E-Book, Deutsch, Band 5, 396 Seiten
Reihe: Mikropolitik der Gewalt
Bakonyi Land ohne Staat
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-593-41228-3
Verlag: Campus
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Wirtschaft und Gesellschaft im Krieg am Beispiel Somalias
E-Book, Deutsch, Band 5, 396 Seiten
Reihe: Mikropolitik der Gewalt
ISBN: 978-3-593-41228-3
Verlag: Campus
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
1991, kurz nach Beginn des bis heute andauernden Krieges, brach in Somalia der Staat vollständig zusammen. Jutta Bakonyi zeigt, wie seitdem die Gesellschaft jenseits zentralstaatlicher Regulierung funktioniert, und welche Macht und Herrschaftsstrukturen sich herausgebildet haben. Die Untersuchung des Handels mit der Droge Khat, des Währungs- und Finanzmarkts sowie der internationalen Entwicklungshilfe verdeutlicht, welche Wirtschaftsstrukturen jenseits des Staates entstanden sind.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Inhalt;6
2;Dank;10
3;Einleitung;11
4;1. Theoretische Annäherung: Gesellschaft im Krieg;27
4.1;1.1 Zum Stand der Forschung;28
4.2;1.2 Kriegsursachen in der Weltgesellschaft;51
4.3;1.3 Die soziale Praxis des Krieges;58
4.4;1.4 Schlussfolgerung für die empirische Untersuchung des Krieges;88
5;2. Weltgesellschaft in Somalia;91
5.1;2.1 Einführung in Gesellschaft und Geschichte;91
5.2;2.2 Gelungene Inwertsetzung – missglückte Modernisierung;97
5.3;2.3 Traditionale Gewaltverwaltung im Modernen Staat;101
5.4;2.4 Resümee: Gesellschaftliche Konfliktpotenziale;112
6;3. Mobilisierung und Organisierung der Gewalt;114
6.1;3.1 Das staatliche Vorspiel: Der Ogaadeen-Krieg;114
6.2;3.2 Der Aufstand;117
6.3;3.3 Der Krieg: Massenmobilisierung;140
7;4. Dynamiken der Gewalt;158
7.1;4.1 Die kriegerische Massenbewegung und ihr Zerfall;159
7.2;4.2 Die Re- und Neuorganisation der Milizen und ihre Allianzen;173
7.3;4.3 Die politische Ökonomie des Chaos;193
8;5. Humanitäre Interventionen;214
8.1;5.1 Geschichte humanitärer Interventionen in Somalia;215
8.2;5.2 Arenen der Diversion internationaler Gaben;225
8.3;5.3 Resümee: Von Raub und Plünderungen zum Racketeering;239
9;6. Gewalt, Macht und Herrschaft jenseits des Staates;242
9.1;6.1 Fragmentierte Macht: Mogadischu und die Banaadir-Region;242
9.2;6.2 Lokale Selbstverwaltung in Bay und Bakool;253
9.3;6.3 Verwaltete Rackets: Eroberung und Herrschaft;269
9.4;6.4 Resümee: Die Warlordfiguration;274
10;7. Politische Ökonomie der Warlordfiguration;277
10.1;7.1 Geld, Währung und Finanzen – alles ohne Staat;277
10.2;7.2 Handelsnetzwerke in Kriegszonen: Das Beispiel Qaat;288
10.3;7.3 Internationale Interventionen in eine Gesellschaft ohne Staat;308
11;8. Resümee: Ökonomie und Herrschaft jenseits des Staates;330
12;Epilog;341
13;Verzeichnis der Interviewpartner und Interviewleitfaden;347
14;Abkürzungsverzeichnis;354
15;Literatur;357
7. Politische Ökonomie der Warlordfiguration (S. 276-277)
Macht manifestiert sich in der Warlordfiguration kleinräumig und bleibt instabil. Die wirtschaftlichen Beziehungen dagegen übergreifen die lokalen Machtgefüge und verbinden diese sowohl miteinander als auch mit dem regionalen wie internationalen Umfeld. Trotz anhaltender Gewalt verzeichnete Somalia nach 1995 ein rasches wirtschaftliches Wachstum. Die ökonomischen Indikatoren entsprachen Ende der neunziger Jahre fast denen vor Beginn des Krieges (UNDP 2001: 48).
In den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts konnten gar Rekordhöhen im Handel verzeichnet werden (WB 2006: XIf.). Solche Zahlen sagen jedoch wenig darüber aus, wie wirtschaftliche Beziehungen in einem instabilen Machtgefüge, ohne staatlichen Schutz und Rechtsgarantien organisiert werden. Dies wird im Folgenden anhand von drei ökonomischen Arenen untersucht: dem Währungs- und Finanzmarkt (7.1), dem Handel mit Qaat (7.2) und der internationalen Entwicklungshilfe (7.3). Dabei wird eine historische Perspektive eingenommen und gezeigt, wie sich die wirtschaftlichen Tätigkeiten im Krieg verändert und an ihn angepasst haben. Die Frage, in welchem Verhältnis die ökonomischen Beziehungen zur Gewaltorganisierung und zum Aufbau von Herrschaft stehen, wird erneut aufgegriffen.
7.1 Geld, Währung und Finanzen – alles ohne Staat
Das Rückgrat sowohl des Finanzsektors als auch des wirtschaftlichen Wiederaufbaus in Somalia bildeten Geldüberweisungen aus der somalischen Diaspora. Diese Gelder wurden über ein informelles Transfersystem, genannt Xawilaad1, übermittelt. Xawilaad operierte nahezu flächendeckend in Somalia und verband über vierzig Länder auf allen Kontinenten (Omer 2002: 5). In Somalia arbeiteten 2005 neun Transferunternehmen mit globaler Ausdehnung und eine unbekannte Zahl lokaler oder regionaler Unternehmen.
Zu den globalen Unternehmen zählten nach der Schließung von Al-Baraakat im Oktober 2001,2 Dahabshiil, Amal, Al-Mustaqbal, Barwaqo Financial Services, Towfiq, Cidgal, Dalsan, Kaah Express und Salama Money Express. Dahabshiil war ein Familienunternehmen, die anderen Transferunternehmen basierten auf Teilhaberschaften (Waldo 2006: 21; Omer 2002: 11). Die Entstehung von Xawilaad ist eng verknüpft mit drei parallelen Entwicklungen: die durch den Krieg ausgelöste Massenmigration; die Modernisierung der IT- und Telekommunikationsindustrie und die nach 1995 revitalisierte Handelsökonomie (UNDP/EC 2004b: 16).