingspartner des Opfers bringt Brander mit seiner Arroganz an die Grenzen seiner Geduld. Schon bald hat Brander das Gefühl, in einem Labyrinth zu stecken.

Sybille Baecker, geboren 1970 in Thuine, aufgewachsen in Gronau (Westfalen). Studium der Betriebswirtschaftslehre in Münster und Neu-Ulm, anschließend einige Jahre als IT-Prozessingenieurin in einem amerikanischen Unternehmen tätig. Heute lebt sie in der Nähe von Tübingen und arbeitet als Pressereferentin eines Sportfachverbandes in Stuttgart.
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Karsamstag

Andreas Brander hatte es sich auf dem Sofa im Wohnzimmer bequem gemacht. Er trug seine Lieblingsjogginghose und ein frisch gewaschenes T-Shirt. In seiner Linken hielt er ein Glas Whisky. Einen vierzehnjährigen Oban, ein Weihnachtsgeschenk seiner Eltern. Er atmete das rauchig-würzige Aroma ein, nippte am Glas und genoss den torfigen Geschmack. Im Hintergrund lief leise Bluesmusik von Muddy Waters, gemeinsam mit dem schottischen Single Malt war das der perfekte Anfang für einen entspannten Abend. Sein Blick schweifte von der goldbraunen Flüssigkeit über seinen Körper. Die lässige Kleidung versteckte den kleinen Bauchansatz, der sich in den letzten Jahren hartnäckig festgebissen hatte. Er schob das T-Shirt zurück, zog seinen Bauch ein und drückte abschätzend mit dem Zeigefinger in die Speckröllchen. Er sollte wieder mehr Sport treiben, sonst würde aus dem leichten Ansatz bald ein richtiger Bauch werden. Zu viel Arbeit, vielleicht war er auch ein bisschen träge geworden. Wann war er das letzte Mal joggen gegangen? Das war sicher ein halbes Jahr her, glaubte er sich zu erinnern. Dabei lag der älteste Naturpark Baden-Württembergs direkt vor seiner Tür. Er müsste lediglich seine Laufschuhe anziehen und loslaufen.

Die Doppelhaushälfte, die er mit seiner Frau gekauft hatte, lag am Ortsrand von Entringen am Ende einer Sackgasse. Über einen Feldweg konnte er leicht zu den Obstwiesen gelangen, und nach wenigen hundert Metern, die zwar stetig bergauf führten, aber durchaus zu bewältigen waren, wäre er schon im Schönbuch, umgeben von zahllosen Eichen und Buchen und munterem Vogelgezwitscher. Aber das Wetter war in den letzten Monaten nicht besonders einladend gewesen. Der vergangene Winter hatte viel Schnee gebracht, bis weit in den März hinein. Nachdem der Schnee endlich geschmolzen war, hatte sich ein kalter, ungemütlicher Dauerregen breitgemacht, der eher an Herbststürme als an Frühling erinnerte. Auch das trug nicht zu seiner sportlichen Motivation bei. Wenn es in den nächsten Tagen besser würde, könnte er sich am Montag vielleicht zu einer Runde durch den Wald überreden. Ja, warum eigentlich nicht?

Cecilia kam herein und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als sie ihn mit eingezogenem Bauch und kritischem Blick auf dem Sofa sitzen sah. Sie schien ihre frauliche Figur mit den sanften Rundungen über all die Jahre beinahe mühelos zu halten. Die ersten grauen Strähnen verbarg eine dunkle Tönung.

»Ceci, ich werde dick«, stellte Brander mit deprimierter Stimme fest und versuchte möglichst mitleiderregend auszusehen, »alt und dick.«

»Ja, du armer, alter, dicker Mann.« Sie setzte sich neben ihn und strich ihm mit einem spöttischen Lächeln über den Bauch.

»Das ist doch nicht zu fassen! Ich brauche Zuspruch! Du musst jetzt sagen, dass ich nicht dick bin und alt schon mal gar nicht. Du bist grausam.« Er zog das T-Shirt wieder über seinen Bauch und schob schmollend die Unterlippe hervor.

Statt einer Antwort küsste seine Frau amüsiert seine Stirn.

»Du bist früh dran«, stellte sie fest und nahm ihm das Glas aus der Hand.

»Womit?«

»Mit deiner Midlife-Crisis. Du wirst in zwei Monaten zweiundvierzig«, stellte sie nüchtern fest. »Aber du wirst es schaffen. Du wirst dir vornehmen, wieder regelmäßiger Sport zu treiben, dich gesünder zu ernähren, und vielleicht kaufst du dir eine Harley.«

»Ich liebe deinen psychologischen Scharfsinn!«, antwortete Brander und verzog das Gesicht. »Bist du bei deinen Patienten auch so unsensibel?«

»Nein, aber die zahlen auch besser.« Sie beugte sich über sein Gesicht und knabberte an seiner Unterlippe. Er zog sie näher zu sich. Der dezente Duft ihres Parfums stieg ihm in die Nase, und ihre dunklen Haare kitzelten auf seiner Stirn. Er strich die Strähnen zärtlich zur Seite. Zwölf Jahre waren sie verheiratet. Sie hatten schon einige Krisen hinter sich, da sollte seine angebliche Midlife-Crisis keine große Belastungsprobe für sie darstellen.

Das Läuten des Telefons störte ihre Zärtlichkeiten.

»Das kann nicht für mich sein.« Cecilia kuschelte sich an ihn.

»Für mich auch nicht.«

»Hast du nicht Bereitschaft?«

Brander verdrehte die Augen. Er hatte die Bereitschaft kurzfristig für den erkrankten Kollegen Böhl übernommen, unter dem Versprechen, dass es an diesem Wochenende keinen Anruf geben würde. Das war natürlich völlig utopisch. Dennoch hatte Brander die Hoffnung gehabt, sie würden ihn nicht anrufen.

»Das ist bestimmt für dich, eine deiner Freundinnen.«

»Wir sind nicht zu Hause«, entschied Cecilia.

Genau, wenn es tatsächlich so wichtig war, sollten sie ihn doch auf dem Handy anrufen, versuchte er sein Gewissen zu beruhigen. Sie ließen das Telefon klingeln. Der Anrufbeantworter schaltete sich ein. Eine Stimme, die Brander sehr gut kannte, hinterließ eine Nachricht.

»Kommissar Brander? Hier ist Sabrina. Ich weiß, wir haben versprochen, dich nicht anzurufen. Aber… komm schon, geh ans Telefon.«

Sabrina war Polizistin in der Tübinger Dienststelle, und obwohl sie sich schon lange duzten, sprach sie ihn noch immer mit »Kommissar Brander« an. Er spürte einen unangenehmen Stich im Magen. Wie gerne hätte er diesen Abend ungestört mit Cecilia genossen, aber schon jetzt ahnte er, dass er seine Frau wieder einmal enttäuschen musste. Er schob sie sanft ein Stück zur Seite.

»Tut mir leid. Sie hatten wirklich versprochen, nicht anzurufen. Vielleicht kann ich die Sache an jemand anderen weitergeben.«

Brander ging zum Telefon und wählte die Nummer seiner Dienststelle.

»Brander hier. Ich war nicht schnell genug am Telefon«, log er.

Konzentriert lauschte er dem anderen Ende der Leitung. Sein Blick war auf die Wand vor ihm geheftet, auf die er mit der freien Hand unbestimmte Muster zeichnete. Auf der Stirn bildeten sich kleine Falten. Hin und wieder unterbrach er die Stimme am anderen Ende mit einem kurzen »Ja« oder »Okay«. Schließlich fragte er mit einem frustrierten Seufzer nach dem »Wo?«. Der gemeinsame Abend mit Cecilia war definitiv vorbei. Er legte auf und sah sie an, wie er sie schon so oft bedauernd angesehen hatte. »Ich muss noch mal kurz weg. Ein schlimmer Unfall auf der Landstraße nach Reusten. Ein Toter.«

»Ein Unfall? Ist das neuerdings Sache der Kripo?«

Eine durchaus berechtigte Frage.

»Die SchuPo hat uns angefordert. Der Tote hat Stichverletzungen…« Brander kratzte sich am Kopf. War es wirklich notwendig, dass er rausfuhr? »Süße, ich mach es wieder gut.« Mit schlechtem Gewissen verließ er das Zimmer, um sich Jeans und Pullover anzuziehen. Cecilia kam in den Flur, als er seine Regenjacke von der Garderobe nahm. Er sah die Enttäuschung in ihren Augen und auch den stillen Vorwurf »Warum immer du?«. Sie fragte jedoch nur, ob es spät werden würde.

»Ich glaube nicht. Ich ruf dich an, wenn ich mehr weiß.« Er zog sie an sich und gab ihr einen Kuss. »Bin gleich wieder da.«

In der Garage stand sein vierzehn Jahre alter Peugeot. Er hätte sich mittlerweile ein besseres Auto leisten können. Doch er hing an dem Wagen. Mit ihm waren sie damals auf Hochzeitsreise gefahren– nach England, drei Wochen Regen und Linksverkehr. Das hatte sie zusammengeschweißt, alle drei, Cecilia, Brander und den Peugeot. Eine kleine Sentimentalität, die von seinen Freunden und Kollegen mit wohlgemeintem Spott bedacht und von seinem Auto mit treuen Diensten belohnt wurde. Er setzte rückwärts auf die Straße. Vor fünf Jahren hatten sie die alte Doppelhaushälfte gekauft. Cecilia hatte einige Jahre zuvor mit zwei Kollegen eine Gemeinschaftspraxis für Psychotherapie in Tübingen eröffnet. Als sich die Praxis erfolgreich in der Olgastraße etabliert hatte, hatte Brander seine Versetzung von der Landeshauptstadt Stuttgart in die altehrwürdige Universitätsstadt Tübingen beantragt. Durch Zufall waren sie bei einer Radtour auf dieses Haus in Entringen gestoßen, einem Ort mit knapp dreitausendfünfhundertEinwohnern, der zur Ortsgemeinschaft Ammerbuch gehörte und nur wenige Kilometer von Tübingen entfernt war.

Nie hätte er gedacht, dass er sich in so einem kleinen Ort wohlfühlen könnte. Ein Ort, in dem man die Leute kannte, die man morgens beim Bäcker traf, und in dem sogar Nicht-Schwaben sich in ihrer Freizeit als Obstbauern versuchten. Aber sie hatten sich schnell eingelebt und über den Sportverein gleich ein paar neue Bekanntschaften geschlossen, obwohl Brander nur sehr unregelmäßig ins Training ging. Die Entringer waren gesellig, engagierten sich im Sport- oder Musikverein oder in der Kirche, organisierten Achtzigerjahre Partys und Straßenfeste. Dieses aktive Gemeindeleben gefiel Brander. Dazu kam die herrliche Kulisse des Schönbuchs zur einen Seite und das Ammertal zur anderen. Und wenn es ihnen doch einmal zu ländlich wurde, waren sie in wenigen Minuten in Tübingen, um ins Kino oder Theater zu gehen und sich vom Charme der historischen Altstadt verzaubern zu lassen.

Der Unfallort war keine zehn Minuten Autofahrt von seinem Haus entfernt. Vielleicht war es nur eine Bagatelle, die rasch erledigt war, hoffte Brander, während er den Herdweg entlangfuhr. Am Ende bog er auf die B28, die Entringen längs durchschnitt, und fuhr Richtung Herrenberg. Kurz nach dem Ortsausgangsschild bog er links auf die schmale Kreisstraße, die sich am Hartwald vorbei nach Reusten schlängelte. Schon von Weitem sah er die Strahler, die die Kollegen aufgestellt hatten, um den Unfallort auszuleuchten. Branders Hoffnungen auf einen Bagatellfall schwanden, als er kurz hinter dem kleinen Bahnübergang der Ammertalbahn die Straßensperre erreichte und durch die Scheibe...


Sybille Baecker, geboren 1970 in Thuine, aufgewachsen in Gronau (Westfalen). Studium der Betriebswirtschaftslehre in Münster und Neu-Ulm, anschließend einige Jahre als IT-Prozessingenieurin in einem amerikanischen Unternehmen tätig. Heute lebt sie in der Nähe von Tübingen und arbeitet als Pressereferentin eines Sportfachverbandes in Stuttgart.



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