E-Book, Deutsch, 300 Seiten, E-Book
Baetzgen Brand Purpose
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7910-5442-1
Verlag: Schäffer-Poeschel Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wie Marken nachhaltig Wert schaffen. Im 6. Band der Buchreihe zur Markenführung von Andreas Baetzgen zeigen namhafte Markenstrategen, wie sie einen Brand Purpose entwickeln
E-Book, Deutsch, 300 Seiten, E-Book
ISBN: 978-3-7910-5442-1
Verlag: Schäffer-Poeschel Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Andreas Baetzgen Prof. Dr. Andreas Baetzgen lehrt als Professor für Wirtschaftskommunikation an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Nach dem Studium der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität der Künste Berlin promovierte er an der Filmuniversität Potsdam-Babelsberg zum Thema 'Kontextbasierte Markenkommunikation'. Es folgten Lehraufträge an der Universität der Künste Berlin, TU Berlin, Kunsthochschule Berlin-Weißensee und der Steinbeis School of Management and Innovation SMI. 2010 erhielt er einen Ruf an die Hochschule der Medien in Stuttgart. Dort lehrte er als Professor für Strategische Kommunikation und Branding bis zu meinem Wechsel im Jahr 2020 an die HTW Berlin. Andreas Baetzgen war als Marken- und Kommunikationsstratege in verschiedenen Werbe- und Designagenturen tätig, zunächst bei Scholz & Friends, später bei MetaDesign in Berlin.
Autoren/Hrsg.
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Purpose ist keine Religion
Dominic Veken
Ob Sternekoch, Stararchitekt oder Topinvestor: Sie alle sind erfüllt und inspiriert von einem Purpose, der sie antreibt. Dominic Veken befasst sich zu Beginn dieses Buch mit der Bedeutung und Funktion eines Purpose für Unternehmen und Menschen, aber auch mit den vielen verengten Positionen, die den Begriff, das Konzept und die Umsetzung eines Purpose missverstehen, dessen tatsächliches Potenzial verkennen und manchmal auch verklären.
Was bedeutet Purpose?
Was ist eigentlich ein Purpose? Ein inneres Anliegen? Ist er ein Sinn oder ein Zweck? Sagt man besser Meaning, Existenzgrund, Haltung oder Bestimmung? Was macht einen guten Purpose aus? Welche Funktion hat er? Was macht ihn für manche so wichtig? Und warum führt alleine der Begriff bei einigen zu einem schmerzverzerrten Gesicht, weil sie das mit ihm Verbundene grundlegend ablehnen? Um sich der Beantwortung all dieser Fragen zu nähern, scheint es zunächst einmal sinnvoll, sich an konkreten Beispielen zu veranschaulichen, worin denn solch ein Purpose überhaupt konkret bestehen kann. Dazu nutzen wir die Beschreibung durch den Stararchitekten Frank Gehry: »Es gibt ein Erlebnis, das ich als Erweckung bezeichnen würde oder zumindest als zentralen Punkt meiner Karriere als Architekt. Ich habe vor vielen Jahren zum ersten Mal Delphi in Griechenland besucht. Damals sah ich diese Skulptur eines Wagenlenkers – sie wurde vor 2.500 Jahren geschaffen. Sie war so schön, so außergewöhnlich schön, dass ich weinen musste. Die Künstler jener Zeit hatten etwas entworfen, das auch noch Jahrhunderte später starke Gefühle auslöste. Seit diesem Besuch in Delphi wollte ich das auch immer erreichen. Ich wollte Gebäude schaffen, die nicht kalt sind, sondern Gefühle ausdrücken und Gefühle hervorrufen. Das war mein Ziel, und ich habe mir immer überlegt, wie ich das erreichen kann« (aus einem aktuellen Interview im SPIEGEL, Knöfel/Sandberg (2021)).
Frank Gehry hatte das Glück, sehr früh für sich zu entdecken, was seine Aufgabe in der Welt ist, was ihn im Tiefsten antreibt und was ihn im Äußersten bei der Stange bleiben lässt. Mit der aus dieser Offenbarung resultierenden starken Überzeugung konnte Gehry über Jahrzehnte viele Bauherren für seine Vorhaben gewinnen. Er konnte tausenden Mitarbeitern eine wirklich befriedigende und sinnvolle Arbeit anbieten. Und er konnte weltweit Menschen durch die von ihm entworfenen Bauwerke inspirieren. Ein beeindruckendes Beispiel für dieses Faktum ist der sogenannte Bilbao-Effekt des Guggenheim-Museums, der aus einer relativ abgelegenen mittelgroßen nordspanischen Stadt ein magnetisierendes Mekka machte, das jedes Jahr Millionen von Touristen anzieht. Frank Gehry ist beseelt von dem, was er tut. Seine Architektur löst tatsächlich überall Gefühle aus. Und so wird er auch mit 92 nicht müde, sondern freut sich über alles, was er noch tun und bauen und errichten kann: »Ich kann nicht aufhören. Ich arbeite jeden einzelnen Tag der Woche, so wie ich es immer getan habe.«
Menschen mit einem Purpose führen ein erfüllteres Leben.
Menschen mit einem Purpose führen ein erfüllteres Leben, meistens kein einfacheres, aber mindestens ein intensiveres, auf jeden Fall aber ein inspirierenderes. Ein weiteres Beispiel hierfür ist der unorthodoxe Sternekoch Tim Raue, der das, was ihn begeistert, wie folgt beschreibt: »Das muss einfach eine Achterbahnfahrt am Gaumen sein. Und eine Achterbahnfahrt ist für mich der reine Spaß. Da lachst du, da schreist du, da heulst du vielleicht mal. Das bringt dich an deine Grenzen. Und das ist genau das, worum es mir geht« (aus einem Interview im Manager Magazin, Veken (2016)). Eine Achterbahnfahrt am Gaumen, so kochen, das es knallt, sodass jeder Gourmet wirklich schlucken muss: Das beseelt Tim Raue, das macht ihn als Persönlichkeit aus, definiert ihn, das treibt sein gesamtes Unternehmen, alle seine Köche, seine Fernsehsendungen, das gesamte Innovieren seiner Küche.
Was können wir nun aus diesen zwei Beispielen ableiten?
- Zunächst einmal, dass ein Purpose für Menschen ein Nordstern ist, ein Orientierungspunkt, dem sich unser Handeln verpflichtet. Er ordnet alles, was wir tun und versieht es mit einem höheren Sinn. Er begleitet uns in guten wie in schlechten Zeiten und hält uns auf Kurs, auch und gerade, wenn es einmal nicht so läuft: ob in der Architektur, beim Kochen oder dem Entwickeln von Medikamenten.
- Als Nächstes ist der Purpose ein Motor, denn er treibt uns an, er versorgt uns mit Energie, er macht Lust, alles zu geben, weil es befriedigt, ihm zu dienen.
- Und letztendlich ist der Purpose auch ein Magnet. Er zieht Menschen an, die das Gleiche wollen und wünschen und modelliert Mengen von ihnen zu einer gleichgesinnten Einheit, zu einer Gemeinschaft, die nach vorne strebt Richtung Nordstern und die sich dafür einsetzt, auf diesem Weg das Mögliche zu erreichen – und manchmal auch das Unmögliche.
Ob Frank Gehry oder Tim Raue, Martin Luther King oder Jimi Hendrix, ob Elon Musk oder Thomas Edison – alle diese Menschen fühlten und fühlen sich als Teil von etwas Größerem, sie folgten und folgen einem höheren Zweck, und das inspiriert Millionen von Menschen: an etwas Bedeutendem zu arbeiten, eine Aufgabe zu haben, das Leben nicht nur abzuleben, zu erfüllen, sondern selbst erfüllt zu sein von dem, was man tut. Das ist Purpose.
An etwas Bedeutendem zu arbeiten, eine Aufgabe zu haben, das Leben nicht nur abzuleben, zu erfüllen, sondern selbst erfüllt zu sein von dem, was man tut. Das ist Purpose.
Nordstern, Motor und Magnet – das sind also die drei Kernfunktionen, die ein Purpose erfüllen muss. Um herauszufinden, ob ein Purpose dazu taugt, dieser Funktionstriade zu entsprechen, haben wir bei BrightHouse die BAMM-Formel entwickelt, ein Akronym für »Big. Ambitious. Meaningful. Magic«. Wenn BAMM gilt, macht ein Purpose Sinn – und ist nicht nur eine leere Floskel. Was aber steckt hinter dieser Formel?
BAMM-Formel: vier Attribute als ultimative Checkliste
- Erstens ist es entscheidend, dass ein Purpose das eine Große, Erhabene ausdrückt und bezeichnet, etwas, das tatsächlich Bedeutung hat für die Welt und für die, die ihn erfüllen wollen und sollen. Denn erst durch seine Größe kann man sich mit einem Purpose identifizieren, sich für ihn interessieren. Seine Größe ist die Bedingung dafür, dass er über die Zeit Bestand hat und dass er kontinuierlich Energie freisetzt.
- Zweitens muss der Purpose einen fordern und herausfordern, er darf nicht einfach erreichbar sein, sondern muss einen mit Wucht aus der eigenen Komfortzone heraustreiben. Diese Erkenntnis verdanken wir dem Glücksforscher Mihalyi Csikszentmihalyi: Flow entsteht, wenn wir uns bei einer Beschäftigung im Korridor zwischen Unter- und Überforderung bewegen, wenn dadurch unsere gesamte Aufmerksamkeit beansprucht wird und wir in einen Tunnel intensivster Tätigkeit geraten. Das macht dann Laune.
- Drittens muss der Purpose authentisch sein, ein echtes inneres Anliegen und nichts von außen Aufgesetztes. Er muss das sein, was man eigentlich machen möchte und nicht aufgrund eines äußeren Drucks. Hier geht es um Ernsthaftigkeit, um Passung, um Einklang mit der Sache. Wer schon einmal einem Sushi-Koch in Kyoto bei der Arbeit zugesehen hat, weiß, wovon ich schreibe.
- Viertens und letztens muss ein Purpose Magie ausstrahlen, er muss Imaginationskraft wecken, die Welt ein Stück weit zurückverzaubern. So kann ein Purpose durchaus mal mit den Gesetzen des Heiligen spielen, solange er dabei nicht zum Dogma verkommt.
Kommen die vier genannten Attribute zusammen, ist ein Purpose »big«, »ambitious«, »meaningful« und »magic«, dann kann er seine volle Wirkung entfalten und seine drei Kernfunktionen erfüllen. Dann ist er handlungsleitend, ein Ideal, das im positiven Sinne Idealisten produziert. Wenn er wirklich »BAMM« ist, hat er das Potenzial, uns aus unseren Hamsterrädern zu befreien, unseren ewigen Mittel-Zweck-Gefängnissen, in denen wir immer nur etwas tun, um etwas anderes machen zu können. Der richtige und zu uns passende Purpose erlaubt uns einen Endzweck, einen Ruhepol, auf den alles andere zusteuert. Er gibt dem Leben Gravitas, im besten Falle hilft er dabei, das Leben zu einem gelungeneren zu machen.
Ein Purpose muss »BAMM« sein: »big«, »ambitious«, »meaningful« und »magic«.
Was bedeutet Purpose für Unternehmen?
Nun könnte man sich natürlich durchaus wundern: Wenn die Vorteile des Purpose doch offensichtlich sind, wenn sie durch etliche Philosophen von Aristoteles bis Zenon propagiert wurden, wie kann es dann...